SWEDENROCK FESTIVAL - Sölvesborg - Freitag, 09.06.2023
Beitragsseiten
Freitag, 09.06.2023
H.E.A.T. (Festival Stage)
So wie der gestrige Tag begonnen und geendet hat, so ging es freitags weiter. Wieder gab es bei bestem Sonnenschein sonnige Klänge, die nur nicht aus Kalifornien stammten, sondern aus dem hohen Norden, wie eben zum Abschluss des Donnerstag. Dabei liegen die musikalischen Parallelen nicht nur im gemeinsamen Projekt einiger Musiker namens CROWNE, sondern sind auch in der Musik zu finden. Im Prinzip führen Kenny Leckremo und seine Mannen die Mission ihrer berühmten Landsleute fort. Und trotz der frühen Startzeit auf der Hauptbühne fand sich einiges an Publikum ein, sogar aus Brasilien hatte sich ein Fanclub auf den Weg gemacht.
Und die immer noch junge Garde ließ es direkt krachen und gab von Beginn an Vollgas. Wie es Gitarrist Dave Dalone schafft, nie seinen Hut zu verlieren wird auf ewig ein Rätsel bleiben, er ließ besonders bei seinen Soli keine Pose aus und war viel unterwegs. Am liebsten ganz vorne am Bühnenrand, wo er der Anhängerschaft sein Spiel wunderbar präsentieren konnte. Die Riffs gingen ihm lässig vom Stapel, wobei jene auf den letzten Scheiben wieder etwas metallischer angelegt sind, was sich auch an dem Tag im Sound bemerkbar machte.
Noch mehr in Headbang-Laune war Jimmy Kay am Bass, der wie immer breitbeinig da stand, wenn er nicht gerade die Bühne abschritt, die viel Platz dafür ließ. Wenn man sich das Stageacting von Keyboarder Jona Tee und Schlagzeuger Don Crash anschaute, so konnte man mutmaßen, dass die beiden da gerne mitgemischt hätten, wenn sie nicht an ihre Instrumente gebunden gewesen wären. Da flogen die Hände, wenn sie nicht gebraucht wurden, besonders der Mann an den Kesseln hat das Spiel zwischen den Schlägen perfektioniert.
Natürlich standen sie dennoch alle im Schatten von Kenny Leckremo, der es förmlich genoss, wieder dabei zu sein. Als wolle er die Jahre ohne ihn aufholen rannte er auf der Bühne herum, fuchtelte mit den Armen umher und feuerte immer wieder das ordentlich mitgehende Publikum an. Als er einmal kurz hinter der Bühne war und wieder hervor sprintete stolperte er, überschlug sich, stand auf und machte weiter, als wäre nichts gewesen? Sein Gesangsbeitrag litt indes nicht so sehr unter seiner Überportion Power, wie das noch im letzten Jahr der Fall gewesen war.
H.E.A.T wären aber nicht H.E.A.T, wen sie nicht doch überziehen würden, dieses Mal erneut die Zeit, die sie 2018 meilenweit rissen, bis ihnen der Strom abgestellt wurde. So winkten einige Leute hinter der Bühne eifrig mit Uhr und Setlist, während der gute Kenny seine Animationsspielchen mit den Zuschauern ausgiebig exerzierte. Am Ende kam der Fünfer rechtzeitig ins Ziel, wobei man ein paar Songs älteren Datums mehr gewünscht hätte, gerade das Referenzwerk „Tearing Down The Walls“ war bis zum gefeierten letzten Song unterpräsent.
