SWEDENROCK - Sölvesborg - Freitag, 06.06.2025

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Freitag, 06.06.2025

KEE MARCELLO (Sweden Stage)
Eigentlich herrschte die vier Tage bestes Festivalwetter bis auf zwei Störfeuer abgesehen. Neben dem Mittwochabend war auch der Freitagmorgen relativ nass, nicht so heftig, aber von längerer Dauer. Zum Glück beeinträchtigte es das Festivalgeschehen nur die ersten eineinhalb Stunden, wo die erste Hälfte des früheren EUROPE-Gitarristen drunter fiel. Fast wäre es beim halben Gig geblieben, denn plötzlich fiel der komplette Sound aus.
Trotz Bemühungen vor dem Auftritt standen einige Verbindungen unter Wasser, dass sich alles abschaltete. Zügig wurden alle Steckdosen vorne auf der Bühne ausgetauscht und nach etwa zehn Minuten hektischen Treiben meldeten die ersten Boxen wieder Betrieb an. Beim zweiten Anlauf des sechsten Liedes waren jedoch zuerst nur die Monitore zu hören, doch alsbald stieg die PA unter Jubel der Zuschauer mit ein.

Leider nahm es ein wenig die Fahrt heraus, denn bis zu dem Zeitpunkt war es ein Klasseauftritt, bei dem so richtig tief in die Trickkiste gegriffen wurde. Denn der gute Kee beschränkte sich im Gegensatz zu Adrian Vandenberg am Tag zuvor auf die Zeit, in der er mit der legendären Band unterwegs war. Jene beschränkte sich auch in seinem Fall auf zwei Scheiben, wobei die zweite besser war als bei Vandenberg, der diese komplett aussparte.
Bei der Setlist wurde ein geheimer Traum von mir wahr, dann es hieß tatsächlich, dass auf „The Final Countdown“ verzichtet wurde. So populär die Nummer auch ist, so abgenudelt ist sie auch. Zu viele kommen zu EUROPE-Konzerten nur wegen dem Charterfolg des Songs seinerzeit und wissen die rockige Klasse des Materials nicht genug zu schätzen.

Schon der Auftakt mit dem Japan-Bonustrack von „Prisoners In Paradise“ machte das Ansinnen des Saitenhexers deutlich. Sicherlich gibt auch die kurze Zeit ausreichend Stücke her, neben den zwei aufgrund der Unterbrechung gestrichenen hätte ich noch gerne einige andere gehört. So war natürlich von Beginn an trotz der widrigen Umstände die Stimmung gut, viele freuten sich selten gehörtes zu Ohren zu bekommen. Gerade zum Auftakt setzte das Ensemble auf rockiges Material, das gut angenommen wurde.

Selbstredend war es auch die Art und Weise wie die Herren die grandiosen Kompositionen zu Leben erweckten. Schon bei seinen letzten Solosachen war die Mannschaft mit derartigen Klängen sozialisiert worden und da standen auch keine Anfänger auf den Brettern. Jakob Samuel kennt sich seit seiner Zeit bei THE POODLES bestens im Hair Metal aus und gab den überzeugenden Frontmann. Bei einem Track durfte jedoch Keyboarder Michele Luppi ran, der bei WHITESNAKE ebenfalls schon die Luft größerer Bühnen schnuppern durfte.

Darby Todd durfte ich auch schon auf dem Festival erleben, wobei er damals mit Devin Townsend in einem anderen Metier unterwegs war. Stilistisch ist der Brite in allen Bereichen unterwegs, fällt aber vor allem durch seine Power auf, mit welcher er die Titel mächtig antrieb. Auch in den Soli seines Bandleaders fand er immer die richtigen Betonungen. Die lieferte auch sein Rhythmuspartner Ken Sandin, der mehr Tiefe einbrachte. Die schwedische Allzweckwaffe war einst Gründungsmitglied von ALIEN, die zwei Tage zuvor aufspielten.

Und KEE MARCELLO selbst sah wie seine früheren Bandkollegen für sein Alter noch richtig gut aus. Nicht nur optisch, sein Spiel sprühte nur so von Frisch, und sein leicht bluesiger Soloklang ist auch heute noch unverkennbar. Schade, dass seine Signaturnummer „Let The Good Times Rock“ nicht auf dem Programm stand. Bei der guten Resonanz war ihm das Lächeln nicht aus dem Gesicht zu bekommen, der Mann genoss die Stunde sichtlich. Bei dem Reigen an Hits aus der zweiten Reihe hätte ich gerne noch länger zugehört.

