SWEDENROCK - Sölvesborg

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06 swedenrock soelvesborg 01Konzert vom 05.06. - 08.06.2024

Mit ALICE COOPER, JUDAS PRIEST,  JOURNEY, PARKWAY DRIVE, etc.

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SWEDENROCK

Im letzten Jahr feierte das schwedische Vorzeigefestival verspätet seine dreißigste Auflage. Da wurde alles aufgefahren, was die Rockszene hergibt, ein Stelldichein der Szeneführer. Das macht es in dem Jahr schwerer namhafte Headliner zu finden, geschweige denn einen drauf zu setzen. Dennoch gelang es den Machern wieder eine Palette an Topacts aufzufahren, die sich vom 05.-08.062024 im südschwedischen Sölvesborg die Klinke in die Hand gaben. Darüber hinaus mit einer stilistischen Bandbreite, die ihresgleichen sucht. Und das ist nur das Programm eines Open Airs, das so viel mehr zu bieten hat als nur großartige Musik. FFM-ROCK ließ es sich einmal mehr nicht nehmen, mit dabei zu sein und reiste beizeiten an.

Anreise:
Los ging es schon mehr als eine Woche vorher, als sich ein Teil der Mannschaft erst einmal für zwei Tage auf Fehmarn nieder ließ und locker entspannte, auch wenn Joggen am Strand ebenso wenig vermeidbar war wie das Stürzen in die Fluten. Weiter ging es an den Strand von Ronneby, wo eine kleine feine Hütte wartete. Hier schraubte sich die Aktivitätsschlagzahl und der Adrenalinpegel beim Kajaken, Elchsafari und PutPat so langsam in die Höhe. Zudem wurde die Truppe komplett und bezog am Tag davor in Olofström in einer wahren Nobelhütte Quartier für das Happening. Eine Schublade Haartrockner und goldene Wasserhähne hätte man lediglich in den Achtzigern als Rock´n´Roll bezeichnet. Die Lage an einem der vielen Seen in Schweden ließ einen fast vergessen, dass von woanders der laute Ruf unser aller Lieblingsmusik herüber schallte. Zwar musste man täglich den Weg in Kauf nehmen, aber die Küche machte das nächtliche Mahl zum Kinderspiel, denn die vier Tage kosteten viel Kraft.


Mittwoch, 05.06.2024

TALISMAN (Rock Stage)
Wie stark das Billing dann am Ende war zeigt sich daran dass bereits ein illustrer Name eine der großen Bühnen eröffnete. Seit dem Tod von Bassist und Mastermind Marcel Jacob quasi nicht mehr existent, lebt die schwedische Hair Metallegende alle paar Jahre beim SwedenRock wieder auf. Natürlich war der Platz sofort gut gefüllt, als ein eher dünner Sound durch die Bucht wehte. So richtig kam da kein Druck dahinter, auch wenn ein Johan Niemann sicher ein würdiger Ersatz für Jacob ist. Auch die Drums von Jamie Borger wurden im wahrsten Sinne des Wortes vom Winde verweht.

Doch völlig egal, die Riffs von Fredrik Åkesson schafften es dennoch in die Gehörgänge des Publikums zu schneiden und rockten von Beginn an mit Stücken wie „Break Your Chains“ und „Dangerous“. Zudem wusste der hauptamtliche OPETH-Mann mit seinen fingerfertigen Soli zu überzeugen. Ein bisschen funkigen Groove hatte er mit „If U Only Could Be My Friend“ ebenfalls anzubieten wie die schwereren Töne von „Tears In The Sky“.
Das war einer der wenigen Beiträge von späteren Alben, das Hauptaugenmerk lag klar auf den ersten beiden. Die kamen ihrerzeit zu spät, um in der abebbende Welle noch wirklich Akzente setzen zu können, begründeten jedoch den schwedischen Widerstand gegen die Umwälzungen in der Popkultur, der einem gallischen Dorf gleich kam. Kein Wunder, welchen Stellenwert die Truppe heute noch hat, die bei den paar Auftritten immer noch die Leute zieht.

Dabei ist das Stageacting nicht so ausufernd wie man es von den Vorbildern der Achtziger her kennt, Åkesson und Niemann agieren her gemäßigt wie man es von ihren Hauptbands her kennt. So lag es an Jeff Scott Soto den Laden zu schmeißen, aber ein Mann mit dessen Vita hat damit keine Probleme. Das Mikrofon immer fest umklammert rannte er jeden Winkel ab und zeigte sich ausgesprochen gut bei Stimme, strahlte dabei eine ungemeine Lockerheit aus. Ein Profi wie er verstand es die Menge im Griff zu haben, die ihm nicht nur beim großen Hit folgte.

Als endlich „I´ll Be Waiting“ kam gab es eh kein Halten mehr, der Sänger musste nur die „OhOh“-Passage anstimmen, schon konnte er seinen Job einstellen. Natürlich wurde mit den Melodien noch ein wenig gespielt, das Publikum auf die Folter gespannt, bevor es endlich den Refrain bis ganz nach hinten kollektiv mitsingen durfte. Da stand bei einigen schon das erste Mal Wasser in den Augen, immer ein großer Moment, wobei der Song noch höhere Weihen verdient hätte. Souveräner Auftritt, der anschließend mit „Standin´ On Fire“ sein rockiges Ende fand.

XION (Pistonhead Stage)
Rüber ins Zelt, wo bereits die Nachwuchshoffnung ihr Unwesen trieb und für einen der enormen stilistischen Sprünge sorgte, welche das Billing gewohnt bereit hielt. Thrash Metal der ganz alten Schule kredenzte der Fünfer, der schon optisch „No School Than Old School“ war. Enge Jeans, Bandshirts, Turnschuhe und bei Leadgitarrist Erik Zetterström noch eine weiße Basketballmütze verkehrt herum. Nur Frontmann Robin Björk fiel mit seinem weißen Hemd etwas aus der Reihe, doch schwarze Hosen und Lederjacke waren Credibility genug.

Ihren Stil legten sie recht melodisch an, Björk sang klar, womit man sich deutlich bei ANTHRAX anlehnt. Ähnlich pfeilschnell waren Leads und Soli, wobei sich Zetterström später noch einen kompletten Spot erlaubte. Dabei waren sie für ihr junges Alter sehr tight und fuhren ein hammermäßiges Brett auf, die sechs Saiten hackten wunderbar. Dazu vermochten sie mehr als nur straightes Uffta-Uffta, bauten immer wieder Wendungen ein oder nahmen das Tempo raus, nur um anschließend mit noch mehr Rasanz wieder anzugaloppieren.