Setlist H.E.A.T:
Back To The Rhythm
Dangerous Ground
Rock Your Body
Redefined
Hollywood
Tainted Blood
One By One
Beg Beg Beg
1000 Miles
Living On The Run
Nationwide
One Shot At Redemption
PHIL CAMPBELL AND The BASTARD SONS (Sweden Stage)
Eine noch schwereres Erbe hatte im Anschluss das walisische Familienunternehmen zu verwalten. Zum einen existieren die Vorreiter der schwedischen Hair Metalwelle noch, zum zweiten prägte Lemmy noch mehr das Lebensgefühl vieler Rocker. Wobei ich mich immer frage, warum er seine Söhne so nennt, beim Blick auf die drei Jungs sollte man die Formation eher in Hipster Brothers umbenennen.
Für den Auftritt hatten sie ein spezielles Set mit ausschließlich Songs aus dem Fundus von Lemmy angekündigt, was die Problematik der Truppe andeutet. Mit ihrem eigenen stilistisch da zu ähnlichen Material können sie kaum punkten, aber als reine Covertruppe wollen sie auch nicht enden. Ob so ein Festival nicht der beste Ort wäre um eigenes Material vorzustellen, sei mal dahin gestellt, oder hoffen sie auf viele Besucher ihren eigenen Konzerte zu dem Zweck.
So tankte man sich durch ein Programm, das gar nicht mal so offensichtlich war und durchaus einige Überraschungen bot. Songs aus der etwas kommerzielleren Phase gab es bei MOTÖRHEAD in den letzten Jahren weniger und auch Stücke neueren Datums hatten sich eingeschlichen. Eingeschlichen hatte sich auch der große Hit, den Mr. Kilmister vor seiner eigenen Band für HAWKWIND komponiert hatte. Das war aber mehr als legitim und viele Fans freuten sich, die spacige Hymne hören zu dürfen.
Kein Wunder, dass diese nach allen Regeln der Kunst abgefeiert wurden, die Fans werden der Legende ewig anhängen und auch junges Publikum tanzte und bangte vergnügt zu den Klassikern. Auf der Bühne ging es indes nicht ganz so wild zu, aber seien wir ehrlich, das war schon zu Lemmy´s Zeiten nicht viel anders. Die Vaterfigur mit der glorreichen Vergangenheit überzeugte zwar nach wie vor mit Spielwitz, doch in Sachen Agilität sind die letzten Jahre auch nicht spurlos an ihm vorüber gegangen.
Eigentlich müssten es ja die jungen Hüpfer rausreißen, doch das Söhnetrio steht eher stoisch da und ballert die Riffs hart und tight raus. Am meisten Alarm macht noch Dane hinter der Schießbude, der ordentlich nach vorne trommelt und die Sticks fliegen lässt. Der neue Sänger Joel Peters poste zwar recht cool, seine Röhre kam aber nicht nahe genug an das Original und seine Frontmannqualitäten waren ebenso ausbaufähig. Statt die Meute anzufeuern, trieb er lieber Scherze mit Bassist Tyla, hatte da wenigstens die Lacher auf seiner Seite. Die Songs waren größer als der Auftritt, aber schön, dass sie nicht in Vergessenheit geraten.
Setlist PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS:
Iron Fist
Damage Case
Rock Out
Stay Clean
Born To Raise Hell
Just ´Cos You Got The Power
(We Are) The Road Crew
R.A.M.O.N.E.S.
Over The Top
Ace Of Spades
Silver Machine
Going To Brazil
Killed By Death
Overkill
MIKE TRAMP (Sweden Stage)
Im Anschluss konnte der Verfasser dieser Zeilen direkt an der Bühne bleiben und sich etwas in ihrem Schatten suhlen. Danach kam erneut ein einziges Mitglied einer bekannten Band, um deren Legende hochzuhalten, wobei WHITE LION sicher nie den Stellenwert von MOTÖRHEAD hatten. Dazu war ihr, bei der Ausgabe des SwedenRock wieder sehr präsenter Hair Metal zu zeitgeistig. Eigentlich hatte Tramp mit dem Kapitel abgeschlossen, doch kürzlich nahm er erneut eine Reihe alter Songs von ihnen auf, mit denen er jetzt ausgiebig tourt. Im Gegensatz zu den früheren Neueinspielungen wurden die Stücke diesmal hörbar umarrangiert.