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Setlist KEE MARCELLO:
Break Free
More Than Meets The Eye
Bad Blood
Ready Or Not
Sign Of The Times
Girl From Lebanon
Just The Beginning
Seventh Sign
Prisoners In Paradise
Superstitious

HARDLINE (Sweden Stage)
Mit derlei Klängen ging es auf der drittgrößten Bühne weiter, wobei der Tag sehr viel für Fans von klassischem Hard Rock zu bieten hatte. Da ist die selten live zu erlebende internationale Combo immer ein Garant für eine ordentliche Vollbedienung in dem Genre. Einst als Ableger von BAD ENGLISH gegründet führt heute Sänger Johnny Gioeli die Geschicke weiter, die stark von ihrem italienischen Label Frontiers geprägt sind. Neben seinen Verpflichtungen bei AXEL RUDI PELL findet der Amerikaner immer wieder Zeit für neues Material, zuletzt 2021 mit „Heart, Mind And Soul“.

Von dem stammte gleich der Opener „Fuel To The Fire“, was allerdings auch der einzige Auszug aus der Scheibe blieb. Es wurde ordentlich Öl ins Feuer gegossen, denn sofort brannte die Bühne bei der treibenden Nummer. Mittendrin natürlich der Frontmann, der wie gewohnt von einer Seite zu der anderen sprintete, sich unterwegs immer weit vorne über die Rampe lehnte und dort den Kontakt zu den Fans suchte.
Seine Power, sein Enthusiasmus waren nicht von dieser Welt, man merkt ihm an, wie viel Freude ihm Livekonzerte bringen. Dies erklärte er immer wieder gerne und bedankte sich mehrmals bei den Fans, die ihm so lange die Treue halten. Immer wieder suchte er seine Kollegen für irgendwelche Späße auf, den Schalk hat er ohnehin stets im Nacken. Damit sorgt er nicht nur für blendende Laune, sondern stachelt die anderen Bandmitglieder zusätzlich an.

Stimmlich war er ebenso in Topform, mit welcher Kraft er die Töne unendlich lange zog, war immer wieder erstaunlich, speziell, weil er zu keiner Sekunde stillstand. Mit so einem Frontmann laufen natürlich auch die restlichen Musiker zu Höchstleistungen auf. Luca Princiotta feuerte die Riffs locker aus der Hüfte und legte unglaublich viel Gefühl in seine Soli. Oft stand er mit geschlossenen Augen da und schien seine Gitarre zu umklammern.
Auf der anderen Seite war Anna Portalupi das Lächeln nicht aus dem Gesicht zu bekommen. Die gute Stimmung innerhalb der Formation war schon beim Linecheck zu vernehmen, wo sich schon die ersten Anhänger in Position brachten. Lässig umher schlurfend bediente sie ihr wuchtiges Langholz mit einer Leichtigkeit, wobei sie ordentlich groovte. Hinter ihm vertrat der umtriebige Fabio Alessandrini gekonnt Marco Di Salvia, der die knalligen Breaks bei BONFIRE verinnerlicht hat.

Ebenso in allen erdenklichen Bands unterwegs ist Alessandro Del Vecchio, bis vor kurzem Hausproduzent bei Frontiers. Es sollte nicht sei einziger Auftritt an dem Tag bleiben, so vielbeschäftigt ist der Tastenhexer aus dem Stiefelland. Vor allem er war der Anziehungspunkt von Gioeli, der ihn öfter auf dessen Riser besuchte. So heißblütig der Fünfer agierte, konnte er allerdings nicht an die Sternstunde vor acht Jahren in der Norje Bucht heran reichen.
Das lag daran, dass etwas zu viel Zeit auf Späße verschwendet wurde, oder auf Auftritte von Familienmitgliedern. So nett das alles war, nahm es doch das Tempo aus dem Gig. Und im Gegensatz zu 2017 standen weit weniger Titel auf dem Programm, sowohl vom legendären Debüt „Double Eclipse“ als von den jüngsten Platten. Hier wäre mehr drin gewesen, zumal alles abgefeiert wurde und es den Fans anscheinend offensichtlich nach mehr dürstete.