Neben der musikalischen Reife überzeugte vor allem das Auftreten, denn die Jungs hatten mächtig Bock. Beim Einstieg in die Songs versammelten sie sich oft um das Kit von Algot Brask, bevor sie dann ausschwärmten und sich vorne aufreihten. Das wirkte sehr mächtig, wie sie geschlossen breitbeinig da standen und ihre Matten schüttelten, während sie ihr Material runterzockten. Das stammte in Form von „Evil Deeds“, „Buried With Love“ oder dem abschließenden „Men Who Play God“ aus dem kürzlich erschienenen Erstling „Between Shadows And Gods“.

Den guten Robin hielt es nicht einmal hinter den Frontmonitoren, er suchte den engstmöglichen Kontakt zum gut besetzten Zelt. Dabei waren es nicht nur die mitgereisten Fans, die richtig Alarm an der kleinsten Bühne machten, der Zuspruch war redlich verdient. Unterstützt wurde der Sänger von den Gangshouts seiner Kollegen, die ebenfalls das hohe Maß an Energie und Raffinesse wiederspiegelten. XION sollte man auf jeden Fall im Auge behalten, da könnte in Zukunft richtig was gehen, so authentisch bringen das erfahrenere Mucker auch nicht rüber.

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BIOHAZARD (Sweden Stage)
Übten sich die Jungspunde gerade noch gekonnt in Gangshouts, so war nun eine Kapelle an der Reihe, welche das Stilmittel perfektioniert hat. Sowas kann nur aus Brooklyn, NYC kommen, dem Mutterherd des Hardcore. Nach vielen eher mageren Jahren sind die Veteranen in Originalbesetzung wiedervereint, was sie mit einer Europatournee feiern.
In den Neunzigern stilprägend verlor sich die Band im Kampf zwischen Attitüde und Anspruch, in der Tat könnte man ihren Tagesablauf grob als „Get Up-Go To Gym-Make Noise-Go To Bed“ beschreiben. Billy Graziedei ist etwas kräftiger geworden als früher, dafür Evan Seinfeld drahtiger, sein komplett schwarz gefärbter Arm sticht kaum noch von der sonnengegerbten Haut ab.

Fit müssen die Herren auch sein, denn die Bühnenaction verlangte einiges ab. Bobby Hampel machte auf der rechten Flanke den Ein-Mann-Circle Pit, hüpfte dabei unentwegt. Die beiden Frontleute zogen bei ihren Sprüngen gleich ganz die Knie hoch und von überall runter, was ihnen auf der Bühne gerade vor die Füße fiel. Bassist Seinfeld stand im Laufe des Sets breitbeinig auf den Brettern und röhrte ins Mikro, der Rhythmusgitarrist bellte lieber aufrecht.
Wobei das nicht nur Straßenköterattitüde war, sondern auch vom Spiel sehr zu gefallen wusste, gerade die Soli vom Hampel hatten Klasse. Hinten gab Danny Schuler den Takt vor, der mal ins jazzige, mal in den Hip Hop hinein groovte und weit mehr zu bieten hatte als stumpfes Gedresche. Rumpeln ja, aber mit Niveau und Verve, wonach es beim aggressiven Traktieren der Instrumente nicht unbedingt aussah, auch das ist eine Kunst.

Wie bei vielen Reunions steht natürlich die glorreiche Vergangenheit im Blickpunkt, so gab es ausschließlich Nummern der ersten drei Scheiben auf die Ohren. Bereits „Shades Of Grey“ regelte zu Beginn alles, und auf der sandigen Düne wurde sich analog zur Bühne ebenso wunderbar im Takt auf und ab bewegt, was für die ersten Staublungen sorgte.
„Five Blocks To The Subway“, „Down For Life“ oder „Tales From The Hard Side“ erzählen vom harten Leben, in dem die Straße nie weit war. Bei den Ansagen wurde immer wieder die Kämpfernatur heraus gekehrt, dass unter der rauen Fassade aber auch viel Menschlichkeit steckt zeigten die „Peace“-Symbole zu „Black And White And Red All Over“.

So wie die Recken über die Bühne turnten war es ein Wunder, dass immer jemand beim Mikrofon war, als es galt mit dem Gesang einzusetzen. Front-Iro Billy und der auch mit Glatze Bandana tragende Evan brüllten sich gegenseitig an und ergänzten sich dabei gut. Oft war Hampel im Background mit dabei, was zu den berüchtigten Gangshouts führte, die auch vom Publikum gerne beantwortet wurden.
Beim BAD RELIGION-Cover „We´re Only Gonna Die“ war der Band die Interaktion nicht genug, weswegen sie einfach mal den Song abbrachen. Um zu zeigen wie ein richtiger Circle Pit geht stieg Graziedei hinunter in die Menge und rannte einfach mit, während er weiter spielte. Derart aufgewärmt durfte natürlich mit „Punishment“ die Hymne schlechthin kommen, bei der endgültig alle Kräfte entfesselt wurden.

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MICHAEL SCHENKER GROUP (Festival Stage)
Von der ganz rauen Bollo-Attitüde rüber zum Gegenteil, dem virtuosen und gepflegt melodischen Spiel des deutschen Ausnahmesaitenhexers. Sowas gibt es auch nur hier und geht teilweise noch krasser. Dabei hatte dieser mit seiner Gruppe keinen guten Start, der Sound war zwar druckvoll und laut, leider viel zu basslastig, weswegen zu Beginn einige Feinheiten verflogen. Ob seiner Klasse muss man trotzdem fragen, ob es eine gute Idee war mit einem Instrumental einzusteigen, weswegen MSG nur langsam auf Touren kamen. Das bekam auch Robin McAuley mit, der sich zu Beginn merklich zurück hielt, zumal das Ensemble auch in der Folge mit Hits geizte.