Man kann jetzt sagen, sie klingen erwachsener, so wie auch das letzte Solomaterial des Barden. Auf der anderen Seite tönen sie aber auch nicht mehr ganz so stark, haben nicht mehr den zwingenden Drive. Drummer Alan Tschicaja schlug wesentlich zurückhaltender auf das Kit ein, das knallige Element fehlte den Liedern jedoch. Rifftechnisch tat es ihm Marcus Nand gleich und ließ die harte Kante missen, die Schärfe für die einst Vito Bratta bekannt war. Jener wird schmerzlich vermisst, genial das Shirt eine Edelfan mit der Vermisstenanzeige.
Eine andere Lesart der neuen Versionen ist jedoch die immer zerbrechlicher werdende Stimme von MIKE TRAMP, der seine Melodien komplett neu anlegen musste. Wie schon beim ROCK MEETS CLASSIC ein paar Wochen zuvor machte es vielen das Mitsingen schwer, weil man ganz andere Einsätze und Timings im Kopf hat und weit weniger Zeit zum Üben. So gönnten ihm die an dem Abend präsentierten Interpretationen mehr Raum, um durchzuatmen, also nicht nur musikalisch altersgerecht, sondern auch körperlich.
Zumindest den Geist jener Zeit schien der Frontmann immer noch zu verinnerlichen, auch wenn er damit schon öfter gebrochen hat. Heuer konnte er gar nicht genug betonen, wie großartig sein Amerika-Abenteuer war, wie unbeschwert die damaligen Zeiten, obwohl der großartige Texter auch da schon Missstande anprangerte. Immer wieder plauderte er von alten Zeiten und ließ den Spirit hochleben, einen Spirit, von dem ich immer wusste, wie toll es damals war. Klar war das etwas kalkuliert, schließlich weiß er am besten, dass er erfolgstechnisch nie wieder dahin kommt.
Natürlich lag der Fokus auf dem Durchbruchalbum „Pride“, das den Großteil des Set bestimmte. Warum aber von arg überproduzierten „Big Game“ drei Stücke sein mussten ist unverständlich. Zumal „Mane Attraction“ komplett leer ausging, ein Werk dessen Musikalität eine große Zukunft für das Quartett hätte zeigen können. Stattdessen drei Beiträge vom überproduzierten „Big Game“, die ein wenig die Stimmung kühlten. Emotional wurde es beim Balladen-Überhit, der selbst gestandene Männer zum Weinen brachte. Am Ende machten der Debüt-Kracher und das Epos ihres Meisterwerks mit originalgetreueren Bearbeitungen die Sache doch noch richtig rund.
Setlist MIKE TRAMP:
Lonely Nights
Hungry
Tell Me
Living On The Edge
Cry For Freedom
Wait
When The Children Cry
Little Fighter
Broken Heart
Lady Of The Valley
BLUE ÖYSTER CULT (Festival Stage)
Am anderen Ende des Geländes stand die nächste Legende in den Startlöchern, wobei hier mit Eric Bloom und Donald „Buck Dharma“ Roeser noch zwei Protagonisten von Beginn an dabei waren. Zwei ehemalige Mitglieder, die Bouchard-Brüder waren vor vier Jahren mit ihrer Version zu Gast. Die stehen beide kurz vor der Achtzig, weswegen ihr Auftreten nicht mehr das Agilste war. Gerade bei Bloom sah es so aus, als ob er keine Gitarre mehr tragen könne, doch die Gestik war immer noch kraftvoll und ausdrucksstark.