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Setlist HARDLINE:
Fuel To The Fire
Everything
Takin´ Me Down
Dr. Love
Who Wants To Live Forever/In This Moment/Take Me Home
In The Hands Of Time
Fever Dreams
Hot Cherrie
Rhythm In My Red Car

APOCALYPTICA (Festival Stage)
Das Kontrastprogramm ließ erstmal nicht lange auf sich warten, auf der Hauptbühne wurden ganz andere Saiten aufgezogen. Nicht mal die Instrumentierung war wie im Rockbereich gewohnt, auch wenn im Gegensatz zum letzten Auftritt mit Mikko Kaakkurniemi ein Schlagzeuger mit dabei war. Aber es ist ganz große Kunst wie die Finnen seit dreißig Jahren Metal arrangieren und auch komponieren, nur mit Hilfe ihrer Streichinstrumente.
Wobei man sich bei den Kompositionen im Vorfeld fragte, auf was zurückgegriffen wird, gerade in dieser Besetzung. Hier wurde der Weg des jüngsten Releases „Plays Metallica By Four Cellos Vol. 2“ fortgesetzt und ausschließlich auf Material der Legende gesetzt. Ich bin da ein wenig gespalten, habe schon beides gesehen, mit eigenen Songs ist das sicher künstlerisch interessanter, so war aber der Spaßfaktor höher.

Wobei man sagen muss, dass ich bei derartigen Auftritten auch schon ein enthusiastischeres Publikum erlebt habe. Es gab kaum Passagen, die mitgesungen wurden, und wenn nur wenn die Band vehement dazu aufforderte. Vielleicht hat man die Sachen dann doch zu oft gehört und mitgegrölt auf jeder Metaldisco, so dass es das Publikum vorzog den Herren auf die Finger zu schauen.
Das war immer noch eine Augenweide für sich, was die Drei mit ihren Cellos anstellten, welche Klänge da herausgeholt wurden. Die schnellen Wechsel zwischen Streichen und Anschlägen mit dem Bogen waren ganz große Kunst. Im Verbund mit dem Schlagzeug erzeugten APOCALYPTICA noch mehr Druck, gerade weil das Zusammenspiel so präzise auf den Punkt kam.

Dabei war schon die Verteilung der Partituren interessant, weil wie im Rockgewand selbst jeder seine Rolle hat. Der sich etwas im Hintergrund haltende Paavo Lötjönen übernahm die sphärischen Parts des Basses, während sich Pertuu Kivilaasko und Eicca Toppinen die Lead – und Rhythmusklänge teilten. Traumhaft wie sie dabei harmonierten, auch wenn nicht die volle Konzentration auf dem Instrument war, sondern auch auf der Performance. Wie sie ihre schweren Arbeitsgeräte überall auf der Bühne herum schleppten war schon atemberaubend, ohne dass sie einen Einsatz verpasst oder an Präzision verloren hätten.

Für manche mag der Witz auserzählt sein, aber die Art der Darbietung nötigt einem immer noch Respekt ab. Da wurde nicht vorm Haarrotor zurückgeschreckt, während der Bogen über die Saiten wanderte. Besonders Kivilaasko nutzte den für den Headliner aufgebauten Steg und begab sich fast inmitten des Publikums um diesem nahe zu sein. Gegen Ende tauchte dann bei dem größten Rockhit ihrer Inspirationsquelle Adam Grahn von ROYAL REPUBLIC auf, der es sich nicht nehmen ließ auch noch etwas Gesang beizutragen. Optisch stach er in Touri-Optik komplett aus dem schwarz heraus, aber Gegensätze standen der Truppe schon immer gut.

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Setlist APOCALYPTICA:
Ride The Lightning
Battery
Creeping Death
For Whom The Bell Tolls
St. Anger
The Four Horsemen
Blackened
Master Of Puppets
Enter Sandman
Nothing Else Matters
Seek & Destroy
One

JORN (Sweden Stage)
Vom östlichen Nachbarland ging es direkt zum westlichen und zu den Klängen für welche diese Bühne an dem Tag vornehmlich stand, nämlich eine der Kernkompetenzen des SwedenRock. Neben dem zuvor über die Bretter turnenden Johnny Gioeli gab sich ein weiterer der besten Vokalisten des Genres die seltene Ehre. Wieso es den Mann nicht öfter auf die Bühne treibt, wird ewig ein Rätsel bleiben. Zeit hätte er derweil ausreichend, seit er nicht mehr alljährlich ein neues Output auf den Markt wirft.