Eine Stunde Spielzeit für so ein Kaliber ist einfach zu wenig, gerade das Minimum für Acts beim SwedenRock. Michael Schenker machte daraus, was eben Schenker so macht und beschränkte sich rein auf seine Solokarriere. Das war überraschend wie interessant, weil in den letzten Jahren SCORPIONS – und UFO – Songs teilweise die Überhand hatten. An dem Nachmittag bestand das Set bis auf einen Titel seines aktuellen Drehers und von „Built And Destroy“ nur aus Beiträgen der ersten drei Soloalben. Da kamen denn auch Schätzchen zum Zuge, die selbst auf der langen Setlist der letzten Tour keinen Platz fanden.

Im Prinzip kann er spielen was er will, großartig ist es immer, eher möchte man das erneute Fehlen von MC AULEY SCHENKER GROUP – Stücken monieren, jetzt wo der Mann das Mikro wieder schwingt. Was er vorzüglich tat und wie zuletzt auf verschiedenen Alben mehrerer Projekte prima bei Stimme war. Als dann Mitte des Sets die Kracher kamen und sich das Klangbild besserte, war auch die Laune der Musiker blendend, wobei das Gitarrenass seit Jahren endlich mal auf der Bühne lacht und mit dem Publikum kommuniziert, teils mit Ansagen.
Viel Bewegung brachte er nicht auf die Bretter, dafür war sein Spiel wie immer ein Genuss für alle Sinne. Seine Finger haben nichts von ihrem Fluss verloren, mit dem sie über das Griffbrett glitten und mit der anderen Hand die Saiten mit dem unverkennbaren Ton anschlugen. Auch bei den Riffs hatte er diese Schärfe, die sofort in die Menge trafen. Zu seiner größeren Offenheit gehört auch, dass er nicht nur typisch seine Flying V in die Hüfte stemmte, sondern ordentlich poste und sein Arbeitsgerät über dem Kopf spielte.

Hinten gab ihm Bodo Schopf genau die perfekt getimten Breaks, welche alles noch explosiver machte. Genau das richtige bei den etwas verspielteren Liedern, damit sich der Meister richtig austoben konnte. Sein Rhythmuspartner Barent Curbois, der einzige ohne Bandvergangenheit war sehr aktiv, hielt sein Langholz nach vorne gestreckt und auch seine Augen immer gen Auditorium. Mit Steve Mann bearbeitete er die linke Bühnenseite, wobei der Brite im Gefüge alleine wegen seiner Doppelanstellung an den zweiten sechs Saiten und den Tasten viel Meter gehen musste. Am Ende ging es voll auf Angriff, der verrückte Axtmann rockte das Feld, so dass die „Schenker, Schenker“-Rufe lange nicht verhallten.

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Setlist MICHAEL SCHENKER GROUP:
Into The Arena
Cry Of The Nations
Looking For Love
Red Sky
Emergency
On And On
Armed And Ready
Rock You To The Ground
Let Sleeping Dogs Lie
Desert Song
Attack Of The Mad Axeman
Assault Attack

VICIOUS RUMORS (Pistonhead Stage)
Nun ging es zu einer Band, die stilistisch sicher ein wenig bei dem deutschen Gitarrengott abgeschaut hat, nicht umsonst wurde einer der ehemaligen Axtschwinger sein Nachfolger bei UFO. In den Nullerjahren, als der traditionelle Metal eine Renaissance feierte waren sie oft zu Gast in den Clubs und Festival, doch die Relevanz ließ in den letzten Jahren, auch aufgrund vieler Besetzungswechsel nach.
Nachdem Brian Allen zu gefühlt siebzehnten Mal bei den Mannen aus der Bay Area anheuerte schien es etwas besser zu werden, doch dann machte der Langzeitmitglied Larry Howe Platz auf dem Schemel. Somit ist nur noch Geoff Thorpe von der glorreichen Ära übrig, aus der so viele Kapellen wie JAG PANZER, ARMORED SAINT oder METAL CHURCH unter ihren Möglichkeiten blieben.

Wenn man denkt, dass hier das letzte Aufbäumen einer stark verjüngten Formation kommt, vergisst man die Frische der neuen Männer. Die zahlt sich aus, da musste sich Mastermind Thorpe mal umschauen, dass er nicht den Rang abgelaufen bekommt. Auch kein Wunder, haute man mal eben gerade die erste Hälfte vom Debüt heraus, da konnte im Prinzip nichts schief gehen. Old School geht es auch danach weiter, ein Stück vom vierten Album ist das Neueste was angeboten wurde. Angestaubt klang da gar nichts, vielmehr wurden die Klassiker mit einer sprühenden Energie gefüllt.

Die Gitarren voll auf Anschlag gedreht sägten sie sich durch alles, was sich ihnen in den Weg stellte. So muss Metal klingen, einfach Kante voll auf die Zwölf, dabei dennoch sauber und präzise. Schreien taten nicht nur die Stimme von Allen, sondern auch die Soli, von denen das Urgestein Gunnar DüGrey sehr viele überließ. Die Saiten bogen sich bis zur Zerreisprobe, da steckte auch viel Enthusiasmus dahinter. Ob rasant schnell oder wunderbar dick stampfend, eine Stunde lang krachte es im Gebälk, obendrein mit überzeugender Präzision.

Da hatte der gute Brian wenig Mühe mit seinem hohen Gekreische die Meute abzuholen, in der Haare und Fäuste um die Wette flogen. Als Frontmann wusste er ebenfalls zu überzeugen, setzte gerne den leicht irren Blick auf, um die Zuschauer einzeln anzuvisieren. Nicht nur er, sondern auch DüGrey und Viersaiter Robin Utbult waren ebenso oft vorne an der Rampe zu finden und suchten den direkten Kontakt mit den Fans, welche die begeisternde Show anfeuerten.
So locker das alles aussah, stieg auch die aktuelle Aushilfe Gunnar Coston mit ein, dass es den Eindruck hatte, er hätte nie etwas anderes getan. Es wäre nicht genug Power auf der Bühne gewesen, so haute er mächtig auf sein Kit ein, konnte sich dabei die eine oder andere Spielerei erlauben. Zu den ganz großen Hits am Ende brannte zu Recht die Hütte, die mitreißenden Refrains wurden laut mitgegrölt, eine der ganz großen Überraschungen des Festivals.