Zu Beginn gab es den Opener des Debüts, der seit Jahren das Set eröffnet, ansonsten gab es vor allem die bewährten Hits, die sich gegen Ende häuften. Einen Auszug aus dem letzten Album gab es auch, mit dem wollte man schon beim SwedenRock spielen, schön, dass es nun geklappt hat. Zwar konnte man kein großes Stageacting mehr erwarten, doch die Coolness und der Humor der Herren sind immer wieder bemerkenswert. Dazu war das Set selbstredend spielerisch eine Klasse für sich, hier harmonierte jeder Ton mit dem anderen, selbst die mehrstimmigen Gesänge stellten keine Hürde dar.
Mit der Zeit taute auch Bloom auf, und schnappte sich seine Gibson SG, um zu beweisen, dass er nichts verlernt hat. Mit drei Äxten bewaffnet ging man zum Angriff über, das rockte fein, dass die Norje Bucht zu hüpfen begann. Wobei sich das Publikum doch eher auf das Mitsingen konzentrierte, dazu von der Band immer wieder eingeladen wurde. Ab und an verschwand Bloom auch hinter den Tasten und Richie Castellano übernahm die zweite Gitarre, die er ebenso meisterlich zu bedienen wusste. Er ist nun schon lange dabei und Bassist Danny Miranda integrierte sich nach seiner Rückkehr ohnehin mühelos.
Fans und Band fanden immer mehr zu einer Einheit, wobei sich da teils Generationen einfanden, vor und auf der Bühne. Dabei stimmte auch die Mischung aus düstern unheilvollen Nummern und flotten Rockriffs, stets mit Hintersinn versehen. Interessanterweise geriet die Ballade ihres Erstlings zum großen Showdown, welcher das Finale einläutete. Nachdem Castellano schon Szenenapplaus für ein beeindruckendes Solo erhielt, setzte der gute „Buck“ noch einen drauf. Nicht nur in Sachen Rasanz, sondern auch weil er dabei an der Rampe auf die Knie ging und ganz eins mit seiner Steinberger wurde.
Der Rest war eine lockere Party, die Formation nahm den Zuspruch sichtlich erfreut zur Kenntnis. Zum Abschluss wurde ausgiebig gejammt, immer wieder das Honyk Tonk in den Vordergrund gerückt und die Menge noch einmal mit einbezogen. Schade nur, dass die Spielzeit von 75 Minuten nicht komplett ausgenutzt wurde, über ein „Harvester Of Eyes“ in der Zugabe wie bei den US-Shows hätte nicht nur meine Wenigkeit gefreut. Hoffentlich lassen sich BLUE ÖYSTER CULT für die nächste Tour nicht mehr zu lange Zeit, wer weiß wie lange sie noch auf dem Niveau performen können.
Setlist BLUE ÖYSTER CULT:
Transmaniacon MC
That Was Me
The Golden Age Of Leather
Burnin´ For You
ME 262
Black Blade
Hot Rails To Hell
Then Came The Last Days Of May
E.T.I. (Extraterrestrial Intelligence)
Godzilla
(Don´t Fear) The Reaper
-----------------------------------------------
Cities On Flames With Rock´n´Roll
POWERWOLF (Rock Stage)
Nachdem auf der größten Bühne ein Kult zelebriert wurde, gab es auf der anderen Seite des nördlichen Infield eine echte Messe. Stilecht die Bühne als Kirche dekoriert versammelten die deutschen Hohepriester des Power Metal wieder die Schäfchen zu metallischen Gebet. Obwohl viele schon für die Überväter IRON MAIDEN anstanden, erschienen diese zahlreich, um die Sakramente zu empfangen. Doch von stiller Andacht war man weit entfernt, nicht einmal zu einer Ballade ließ sich die Truppe hinreißen, wobei ich „When The Wild Wolves Are Gone“ schon gerne gehört hätte.
Eineinviertel Stunden Vollgas standen auf dem Programm, sowohl bei den Geistlichen als auch ihren Jüngern. Schneller als die Flammen versprach der Opener und die Gebrüder Greywolf rannten über die Bretter als wollten sie vor der Verdammnis fliehen. Da nimmt man das Statement ein Bassist würde nur von ihnen umgerannt werden für bare Münze. Die Matten flogen ebenso wie die Finger über die Griffbretter, Riffs prasselten wie Psalmen hernieder. Die Spielfreude der beiden war bei sehr tightem Zocken immer wieder erstaunlich, die Maschine ist gut geölt, womöglich mit Messwein.