Trotz seines von Theatralik geprägten Auftretens merkt man ihm an, dass die große Bühnenerfahrung etwas fehlt. Wobei sein gebückter, leicht unsicherer Gang ebenso als charakteristisch ausgelegt werden kann. Die große Stärke des Jon Voigt-Lookalikes liegt in seinen stimmlichen Fähigkeiten, mit welch Inbrunst die Lieder intoniert wurden, zeigte umso mehr wie er vermisst wird. Dazu weiß er wie vielleicht nur der große Ronnie James jeden einzelnen Ton so wunderbar auszuschmücken, die Phrasierungen bis zur Perfektion zu treiben.

Bei so einer Stimmgewalt musste sich die Backingband gehörig strecken, um nicht an die Wand gesungen zu werden. Seine Jungs versuchten gar nicht erst ihm technisch das Wasser zu reichen, denn in der Disziplin ist der Mann brillant. Vielmehr setzten sie die wuchtige Power tonnenschwerer Riffs, denen das Etikett Heavy Rock wahrlich gebührt. Wobei gar nicht mal so tief gestimmt, sondern einfach richtig fett in die Saiten gehauen wurde. Nie verloren sie den rockigen Drive unter all der Heaviness, trieben die Songs wunderbar nach vorne.

Tore Morén und der jüngst ums Haupthaar gebrachte Adrian SB ließen ihre Les Paul das tun, was diese Gitarre am liebsten tut, so richtig schön dem Publikum eins überbraten. Breitbeinig hauten sie Riff auf Riff heraus und zeigten sich auch solistisch brillant. Gerade Moren rockte auf der rechten Seite viel mit Lodd Bolt, der die dicken Saiten so energisch drückte wie seine Locken zu schütteln. Auf der anderen Seite suchte der gute Adrian eher Kontakt zu Alessandro DelVecchio, der sein Yamaha Montage M6 einfach auf dem Riser stehen ließ für die Doppelschicht.

Zu Beginn setzte JORN auf ein Medley mit Fokus auf dem noch aktuellen „Over The Horizon Radar“, bei dem die Songs unterschiedlich lang eingepflegt wurden. Da machte man keine Gefangenen, den Schnellwaschgang untermauerte Francesco Jovino zusätzlich mit seinen kraftstrotzenden Schlägen. In der Folge wurden immer wieder Covernummern eingebaut, wobei am Ende „Stormbringer“ runterfiel. Dies hätte er gegenüber der WHITESNAKE-Verbeugung vorziehen können, die schon am Vortag durch die Norje Bucht schallte.

Ungewöhnlich war, dass neben den standardisierten Klassikern auch ein Titel von GHOST zum Besten gegeben wurde, was zeigt, wie groß diese Combo mittlerweile ist. Dazwischen wussten seine eigenen Kompositionen ebenfalls zu gefallen, wobei die leider einzige von HOLTER/LANDE-Projekt den Höhepunkt der Show darstellte. Nicht nur der aus vielen Kehlen mitgesungene raumgreifende Chorus trieb die Stimmung nach oben. Die keltischen Einflüsse beim Solo erzeugten Gänsehaut, ließen an GARY MOORE denken, bevor Morén so richtig zur Abfuhr ansetzte.

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Setlist JORN:
Over The Horizon Radar/Black Phoenix/Traveller/Dead London/Shadow People
Life On Death Road
Ride Like The Wind
Stormcrow
Walking On Water
Blacksong
Bad Boys
Square Hammer
Lonely Are The Brave
The Mob Rules

DAD (Festival Stage)
Hard Rock im entfernteren Sinne zocken auch die Dänen, wobei sie ihr Gebräu lieber als Cow Punk vermarkten. Nicht von der Hand zu weisen ist die riffrockige Schlagseite ihres dritten Albums „No Fuel Left For The Pilgrims“, welches ihnen einst den Durchbruch bescherte und den Konzertopener „Jihad“ beinhaltet. Wobei es bei der Band, speziell bei großen Festivalauftritten im Vorfeld weniger um die Frage geht, was für ein Set sich der Vierer einfallen lässt, sondern was er sich sonst einfallen lässt. Die verrückten Bässe von Stig Pedersen ist man ja über die Jahre gewohnt, die mehr an Fluggeräte erinnern, denn an Musikinstrumente.