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Setlist VICIOUS RUMORS:
Ride Into The Sun
Medusa
Soldiers Of The Night
Murder
March Or Die
Digital Dictator
Minute To Kill
Abandoned
World And Machines
Down To The Temple
Hellraiser
Don´t Wait For Me

RIVAL SONS (Festival Stage)
Ein paar Jahren Pause folgten im letzten Jahr mit „Darkfighter“ und „Lightbringer“ zwei überragende Alben, mit denen die Herren aus Los Angeles wieder so tief in der Geschichte des Rock kramten. Kein Wunder, dass man sie gerne wieder in die Norje Bucht einlud, wo sie diesmal von Beginn an einen starken Sound hatten. Das gab dem Opener des ersten der beiden Kleinode gleich die nötige Tiefe, von welcher die Band so lebt, die all ihre Seele offenbart. Hier kamen auch die Tasten gut zur Geltung, bei denen der neue Tourkeyboarder Jesse Nason neben einen Nord-Synthesizer viel Vintage-Equipment benutzte und sich mit viel Gefühl unterschwellig einbrachte.

Doch schon bei der Auftaktnummer war klar, wer die Chefs im Ring sind, Scott Holiday wieder mit mehr Haaren und Hut ließ das knarzige Riff vom Stapel, bevor er sich zwischendurch der Klampfe zuwendete. Klar ist die Art Riffing sein Markenzeichen, wo viel Verzerrung und Fuzz drin waren, doch er kann so viel mehr, spielte ganz locker an den Stellschrauben der Dynamik. So gefühlvoll er mit eingeknickten Hüften sich und sein Instrument hin und her wog, so bearbeitete er selbiges auch.
Sanft gelingen ihm die Soli von der Hand oder auch die ruhigen Töne welche so abrupt zu seinen knackigen Attacken wechseln konnten. So exzentrisch sein Auftreten auch die Behandlung seiner Gitarren, so edel sein Feeling, so edel auch die Modelle. Rickenbacker hat man bei sechs Saiten selten und die Doppelhalsige wird immer seltener. Holiday hatte davon gleich zwei im Gepäck die beide zum Einsatz kamen.

Erstmals beim Titeltrack des letzten Einzelalbums „Feral Roots“, der zum ganz großen Epos mutierte. Jay Buchanan schnallte sich noch eine Klampfe an, um die Atmosphäre noch flirrender zu gestalten und sang derart beseelt, dass es die Hörer tief innen berührte. Beim Zwischenspiel vor dem Refrain schaute das Luftschiff im massiven Tiefflug vorbei, bevor jener die Weite des Platzes füllte, eine Melancholie und Sehnsucht verbreitete, die mitnahm. Nach dem Solo stimmte der Frontmann das Grundthema als Publikumschor an, der weiter sang als die RIVAL SONS zur Jam baten, eine grandiose Interaktion, mit der Demonstration sind sie ganz oben im Olymp angekommen.

Da braucht es schon die Rockgottposen, welche der Saitenartist andeutete, diese aber lässig interpretierte. Dafür zelebrierte sie der gute Jay mit allem, was er zu bieten hatte. Im schwarzen Anzug, mit Jim Morrison-Gedächtnisbart schien er barfuß über die Bühne zu schweben, hob in den ruhigen Parts beschwörend die Hände, kehrte damit seine spirituelle Seite heraus. Dann wand er sich, warf seinen Oberkörper der Menge entgegen und schrie ekstatisch, das Mikro oft über den Kopf gehoben, selbigen hingebungsvoll im Nacken.
So variabel ihre Songs sind, so vermochte er jeder Wendung noch mehr Leben einzuhauchen, stimmlich wie auch mit seiner ausdrucksstarken Gestik. Seinen zweiten ganz großen Moment hatte er beim abschließenden Gospel von besagtem Longplayer, den er ganz alleine mit seiner Akustischen bestritt und dabei die Norje Bucht vollkommen auszufüllen vermochte. So flehend nach Frieden auf Erden, so ehrlich und authentisch, da blieb kein Auge trocken. Ein Überfrontmann wie er nur alle Jubeljahre die Bretter betritt.

In all den Sprüngen finden die beiden leitenden Figuren mit Mike Miley jemanden, der alles mit noch wilderem Spiel zusammen zu halten weiß. Breaks, die eher Trommelwirbel, ja fast kleine Soli sind, die von einem Teil zum anderen überleiten und dabei eben jene Explosivität bereichern, welche die Formation auszeichnet. Allzu harte Töne sind ihnen fremd, und auch wenn sie den totalen Kontrollverlust meiden, wirken sie jederzeit unberechenbar. Was der Mann mit den immer aberwitzigeren Frisuren und dem Sichelbart abliefert ist schon alleine sehenswert. Da kann man froh sein, dass Pete Best den tief ruhenden Pol dagegen stellt und die ganze Zeit das ein und selbe Langholz umher schleppt.

Gerade die bereits angesprochene Platte fand sich oft in der Setlist wieder, ich hätte gerne mehr von den beiden aktuellen gehabt. „Lightbringer“ fehlte völlig, „Mosaic“ wäre in einer Liveversion sicherlich gigantisch gewesen, auch „Hollow Bones“ wurde nur einmal bedacht, dafür gab es bis auf „Torture“ alle alten Gassenhauer. Doch egal, was gespielt wurde, zwischen Konserve und Bühne herrscht bei den RIVAL SONS ein enormer Unterschied. Nicht was sie spielen ist wichtig, sondern wie, jeder einzelne Ton inbrünstig und beschwörend, zwischen Furor und hypnotischer Atmosphäre. Eine absolute Sensation, immer wieder, gerade weil sie in all dem die Kontrolle zu halten vermögen, um die Töne punktgenau zu setzen.

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Setlist RIVAL SONS:
Mirros
Nobody Wants To Die
Open My Eyes
Tied Up
Pressure And Time
Feral Roots
Too Bad
Do Your Worst
Darkside
Shooting Star
Electric Man
Keep On Swinging
Secret

CIRITH UNGOL (Pistonhead Stage)
Angesichts des für uns wenig interessanten Headliners zog man sich erneut ins Zelt zurück, wo die Epic Metallegende aufspielen sollte. Mir bisher ebenso fremd wollte ich dem Kult auf die Spuren gehen. Voll war es, die Kuttenträger separierten sich von den übrigen Fans wie selten an dem Wochenende. Aus dem Dunkel kamen irgendwann die ersten Klänge, wobei sich das Licht nicht viel heller aufbot, was sowieso nicht zum Thema gepasst hätte.
Gepasst hat auf jeden Fall auch nicht der Sound, denn der Bass war so überdeutlich im Mix zu hören, da wäre selbst Joey DeMayo neidisch geworden. Dies fiel wohl auch NIGHT DEMON-Mann Jarvis Leatherby auf, der auch hier seine Finger im Spiel hat, ein gerne gesehener Wiedergeburtshelfer. Zusammen mit seinem Kollegen Armand Anthony stand er mehrmals neben am Pult und diskutierte, ohne dass sie eine Lösung gefunden hätten.