Zeremonienmeister war wie immer Atilla Dorn, der den Humor der Truppe bestens zur Schau stellte und auch im Englischen mit witzigen Ansagen die Menge auf seine Seite ziehen konnte. Und Sölvesborg gehorchte auf´s Wort, beim Opener wurde fröhlich das Haupthaar im Staccato verneigt, im Anschluss brav gehüpft. Normalerweise singt der Chor ja von der Empore, bei der Metalmesse verhält es sich etwas anders, hier kommt der wahre Metalchor aus dem Auditorium.
Die Schäfchen hätten auch schlecht daran getan, nicht Abbitte zu leisten, denn hinten passte Organist Falk Maria Schlegel auf, dass alle folgten. Gefiel es ihm nicht, was er sah, so kam er nach vorne und las dem Volk mit wild rudernden Armen die Leviten, bis ihn die Reaktionen zufrieden stellten. Und weil in einer Messe auch etwas vermittelt werden sollte, gab der gute Atilla Nachhilfe in Sachen deutscher Zählweise, dass auch ja keiner seinen Einsatz verpasste.
Wirkliche Heilige standen da nicht auf der Bühne, das Wort wurde mit harter missionarischer Arbeit verkündet, zu der dauernde Attacken geritten wurden, ebenso wurden die Toten beschwört. Aus dem Gesangbuch gab es vor allem neueres Liedgut, die beiden letzten Songzyklen standen im Vordergrund, in denen noch mehr Chöre und Orchester das Ganze feierlicher machten.
Die beiden ersten Bücher blieben außen vor, für dessen Glaubensbrüder gab es einen Titel des neuen „Interludiums“. Am Ende wurden die Wölfe gehuldigt, ihre Mission war erfüllt, wer noch nicht bekehrt war, holte dies nach. Wobei es für mich immer noch wunderlich ist, wie viele Pilger in aller Welt, insbesondere Schweden den Weg zu ihnen fanden. Der einzig echte Glaube lässt sich eben nicht aufhalten, auch nicht vom stürmischsten Skagerrag dazwischen.
Setlist POWERWOLF:
Faster Than The Flame
Inscence & Iron
Army Of The Night
Amen & Attack
Dancing With The Dead
Armata Strigoi
Sainted By The Storm
Demons Are A Girl´s Best Friend
Fire And Forgive
Resurrection By Erection
Blood For Blood (Faloadh)
Sanctified With Dynamite
We Drink Your Blood
Werewolves Of Armenia
IRON MAIDEN (Festival Stage)
Nach den irdischen Vertretern der Metalhoheiten war es Zeit, damit die Götter von ihrem Olymp herab steigen, und für das Volk predigen. Schließlich sind die britischen NWOBHM-Legenden die meist gewünschte Band der Besucher. Folgerichtig waren die Tagestickets rasend schnell weg für den Freitag und Dickinson, Harris und Co. Sahen sich der größten Crowd in der Geschichte des Open Airs gegenüber. Und jene ging vom ersten Moment bis in die hinteren Reihen voll mit. Vorne flogen die Matten durch den Fotograben, als sich die breite Saitenfraktion aufbaute.
Der Frontmann kam heuer nicht mehr so vehement auf die Bretter gesprungen wie noch vor fünf Jahren, wobei auch an ihm die Zeit nicht vorbei geht. Für 65 Jahre noch erstaunlich fit und gut bei Stimme ist er mittlerweile in Ehren ergraut. Die Haare zum Halbzopf gebunden ähnelte er dem Samurai auf den Artworks zum neuen Album. Da schleifte er auch einen Mikroständer mit sich herum, um sein Arbeitsgerät zu parken, mit dem er früher umher rannte. Etwas gemächlicher war er schon unterwegs, das muss man festhalten, aber immer noch die überragende Figur des Sets.