Bei den letzten Auftritten beim SwedenRock brannte einmal das Drumkit von Laust Sonne, beim nächsten Mal stand es inmitten eines Karussells. Diesmal hat man den entsprechend seines Namens dauergrinsenden Schlagwerker in einer Rampe geparkt, wo er mit Penholdergriff seinen irren Swing zelebrierte. Der weiße Gitterrost war wie der Büffelschädel, seit jeher Wappentier der Band geschnitten und erinnerte herrlich an die Bühnenaufbauten der Achtzigerhelden.
Natürlich nutzte die Binzer-Brüder und Pedersen die Plattform ausgiebig, um darauf herumzuposen, der Viersaiter stieg dann auch mal auf die Bassdrum. Nach ein paar Liedern wurde der Drumriser nach oben gefahren und der Büffelkopf setzte sich in Bewegung. Vorne drehend gelagert zog er sich mit der Höhe bei und richtet sich komplett auf. Mit Sonne hoch oben sitzend sorgte das riesige Teil für einen enormen Showeffekt, die verrückten Typen haben sich mal wieder selbst übertroffen.

Da geriet die Musik fast zum Nebeneffekt, zum Glück verfügen D.A.D. über genug Spielfreude, damit das Publikum nicht vom Wesentlichen abgelenkt wird. Jesper Binzer stand immer breitbeinig, den Kopf fast wie Lemmy im Nacken und röhrte in sein Mikro. Zwischen den Gesangsbeiträgen war er ebenso unterwegs wie seine Mitstreiter. Sein Bruder Jacob, wie immer mit Zylinder nutzte die ganze Größe der Hauptbühne aus und marschierte lässig neben den Flanken bei vielen Soli auch den Steg ins Publikum entlang. Der extraordinäre Bassist machte seine Meter in einem noch flotteren Tempo, um keine irre Verrenkung verlegen.

Jenes angesprochene 1989er Werk hatte die meisten Einsätze im Laufe des Sets mit Titeln wie „Girl Nation“, „Point Of View“ und der finalen Feierstunde „Sleeping My Day Away“. Dagegen vermisste man Stücke wie „I Wanna Cut My Hair“ oder etwas von „Helpyourselfish“. Aus der Frühphase gab es „Riding With Sue“, das aktuelle „Speed Of Darkness“ wurde mit dem Titeltrack oder „The Ghost“ bedacht, bis „Bad Craziness“ den regulären Gig beendete. Zur ersten Zugabe kamen denn die Gebrüder mit ihren Klampfen ganz nach vorne, war die Stimmung bis dahin schon sehr gut schäumte sie komplett über. „Laugh ´n´ a ½“ wurde von Tausenden Wort für Wort mitgesungen, einer der emotionalen Höhepunkte des Festivals.

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RUNNING WILD (Rock Stage)
Die Abendheadliner der Rockstage waren bei der Auflage des SwedenRock fest in deutscher Hand. Vor acht Jahren war die Reihenfolge noch umgekehrt und das Piratenschiff stach nach den deutschen Vorzeige-Hardrockern in die nächtliche See. Heuer hatten sie eher mit der tief stehenden Sonne zu kämpfen, während hinter ihnen sich eine ganze Wand von Boxen auftürmte, die alle den Totenkopf zierten. Das übrigens mit einem Kopftuch auf, die Hüte hat Rock´n´Rolf endgültig eingemottet, die Spandex noch nicht. Natürlich mag einem die Maskerade merkwürdig vorkommen, man darf jedoch nicht verhehlen, dass es zum Markenzeichen wurde und zudem viele Nachahmer fand.