Das trübte die Freude über Hits der Marke „Chaos Descends“, „Blood & Iron“, „Black Machine“, dem Opener „I´m Alive“ oder neuem Material wie „Sailor On The Seas Of Fate“. Wenn Anthony seine Riffs fett und doomig auftragen konnte oder mit seinen Soli den Rest übertönte, war das hörenswert und lud zum mitnicken ein. Sobald jedoch das Tempo erhöht wurde und sich die dicken Saiten breit machten wurde es ziemlich undurchsichtig. Schade, dann das Songmaterial konnte durchaus was. Und für den guten Jarvis tat es mir leid etwas weghören zu müssen, zu cool sein Flying V-Bass, ein zweiter Gitarrist wäre förderlich gewesen, an Kandidaten mangelte es nicht.

Das wäre noch okay gewesen, wenn die verbliebenen Urgesteine ihre Sache ordentlich gemacht hätten. Bereits auf Platte wirkt Robert Garven etwas limitiert und brachte auch hier nur selten Abwechslung in seinen Groove. Er hätte einiges akzentuieren können, vom Timing stimmte das, nur frische Ideen waren nicht sein Ding. An Frische mangelte es ganz offensichtlich auch Tim Baker, der irgendwie unbeholfen auf der Bühne rumtorkelte, seltsam mit seinen Händen ruderte und in Sachen Mimik steif blieb. Der „Joe Cocker des Epic Metal“ ruderte immer mit seinen Armen, seine Performance war mehr Shoegaze meets Flower Power denn Metal.

Auch bei den Animationen blieb er steif, zum Glück sah die eingeschworene Gemeinde darüber hinweg und feierte alles ab, was ihnen geschenkt wurde, der Rest verweilte nicht durchgehend beim Gig. Gesanglich wusste man ebenso wenig woran man ist, ist das nur Gekreische oder schon Black Metal, was allerdings auch dem Klanggewand geschuldet war, welches Baker völlig verhüllte. Sie konnten einem fast leid tun, die Ansätze waren ja da, aber zur Blüte reichte es nicht. Vielleicht fehlt altersbedingt schon die Kraft, man will sich vom Tourleben zurückziehen. Nicht alles was alt und erfolglos ist, ist eben gleich Kult, zumindest an dem Abend blieben CIRITH UNGOL vieles schuldig.

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MEGADETH (Rock Stage)
Manch alte Band schafft es nie, andere sind im Classic Rockestablishment angekommen. Die Big Four zählen auf jeden Fall dazu, wer hätte das vor 35 Jahren gedacht, als ich diese Musikrichtung entdeckte und von vielen als Krach tituliert wurde. In dem Alter in dem der Redakteur damals war sind die Jungs von XION heute, die den ganzen Tag auf dem Festival weilten und nun ihren Helden huldigten. Aus einer ganz anderen Warte wie meine Wenigkeit damals, aber eben mit den gleichen Gefühlen.
Wobei ich schon beim letzten Gastspiel verwundert war über die Marotten der Schweden, welche bei einigen Riffs mitsangen, in dem Jahr noch öfter die Silben des Bandnamens in die Tonfolgen einflochten, einfach cool und ein Zeichen von Ehrerbietung. Wer einen Hit von „Rust In Peace“ so früh bringen kann, macht alles richtig und weiß was er noch in der Hinterhand hat. Wobei sich das Programm kaum von dem vor zwei Jahren unterschied, die meisten Änderungen gab es bei den Stücken vom jeweils aktuellen Album, „Dystopia“ blieb hier außen vor.

Mit dem Alter hat man es sich auch recht gemütlich gemacht, eben das, was das Classic Rockestablishment so tut. Dave Mustaine kommt sehr gesetzt rüber, headbangen tut er nicht mehr oder kann es nicht mehr. Sollte letzteres der Fall sein, zeigt es, dass man dennoch weiter Thrash Metal spielen kann, denn auf dem Griffbrett herrschte immer noch Rasanz, obendrein hohe technische Finesse, was bereits der Opener mehr als unter Beweis stellte.
Beim Gesang musste man ein paar Abstriche machen, was nicht weiter ins Gewicht fiel, da der ohnehin immer etwas dünn war. Doch Riffs und Soli peitschten unaufhaltsam nach vorne und sparten nicht mit Groove und Wendungen. Fast versunken war Megadave in seinem Element wenn er seinen Expander traktieren konnte. Die Präzision ist immer noch meisterlich, da braucht es keine großen Gesten, die Band ließ die Musik sprechen.

So war auch der neue Mann an der zweiten Gitarre Teemu Mäntysaari nicht allzuviel unterwegs, sondern blieb eher auf seiner rechten Flanke. Auch wenn wohl nie Konstanz im Line-Up einkehren wird, so wurde auch er ohne Reibungsverluste ins Spiel eingebunden und zockte brillant. Klar als Nordlicht ist er zurückhaltender als sein südamerikanischer Vorgänger, doch wenn er bei einem Solo nach vorne auf die Rampe durfte war ihm anzusehen, wie sehr er dies genoss. James Lomenzo zog auf der anderen Seite seine Kreise, seine Hair Metal-Vergangenheit ist ihm nicht mehr anzusehen, ebenso mimte er den gereiften Rocker, der auf der großen Bühne herum stolzierte. Eine kleine Pose hier, ein nach oben gereckter Bass da, aber vor allem tighte Salven, welche das solide Fundament bildeten.

So war es an Dirk Verbeuren da richtig Alarm zu machen, gemäßigt kann man in dem Genre eben kein Schlagzeug spielen. Auf seinem oben zwischen den Boxentürmen thronenden riesigen Kit drosch er wie wild ein, reihte Break an Break, die alle bejubelt wurden. Überhaupt war die Stimmung im Auditorium bestens, in Schweden besitzen sie einen Riesenstatus. Ein weiterer Song vom Referenzwerk wurde lauthals bejubelt und die Halbballade lauthals mitgesungen.
In den ersten Reihen flogen die Matten, dahinter kreiselten die Pits. Und wenn sich der Mastermind mal an der Rampe blicken ließ gab es gar kein Halten mehr. Ja, auch das ist Classic Rockestablishment, sich einfach für die alten Hits ganz am Ende verdient abfeiern lassen und noch einmal alles rausballern, was man draufhat. MEGADETH geleiteten die Fans mächtig in die Nacht, von den Breaks war vielen noch am nächsten Morgen schummerig.