Zu Beginn sehr futuristisch gekleidet passte er perfekt zum auf neben „Senjutsu“ vor allem auf „Somewhere In Time“ aufgebauten Set. Mit zwei Nummern davon begann auch die Show, die lautstark bejubelt wurden. Viele hofften auf Überraschungen, die sollten kommen, denn endlich erhörten die Eisernen Jungfrauen die Schlachtrufe nach dem Song über Alexander, den Großen. Da gab es endgültig kein Halten mehr, als dieser Mitte des Sets angestimmt und aus zehntausenden Kehlen mitgesungen wurde.
Wie gewohnt war Bruce viel unterwegs und erklomm über versteckte Treppen die Plattformen im hintere Teil der Bühne, um von dort zu performen. Bei den Leinwänden gab man sich weiterhin bemerkenswert analog und wechselte die Backdrops wie Theatervorhänge. Nur auf zwei schmalen LED-Wänden links und rechts davon wurden Videos ausschnittsweise gezeigt.
Maskottchen Eddie tauchte mehrmals auf und bekriegte sich nur zu gerne mit dem Sänger. In Gestalt wie auf dem 86er-Album behielt er mit seiner Laserkanone die Oberhand, im Samurai-Gewand unterlag er im Fechtduell Dickinson, der sich damit bekanntlich gut auskennt. In den langen Instrumentalparts wurde auch die Garderobe öfter getauscht, der Sänger verkörperte gerne die Protagonisten der Lieder.
Dagegen schaffte es von seinen Kollegen keiner nach oben, sondern rockten unten durch die zwei Stunden. Jannick Gers warf ständig seine Gitarre umher, poste wie wild und lieferte eher die Fills und weniger Soli. Die teilten sich auf der linken Seite Dave Murray und Adrian Smith und zeigten dabei eine sehr homogene Leistung. Mainman Steve Harris schritt breitbeinig umher und richtete immer wieder seinen Viersaiter gen Publikum.
Irgendwie vermisste man jedoch das Bandgefüge, jeder stand für sich alleine ohne groß zu kommunizieren. Nicht mal ein zum gemeinsamen Solieren treffen oder sich vorne aufreihen war drin. Klar mussten die Herren die große Bühne ausfüllen, was sie mir ihrer Präsenz taten, ein bisschen mehr miteinander spielen wäre wünschenswert gewesen. So bekam der kraftvoll agierende Nicko Mc Brain optisch keinen Zugang zum übrigen Geschehen.
Bei der Songauswahl gab man die Formel drei mal fünf aus, neben der erwähnten Anzahl von „Somewhere In Time“-Stücken gab es die selbe vom aktuellen Longplayer und je einen weiteren von fünf verschiedenen Werken. Jener Reigen begann mit „Number Of The Beast“, von dem überraschenderweise keiner der Top-Tracks dargeboten wurde. Ansonsten wurden von den Klassiker-Scheiben die obligatorischen Hits gespielt und der Hit vom Im Fokus stehenden Album beendete das Set standesgemäß, wobei das gesamte Areal mitsang.
Setlist IRON MAIDEN:
Caught Somewhere In Time
Stranger In A Strange Land
Writing On The Wall
Days Of Future Past
The Time Machine
Prisoner
Death Of The Celts
Can I Play With Madness
Heaven Can Wait
Alexander The Great
Fear Of The Dark
Iron Maiden
-------------------------------------
Hell On Earth
The Trooper
Wasted Years
Foto: SwedenRock
BEHEMOTH (Rock Stage)
Von dem schönen verbindenden Schauspiel konnten wir uns ein Bild machen, während wir uns den Weg zur Bühne gegenüber bahnten. Nach so einem gefeierten Überact bedarf es besonderer Bands, um da bestehen zu können, die mächtigen Polen eignen sich für den Job am besten. Nachdem sie vor vier Jahren canceln musste, weil ihr Equipment verschollen war, nutzte sie nun die lange Spielzeit des Headliners und fuhren massiv auf. Um die Spannung zu erhöhen betreiben sie wie schon auf der Herbsttour Schattenspiele hinter dem Vorhang beim Intro.