Da genau solche Klänge in Sölvesborg seit jeher hoch im Kurs standen, wurden die Vier schon beim Einlauf zum Intro frenetisch begrüßt. Schon brandete der typische Groove über die Planken und Fäuste und Haare flogen wild umher. Peter Jordan mag man die geringe Bühnenerfahrung ob der seltenen Auftritte seit der Reunion anmerken, erlegte sich aber voll ins Zeug. Musikalisch harmonierte er sehr gut mit seinem Kapitän, was einige Twin-Leads bestätigten. Ihre Stärken lagen noch mehr in der Riffarbeit, die einfach unablässig in den Nacken schoss oder in der Verbindung von Solo – Rhythmusgitarre, was sie bei ihren Landsleuten gelernt haben.

Mit Ole Hempelmann hat man schon vor Jahren einen soliden Tieftöner angeheuert, der mit Bart optisch dem rauen Thema noch näher kam. So waren die Gesellen beim wilden Ritt auf dem Sturm unterwegs, der auf der Leinwand in entsprechender Dimension visualisiert wurde. Angetrieben wurden sie von Michael Wolpers, der auch die alten Diskussionen damit erledigte. So sehr, dass er etwas überzog, wenn er die DoubleBass durchtrat, denn die sechs Saiten drängte er damit ziemlich in den Hintergrund.
Was den Anhängern indes eher egal war, der Schädel ging rum in voller Fahrt, Gefangene wurden keine gemacht. Saßen die Chöre auf der Bühne schon gut, wurden sie davor aus vielen Kehlen unterstützt. Da wurde jeder Song bejubelt und bei den Anmoderationen fragte der Gitarrist und Sänger immer nach dem Titel, der daraufhin mehrmals skandiert wurde, bevor er die Herren ihn runterrissen. Die Freude, dass die gute alte Fregatte wieder den südschwedischen Hafen ansteuerte war unüberhörbar.

Es scheint ihm immer noch Spaß zu machen dem guten Rolf, der gut aufgelegt war und hinterm Mikro vorkam, wenn der Gesang schwieg, um die Nähe zu den Fans zu suchen. Nur bei der Songauswahl hätte er nachbessern können, warum bei den neuen Stücken die zwei beide vom eher mauen „Shadowmaker“ stammten weiß nur der Anführer alleine. Wobei diese sich aber gut einfügten und live deutlich mehr abgehen als auf Konserve. Ansonsten wurde natürlich die Hochphase mit „Pile Of Skulls“ und dem Meisterwerk „Death Or Glory“ bedient und auch wie zum Abschluss des regulären Sets die Frühphase.

Wobei das Ende ebenso früh kam, nach 65 Minuten war schon Schicht auch wenn sie hätten zehn mehr bringen können. Schade, das SwedenRock war mal dafür bekannt, dass Bands 75 oder 90 Minuten hatten, heute ist es eine Viertelstunde weniger und die reizten manche nicht voll aus. Vier Songs weniger als beim letzten Mal sind doch deutlich, auch wenn es zum Finale den umjubelten Longtrack gab. Und ob dann noch ein Drumsolo sein muss, sei auch mal dahingestellt. RUNNING WILD haben immer noch Power, aber so viel Ballast an Bord gelassen, bei der Kaperfahrt wäre mehr drin gewesen, und bei „Bad To The Bone“ hätte ich mir die passende Ansage gewünscht.

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Setlist RUNNING WILD:
Fistful Of Dynamite
Piece Of The Action
Bad To The Bone
Riding The Storm
Locomotive
- Drum Solo -
Little Big Horn
Branded And Exiled
Lead Or Gold
Under Jolly Roger
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Treasure Island

SCORPIONS (Festival Stage)
Weil der Tag so schön hardrockig war gab es dann den passenden Opener obendrauf, sicher eine der größten Bands in dem Genre, die viel zu lange auf sich warten ließen. So war der Jubel groß, als die Bühne endlich erhellt wurde, nach zwei Tagen Dunkelkammer-Headliner war das wortwörtlich zu nehmen. Zum Intro des einstigen Standard-Eröffners war es noch dunkel, während dieses vom Band lief, doch mit Einsetzen der verzerrten Gitarren brannten in dem Song mehr Licher las bei den beiden Hauptacts die Tage zuvor.