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Setlist MEGADETH:
The Sick, The Dying… And The Dead
Dread And The Fugitive Mind
Skin O´ My Teeth
Hangar 18
Angry Again
Sweating Bullets
Trust
Tornado Of Souls
A Toute Le Monde
We´ll Be Back
Symphony Of Destruction
Peace Sells… But Who´s Buying
Holy Wars… The Punishment Due


Donnerstag, 06.06.2024:

GRAVEYARD (Festival Stage)
So richtig wollte die Sonne nicht zu dem Geschehen passen, doch man ist auf Festivals immer froh sie zu sehen. Der Vierer war komplett in schwarz gewandt, wobei es sich hier weniger um typisches Rockeroutfit handelte, vielmehr um klassische Siebzigermode, nur eben nicht in der Farbenpracht der Flower Power-Zeit. Die langen Frisuren und teilweise Schnäuzer schon eher nur in einer eben dunkleren Fassung. Es sollte aber keinesfalls ein Abgesang werden, sondern eine Ehrerbietung jener spannenden Ära, denen sich die Retro Rocker verschrieben haben.

Vor ein paar Jahren waren sie noch auf der Rock Stage und ich fragte mich, ob sie bereit für die größte Bühne wären, denn damals waren sie ein wenig lendenlahm und in den Alternative-Sektor abgedriftet. Den Umfang hätten sie sicher nicht gebraucht, ihr Setting nahm nicht den zur Verfügung stehenden Raum ein, die agilsten waren die Jungs auch nicht. Zu sehr waren sie auf ihr Spiel bedacht, dass sehr druckvoll rüberkam dieses Mal. Gerade Schlagwerker Oskar Bergenheimließ seine Sticks wild kreisen und zog damit immer wieder das Tempo an oder variierte es sehr geschickt.

Es braucht ja nicht immer die große Geste, gerade die vornehme Zurückhaltung der Schweden machte ihren Auftritt sehr sympathisch. Unglaublich lässig wie ihre Musik agierten sie unaufgeregt, auch wenn eben solche Tempoverschärfungen kamen, die an ihre Landsleute BLUES PILLS erinnern. Im Gegensatz zu denen agierten GRAVEYARD luftiger, und ließen mehr Roots einfließen. Dass sie dabei gegenüber den Studioversionen eindeutig an Schärfe gewannen war das große Plus des Gigs. So konnten sie ihre Dynamik viel besser ausspielen, die ruhigen Passagen hatten so viel tiefes Gefühl, auf der anderen Seite rockten sie ordentlich.

Auch hier gaben sie sich variantenreich und auch sehr harmonisch, was sowohl für das Gitarrenspiel als auch für den Gesang galt. Gitarrist Joakim Nilsson und Bassist Truls Mörck teilten sich den Leadgesang, bei den mehrstimmigen Vocals stieg noch der zweite Gitarrist Jonathan Larocca Lamm mit ein und förderte so schöne Momente hervor. Die waren auch zu hören, wenn die Saiten den Blues hatten wie etwa in „Rampant Fields“, wobei auch die Soli der rockigen Tunes mit viel Feeling gebracht wurden.
Jenes Stück war vom neuen Longplayer „6“ wie auch der Opener „Breathe in, Breathe Out“, daneben war auch das letzte Werk „Peace“ präsent im Set wie etwa mit „The Fox“. Vieles lief aber über den Durchbruch „Hisingen Blues“, „Ain´t Fit To Live Here“ „Uncomfortably Numb“ und der Titeltrack sind Klassiker, wie natürlich auch der Schlusspunkt „The Siren“. Ein musikalisch sehr lebendiger Auftritt auf dem Vorzeigefestival im eigenen Land, bei dem die Sonne gerne scheinen durfte.

EXTREME (Festival Stage)
Wie schon gestern TALISMAN, so waren auch die US-Amerikaner zu spät, um wirklich noch ein großes Stück vom Hair Metal-Kuchen abzubekommen. Auch wenn sie funkig-moderner agierten und eine Megaballade vorzuweisen hatten, war auch lange Schicht bei ihnen. Doch heute sind die Vier wieder gerne unterwegs, veröffentlichten im letzten Jahr mit „Six“ ein neues Album und kommen gerne in Sölvesborg vorbei. Hier weiß man ja die Spielart nach wie vor sehr zu schätzen und das neonbunte „Pornograffiti“-Cover auf der Leinwand ist hier ein Hingucker.

Dementsprechend motiviert trat der Vierer auf, oder soll ich sagen schwungvoll. Denn was Gary Cherone hier an Gymnastik an den Tag legte war aller Ehren wert. Neben stylischem Outfit hat er sich mit seinen fast sechzig neben Nuno Bettencourt bestens gehalten. Eigentlich könnten die beiden auch als Werbefiguren für Fitnessunternehmen ihre Brötchen verdienen. So tief in den Ausfallschritt wie der Frontmann kommen selbst die meisten jungen nicht, wenn sie ganz vorne auf der Rampe stehen. Wie immer mit Bandana, auch mit kurzem Haupthaar und einem schwarzen Glitzerjäckchen hatte er die besten optischen Werte.

Sein Gitarrist trug ein in ihrer großen Ära sehr populären Indianerschmuck im Ausschnitt seines Batikoberteils. Da dieses keine Ärmel besaß legte es den Blick frei auf durchaus drahtige Oberarme, welche er auch brauchte, um diese Töne aus seiner Linkshändergitarre zu locken. Wie im Fußball ist auch er ein Unterschiedsspieler, der Dinge kann, die andere nicht können. Bluesige Skalen stoppt er unmittelbar ab und wechselt in beidhändigesTapping, ohne Spielfluss zu verlieren. Darüber hinaus verfügte er über den funkigen Anschlag, der seine Truppe tatsächlich von allen anderen abhob.