Als dieser fiel gab es wenig Licht, dafür wurde aus allen Rohren gefeuert, das im wahrsten Sinne des Wortes. Von den Rampen, welche rechts und links hoch hinauf führten kamen Flammensäulen in unterschiedlichen Höhen, hinter der Backline waren Flammenwerferbatterien angeordnet und ganz vorne verschränkten sich schwenkbare Feuerfontänen. Dem satanischen Ritual gerecht wurde es heiß wie die Hölle.
Rituell waren auch viele Klänge, wenn das infernalische Tempo gedrosselt wurde und die Vocals cleaner und klagender tönten. Dann waren auch die Zuschauer da, die ihre nunmehr müden Stimmen erhoben und die düsteren Worte hinaus grölten. Die Matten flogen und Hörner erhoben sich aus der Menge, die Anhänger folgen zu welcher erdenklichen Uhrzeit auch immer. Man sah auch Flaggen ihrer polnischen Heimat in der Menge, was ihren Stellenwert dort unterstreicht.
Die große Bewegung gab es auf der Bühne nicht, zumindest was die Positionen anging, meist verharrten die Musiker hinter ihren kunstvoll gestalteten Mikroständern. Nergal stolzierte in schleppendem Tempo viel herum, bot die großen theatralischen Posen und knallte seine Riffs mit unbändiger Härte und Präzision in die Nacht. Auch seine Ansagen steckten voller Metapher und Deutungen, zu denen sich aber viel Bezug zu weltlichen Themen ziehen ließen.
Seine Mitmusiker erklommen öfter die Aufbauten, jedoch auch jenes erhabenen Schrittes wie der Meister über die nur spärlich beleuchteten Bretter. Einmal jedoch angekommen entfesselten sie auch vom Stageacting die Urgewalt der Kompositionen. Seth ging oft tief in die Knie und warf seine Gitarre umher, während Bassist Orion seinen Zopf auf vollen Touren kreisen ließ. Völlig der Raserei ergab sich Inferno hinter den Kesseln, die er permanent mit etlichen Breaks malträtierte.
Bei ihm brachten die eher schweren Passagen noch zusätzliche Dynamik ein, wenn er wuchtig die sakralen Stimmungen akzentuierte und das Publikum im Takt mitschwingen ließ. Nergal stand dann da und hielt seinen Sechssaiter hoch über dem Kopf, während die Riffs flirrten. Das war eher bei den neueren Nummern der Fall, die immer wieder diese kalten Riffkaskaden auffuhren. Neben dem aktuellen „Opvs Contra Natvram“ stand natürlich das Meisterwerk „The Satanist“ im Fokus, wobei die gut durchmischte Setlist bis zurück zu „Satanica“ in den Neunzigern ging. Am Ende wurde die Messe im Glaubensbekenntnis bei ihrem großen Ende frenetisch gefeiert.
Setlist BEHEMOTH:
Ora Pro Nobis Lucifer
Malaria Vvlgata
Conquer All
The Deathless Sun
Blow Your Trumpet Gabriel
Once Upon A Pale Horse
Diamonos
Versvs Christvs
Ov Fire And The Void
Bartzabel
No Sympathy For Fools
Chant For Eschaton 2000
O Father! O Satan! O Sun!