Wieder auf den Song zurück zu greifen, zeigte den Einfluss, den die Jubiläumstour von „Love At First Sting“ hinterlassen hat, sogar seltene Perlen von der Scheibe gab es zu hören. Da das dicke Ende bekanntlich am Schluss kommt, fehlte in der Zugabe etwas ganz Essentielles, wo war die Mutter aller Powerballaden? Sorry, das ist als würden LYNYRD SKYNYRD „Freebird“ nicht bringen.
Ja, ich weiß, dass ich mich mittags noch gefreut habe, dass im EUROPE-Set von KEE MARCELLO kein „The Final Countdown“ auftauchte. Aber der Song ist ja auch umstritten, während „Still Loving You“ völlig unumstritten ist, zumal sie ihre höchst umstrittene Ballade dabei hatten. Unverständlich, da hätte man sich besser das Aufblasen des riesigen Skorpions geschenkt, der zur Zugabe hochgezogen wurde.

Natürlich muss man attestieren, dass die Truppe wahrlich genug Material hätte um hier jeden Abend knapp einhundert Minuten mit Genuss zu unterhalten, ohne sich zu wiederholen. So verkam der Griff in die Trickkiste der Siebziger zum Medley, welches aber mit viel Power und Spielfreude dargeboten wurde. Nicht jeder Song war zu erwarten, die ein oder andere Überraschung war dabei, jedoch beschränkte man sich mit Ausnahme eines Ausflugs auf „Rock Believer“ auf die Hochphase von 1979 bis 1990.

Bei so einer Hitdichte war natürlich das Publikum voll mit dabei und sang lauthals mit. Man merkte schon, dass dies die Band nach dem Geschmack der meisten Zuschauer war unter den Headlinern. Im Gegensatz zu Deutschland waren die Fans deutlich enthusiastischer und mehr Bewegung im Auditorium. Das spürte auch die Band, die den Beifall auch nach sechzig Dienstjahren nicht als selbstverständlich nimmt. Hier gab jeder der Fünf im Rahmen seiner Möglichkeiten alles, wobei bei einigen der Rahmen etwas enger war.

Die Tour ist ja bis 2027 angesetzt, was danach kommt wird man sehen müssen. So leid es einem tut, aber der Gesundheitszustand von Klaus Meine könnte dann zum Ende der Straße führen. Mit den Augen hat er ja schon länger Probleme, mittlerweile scheint er kaum noch was zu sehen auf der Bühne. Nicht nur wegen der erhöhten Vorsicht waren sie Bewegungen sehr schwerfällig, den Weg die Rampe hinunter beschritt er nur selten komplett.
Stimmlich ist er noch auf der Höhe, trifft selbst die hohen Töne, auch wenn er nicht mehr das Volumen frühere Tage bringen kann. Es war jedoch zu sehen, wie er um die Töne kämpfen muss, und bei den Ansagen machte sich eine gewisse Brüchigkeit spürbar. Er wirkte fast unsicher, was wohl auch daher rührt, dass er sich selbst seiner Schwächen bewusst ist. Lieben tut er das was er tut weiterhin, dies war ihm bei allen Problemen anzusehen.

Das deutlich zu machen hatten seine Mitstreiter weniger Mühe, gerade Rudolf Schenker ist in der Hinsicht ein Phänomen. Nur ein viertel Jahr jünger als Klaus hatte er bei Gen-Lotto mehr Glück uns sauste die Rampe rauf und runter als wäre es ein Wettlauf. Klar war er voll mit Adrenalin, wenn Dir nach so langer Zeit immer noch so riesige Mengen zujubeln, das puscht enorm. Diese Frische hörte man auch seinen Riffs an, die er mit Begeisterung und Energie in die Saiten seiner Flying V haute, gerne im Windmühlenstil.

Sein Kollege am Expander-Modell machte das Spiel eher breit, um eine Fußball-Analogie zu bemühen, und war oft außen vor den Boxen zu finden. Ein paar Mal wagte er den Vorstoß zu seinem Axtpartner, konzentrierte er sich ansonsten mehr auf sein Solospiel. Jenes besitzt immer noch diese Schärfe, die er auch im Solo beweisen konnte. Auch Pawel Maciwoda hatte seine Spots im Rampenlicht und wusste seinerseits die Bühne zu füllen. Und zum genialen Instrumental tauchte alle ganz vorne mitten im Publikum auf.