Wie sein Sänger war er viel unterwegs, als wollten sie sich ober ihrer Aktivität überbieten. Dass sie dabei nicht mit Posen sparten gehört zum amerikanischen Rockentertainment. Seine Gitarre hing nicht nur an ihm runter, so wie Cherone Mikroständer eher eine On/Off-Beziehung mit seinem Besitzer führte. Neben seiner typischen Mikrohaltung wie auf einem Serviertablett glänzte er mit so Gimmicks wie dem Knien vor Bassist Pat Badger, um ihm das Mikrofon am Ständer hinzuhalten, damit ein paar Lines übernimmt.

Jener ist auch der einzige, der etwas Wohlstandspolster auf den Rippen hatte und unter seinem Cowboyhut eher den coolen Ruhepol gab. Doch gerade seine Linien waren es, die so viel Groove in Stücke wie „Decadence Dance“ oder „Rest In Peace“ brachten, den sichern Hitbänken. Klar stand das 90er Album im Vordergrund, doch auch von dessen Nachfolger gab es Kostproben wie das abschließende „Rise“.
Das zeigte wie sich über all die Jahre das Bandgefüge verdichtete, es also keine reine Show der beiden Frontleute ist. Wobei man den größten Rockstar hinterm Drumkit vermutete, der fein groovende Kevin Figueiredo wies verblüffende Ähnlichkeit mit Bruce Springsteen auf. Mit den knalligen Arrangements der Stücke vom deutlich 80er-affinen Erstling meisterte der Mann ebenso gekonnt.

In der Mitte des Sets wurde sich natürlich auch etwas ausgeruht und auf Hockern Platz genommen, um die Tophits zu zelebrieren. Stand bei „Hole Hearted“ noch ein kleines Kit vorne, so waren Cherone und Bettencourt beim ungeduldig erwarteten „More Than Words“ ganz alleine. Wobei der Sänger viele Parts an das selige Publikum abgab, das sich stimmgewaltig und textsicher gab, wie ich es von dem Festival gewohnt bin.
Dazwischen durfte das As an des sechs Saiten mit „Midnight Express“ noch beweisen, dass er es an der Stromlosen ebenso drauf hat und süffisant erklärte er werde nach gespielten Noten bezahlt. Als die Band nach dem Überhit wieder Fahrt aufnahm wurde es eine einzige Party, die in „Get The Funk Out“ gipfelte. Band und Zuschauer sangen gegeneinander an, die Stimmung kochte fast über.

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KERRY KING (Rock Stage)
Wie sehr lieben wir unser Kontrastprogramm, danach wurde mehr als eine Schippe Härte aufgelegt, als eine weitere Legende die Bretter enterte. Nachdem er mit SLAYER vor fünf Jahren hier auf der selben Bühne seinen Abschied nahm ist der König des Thrash Metal wieder zurück mit seinem Solodebüt. Umgedrehte Kreuze und seine Initialen als Logo zierten die Szenerie als er mit anderen Szenehalden loslegte, nachdem das Intro vom Debüt verklungen war. Sofort kam einem das vertraut vor, das Riffing, die Leadfills, die Handschrift des großen Kerry ist unverkennbar.

Lediglich die Gniedelsoli blieben außen vor, die Spots gingen fast alle an Phil Demmel, der weitaus melodischer agierte. Nicht nur im Solobereich, sondern auch bei den Liedern durchweg war ein klein wenig mehr Melodie zu entdecken als üblich. Die kam natürlich Mark Osegueda entgegen, der ja gerne nicht nur rumbrüllt, sondern mit etwas mehr Finesse shoutet, auch wenn seine Vocals schon sehr harsch ausfielen. Mit dem DEATH ANGEL-Frontmann hat King einen echten Glücksgriff gelandet, der die Bühne auszufüllen, den langen Steg nach vorne zu nutzen wusste.

Der Meister selbst blieb fast nur auf der rechten Seite, hämmerte die Riffs brutal raus, bangte wild, machte dafür aber kaum Meter. Was nichts daran änderte, dass er bei seinen wenigen Ausflügen auf die andere Seite dort abgefeiert wurde. Dabei hatten die Fans dort mit Demmel und dem noch aktiveren Kyle Sanders die besseren Schauwerte. In Sachen Posing war das schon große Schule, gerade Sanders schwang Bass und die langen Dreadlocks mit einer Wonne umher.
Zusammen brachten sie einen sehr dichten Sound hervor, der erbarmungslos aus den Boxen drückte. Dafür sorgte natürlich auch Paul Bostaph an den Drums, der wie ein Berserker auf sein Kit eindrosch, immer wieder unglaubliche Breaks am Start hatte. Was schon ihr fast komplett gezocktes Erstwerk versprach wurde gehalten, der Geist der Legende lag über der Norje Bucht, das war die Art Thrash Metal, die natürlich überall Pits evozierte.

Waren die Reaktionen schon euphorisch, so steigerten sie sich selbstredend als ein Titel von King´s früherer Formation von der Rampe geprügelt wurde. Beim Refrain schrien sich Tausende Kehlen die Seele aus dem Leib. Wer nun mit einem Hitfeuerwerk gerechnet hatte, sah sich enttäuscht, zumal Hannemann-Kompositionen nicht zum Zuge kamen. Doch die eigenen Nummern wurden ebenso abgefeiert, Feuersäulen schossen empor, die Hölle war losgebrochen.
Nichts dagegen, was für Szenen sich abspielten, als der gute Paul bei einem Schlussakkord plötzlich jene drei Drumschläge reinpfefferte, jene die für manche die Welt bedeuteten. Immer wieder, bis genau jenes Riff ertönte, dass von allen mitgesungen wurde, das Riff das herab fällt wie regnendes Blut, der schiere Wahnsinn. Gleich noch eine Nummer der Legende hinterher geschoben waren alle Anwesenden glücklich und zelebrierten noch den Titeltrack vom neuen Album, er ist wieder empor gestiegen.