THRESHOLD (Blåkläder Stage)
Das polnische Rollkommando war noch nicht zu Ende, da ging es auf der zweitkleinsten Bühne immer noch weiter. Klares Kontrastprogramm, beide Bands jedoch vorn ein ihrem Genre dabei und mit Eigenheiten und Anspruch. Wer jedoch die Idee hatte die Briten zu so später Stunde anzusetzen scheint kein Proggie gewesen zu sein. Sehr schade, aber verständlich, dass sich der Zuspruch doch in argen Grenzen hielt. Der Hang vor der Absperrung war nur spärlich bevölkert und selbst ganz vorne gab es noch Platz, während dahinter viele zum Ausgang strömten.
Was nichts daran änderte, das die Band in der Form weiter machte, wo sie vor wenigen Wochen im saarländischen Neunkirchen aufgehört hatte. Erfüllen tat sich die von Richard West geschürte Hoffnung nicht, ein paar mehr Klassiker zu hören, das Programm war lediglich eine abgespeckte Version jenes Gigs. Ganz nach Prog-Manier scheute man sich nicht in die eine Stunde zwei Songs mit zweistelliger Spielzeit einzubauen, Hits hatte man ohnehin noch nie. Diese entpuppten sich auch als Höhepunkte der jeweils beiden letzten Scheiben und boten alles, was der Herz begehrte.
Die Keyboards von Richard West waren gut zu vernehmen, teils doppelte er die Gitarre, was vergessen ließ, dass nur eine am Start ist. Darüber hinaus brachte er viele Harmonien rein, welche die melodiösen Songs richtig rund machten und konnte auch solistisch glänzen. Für die Showelemente sorgte vor allem das andere Gründungsmitglied Karl Groom, der mit breitem Schritt leicht abgekniet seine satten Riffs raushaute. Wahlweise hielt er die Gitarre gen Publikum oder stellte sie auf seinen Oberschenkel, was eine gesunde Aggressivität versprühte.
Steve Anderson zog es vor die dicken Saiten etwas höher am Körper zu halten, was ja eher dem Muster eines Prog-Muckers entspricht. Für ihn gab es immer wieder Gelegenheit sein warmes Spiel in schönen Leadpassagen zu zeigen. Hinten begnügte sich Johanne James mit einem kleinen Kit, da kennt man in dem Genre ganz andere Konfigurationen. Doch mit seinem treibenden Spiel lieferte er einen wichtigen Baustein dazu, dass die ausgefeilten Stücke nicht zu statisch rüber kamen. Gerade sein Spiel mit den Sticks ließ ihn eher in einigen anderen Kapellen verorten, die hier ihr Stelldichein gaben.
Immer sicherer wird der neue Sänger Glynn Morgan, jedes Konzert bringt ihm wichtige Bühnenerfahrung. Stimmlich konnte er die großen Melodiebogen perfekt in Szene setzen, sein angenehm raues Timbre erinnert von seinen Vorgängern eher an Andrew McDermott. Sein Publikumskontakt wirkte noch souveräner, bei den Ansagen versuchte er hinter den Sinn zu blicken. Wenn er sich dann die zweite Axt umhängte brachte er seine Fills sehr genau in den ultratighten Sound ein, und suchte auch das Zusammenspiel mit Groom, der wahlweise mit ihm oder Anderson poste.
Beim harten Kern des Publikums kam das richtig gut an und evozierte mehrmals Szenenapplaus. Verhehlen darf man jedoch nicht, dass dies eher wie ein Clubgig anmutete, den hinter der Fantraube wurde es ruhig, mittags hätte man einiges mehr an Menschen ihre Musik näher bringen können, mancher Refrain hat schon Stadionpotential, viele Parts sind sehr einnehmend. Die Fünf nahmen das, was sie kriegen konnten und freuten sich, dass die Anhängerschaft so lange aushielt. Doch die Chance weiter zu kommen, verbaute ihnen der Spielplan, der Perlen vor die Säue warf.
Setlist THRESHOLD:
Haunted
The Domino Effect
Snowblind
Silenced
Mission Profile
Lost In Translation
King Of Nothing
Small Dark Lines