Angetrieben von Mikkey Dee, der ebenfalls zu Soloehren kam und dabei seine unbändige Power unter Beweis stellte. Er war einfach der Motor, dessen Wallemähne wie wild hinter dem Kit umher flog. Wobei die SCORPIONS mit der Riesenleinwand und der Lightshow nicht mit optischen Reizen geizten. Am Ende nahm mit den ganz großen Hits die Party so richtig Fahrt auf und beim ultimativen Showstopper war wirklich jeder voll dabei. Immer noch eine Megaband, die vollkommen zurecht bis heute überdauert.

Setlist SCORPIONS:
Coming Home
Gas In The Tank
Make It Real
The Zoo
Coast To Coast
Top Of The Bill/Steamrock Fever, Speedy´s Coming/Catch Your Train
Bad Boys Running Wild
Delicate Dance
Send Me An Angel
Wind Of Change
Loving You Sunday Morning
Leaving You
New Vision
Tease Me, Please Me
Big City Nights
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Blackout
Rock You Like A Hurricane

MESHUGGAH (Rock Stage)
Zum Abschluss des Tages kam dann nochmal der komplette Stilbruch, auch was die Show angeht. Waren die Bretter bei den Deutschen noch hell erleuchtet, so verkehrte es sich ins genaue Gegenteil. Dabei war die Lightshow durchaus ausgefeilt, aber eben nur marginal wahrnehmbar. Wunderbar war das Lichtsetting jedes Mal, die vielen Laser zauberten eine coole Atmosphäre, nur wechselte es eben mit jedem Ton. Und da die Djent-Urväter nicht gerade wenig Töne in einem Takt unterbringen war selbst Stroboskop-Licht noch eine wahre Wohltat für die Augen.

So wie das Licht war das ganze Auftreten der Stilpioniere, die komplett in ihrer eigenen Welt aufgingen. Bewegung auf der Bühne war Fehlanzeige, nur Gitarrist Mårten Hagström und Bassist Dick Lövgren tauschten ab und an ihre Positionen auf der rechten Seite. Sonst standen die Herren da und bangten zu ihren abgedrehten Riffs, die Reihe klar eingehalten, die da vorne wie eine Wand stand, machtvoll und unüberwindbar. Jens Kidman stand meist auf einem kleinen Podest, sein typisches abgehacktes Kopfnicken ist nach wie vor sein Markenzeichen, was alleine die Stimmung unterstrich.

Musikalisch konnte man da kaum folgen auf der einen Seite dieser alles plattwalzende Groove, auf der anderen die technische Finesse aus gefühlt einhundert Saiten. Was Hagström und Thordendal aus ihren Gitarren rausholten war einfach nur irre und ließ den Atem stocken. So schnell wie das Licht wechselte sprangen ihre Hände auf dem Griffbrett umher und entlockten die unfassbarsten Töne. Das führte in Tiefen herab, die Lövgren noch weiter nach unten verlagerte, Schicht für Schicht die aufgetragen wurde zog das alles noch weiter in den Sog.

In der Tat entstand eine hypnotische Wirkung, der man sich nicht entziehen konnte, wenn man sich einmal darauf eingelassen hat. Zwischen entrücktem Pogo und Headbangattacken trieben die Menschen vor der Bühne durch die Nacht. Es war gerade die Schlagzeugarbeit von Tomas Haake, die das alles noch auf ein höheres Level hob. Wo sich Rhythmen und Riffs, Fills und Noise paarten, und er das unter permanentem Rühren in den Kesseln in kaum gehörte Atmosphäre zusammenfügte. In der Disziplin sind MESHUGGAH alleine, so viele Epigonen noch auftauchen mögen.

Jens Kidman röhrte und röchelte seine Lyrics von der Rampe, trotz der innewohnenden Wut wich er nie von seinem konzentrierten Schema ab, und ließ ab und an Melodiegespür durchblicken. Besonders natürlich bei den Beiträgen ihres Referenzwerkes „ObZen“ wie „Bleed“ oder „Combustion“. Der Rest stammte von neueren Alben wie „Swarm“ von „Koloss“ oder auch „God He Sees In Mirrors“ des aktuellen „Immutable“. Von den alten Scheiben wurde nur „Rational Gaze“ von „Nothing“ reingepackt. Am Ende war aber die Soundwand so dicht, dass die Unterschiede zwischen den Entstehungsphasen komplett verschwammen und MESHUGGAH in ihrer eigenen Welt präsentierten.

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