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(Foto: Rainer Petry)

Setlist KERRY KING:
Where I Reign
Toxic
Trophies Of The Tyrant
Two Fists
Idle Hands
Residue
Disciple
Crucifixation
Shrapnel
Raining Blood
Black Magic
From Hell I Rise

THE BLACK CROWES (Festival Stage)
Erneut stand rückwärtsgewandter Rock auf der größten Bühne, wobei die Herren aus Atlanta, Georgia schon Retro Rock darboten, als selbst Andrew Stockdale von WOLFMOTHER noch in den Kindergarten ging. Die Hippies von damals sind erwachsen geworden und kleiden sich heute in ziemlich stylischen Chic, Sonnenbrillen inklusive, während die Kopfbedeckungen im Laufe des Konzertes abgesetzt wurden. Wobei man natürlich gerade in Bezug auf die Vergangenheit gespant sein durfte wie sich die Gebrüder Robinson schlagen, die ja erst vor ein paar Jahren wieder zueinander fanden. Die letzten Touren liefen gut und die aktuelle Scheibe „Happiness Bastards“ war endlich wieder ein großer Wurf.

Stand die letzte Rundreise im Zeichen des komplett durchgeboxten Debüts, so war dies an dem Abend gleichberechtigt im Set neben dem Nachfolger „The Southern Musical And Harmony Companion“. Dies erfuhr kürzlich eine Neuauflage und startete die Show mit „No Speak No Slave“ und beendete sie logischerweise mit dem Smasher „Remedy“. Natürlich kamen einige neue Nummern vom Album dessen Titel recht tief als Backdrop an einer Traverse hing wie „Rats And Clowns“. Solche Showelemente sind den Krähen eher fremd, hier sprachen die Musik und Performance, für welche man ein ansehnliches Ensemble in den Reihen hatte.

Allerdings verharrten die meisten Bandmitglieder stur an ihrer Position, Kommunikation untereinander war ebenso kaum auszumachen. Sven Pipien und Rhythmusgitarrist Nico Bereciartua standen links ihren Mann, während Rich Robinson die rechte Seite ausfüllte. Mit klugem Swing, der immer mal wild aufbrauste war Cully Symington fast noch Aktivposten und die Tasten von Erik Deutsch wurden gleich hinter die Backline verfrachtet. Was sie aber klanglich auf die Beide stellten war so dicht, dass irgendwo ein verstecktes Bandgefüge existieren muss, wobei man von klasse Sound profitierte, der die vielen Details plastisch heraus bildete.

So war es alleine an Chris Robinson die Show an dem Tag zu stemmen, was sich der Frontmann nicht zweimal sagen ließ. Jener versprühte gute Laune, kein Wunder bei dem lustigen Vogel, der sich gerne mal wie ein Pfau aufplusterte. Mimik, Gestik und Posen waren eigenwillig wie ungewöhnlich und von hohem Coolness-Faktor. Schon was er mit seinem Mikroständer ablieferte war äußerst unterhaltsam, oft quer gehalten und als Tanzpartner zweckentfremdet. Wenn er sein Mikrofon damit zu weit von sich wegschob lehnte er sich einfach weit zur Seite, um singen zu können. Sein Tänzeln war von beschwingter Leichtigkeit, da wurden sogar Pliés wie beim Ballett eingebaut.

Nur Bruder Rich schien die arg extrovertierte Art etwas zu stören, er wollte wohl lieber bierernst weiterzocken. Doch um den Burgfrieden zu wahren ließ er ihn wohl gewähren, schließlich transportiert er die Songs auch zum Auditorium. Beim vorletzten Stück, dem Hit „Jealous Again“ kam es dann doch zum Schulterschluss zwischen den beiden. Dabei sparte der ebenfalls nicht mit Extravaganzen und hatte wirklich bei jedem Song eine andere Gitarre am Start. Pipien und Bereciartua wechselten zwar auch oft, aber kamen wieder auf die gleichen Modelle zurück, aber die hatten ja auch nicht gleich einen ganzen Schrank voll dabei.

Hinter dem machten es sich diverse Muckerkollegen bequem, die sich die Show von der Bühne aus ansahen, was die Relevanz unterstrich. Dass sich dabei vor allem die Backingband von KERRY KING hervor tat war dann doch ungewöhnlich, am Ende ist das alles Rock´n´Roll. Der von den BLACK CROWES einer mit viel Seele, der musikalisch begeisternd vorgetragen wurde. So durften auch Coverversionen nicht fehlen, wobei „Too Hard To Handle“ ja sattsam bekannt ist, es bei „White Light/White Heat“ von VELVET UNDERGROUND mehr abging. In der Form dürfen die Herren gerne noch lange weitermachen, vielleicht sind es gerade die Spannungen, die sie ausmachen.

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SATYRICON (Sweden Stage)
In den Nullerjahren waren sie fast omnipräsent, hoben den Black Metal auf eine innovative Stufe, doch in den letzten Jahren machten sich die Norweger sehr rar. Innovativ sind sie nach wie vor, wie das jüngste Projekt „Satyricon & Munch“ unter Beweis stellte. Eher ist das Genre ein Problem, welches seit der Hochphase arg an Relevanz eingebüßt hat. Umso überraschender, dass man einen prominenten Zugang in der Liveformation begrüßen durfte, niemand geringeres als Frank Bello von ANTHRAX zupfte die dicken Saiten.

Spaß hatte dabei nicht nur er, sondern auch Atila Vörös, die beide rechts vorm Schlagzeig so richtig Alarm machten. Ständig jagten sich die beiden, warfen sich in alle Posen und bangten unablässig. Zudem suchten sie oft Frost auf und spielten mit einem Bein auf dessen Drumriser stehend. Was jedoch die Sicht auf den Drummer etwas erschwerte, der wie immer mörtelte was das Zeug hergab. Von den Grooves wechselt er unbeirrt in die wildesten Blastbeats, wobei der noch den Haarrotor anwarf, einfach irre und irre anzuschauen.

Auf der anderen Seite war mit Steinar Gundersen das dritte langjährige Mitglied zu sehen, auch wenn er nur live in Erscheinung tritt, in der Funktion aber die Soli großartig rüber brachte. Still stand die Matte bei ihm ebenfalls selten, obendrein hatte er noch einen Bart um mitfliegen zu lassen.
Kinnbart trägt jetzt auch der gebürtige Sigurd Wongraven, weswegen ich anfangs etwas irritiert war. Ohne Schminke, die Haare so mittendrin zwischen den Längen, die ich gewohnt war dachte ich zuerst, dass da jetzt Jorn Lande singen würde. Nichts dagegen den alten Haudegen mal wieder live zu sehen, aber bei SATYRICON eher eine Fehlbesetzung.
Wenn er nicht gerade auf der Bühne unterwegs war, um seine Fans anzustacheln, hielt er sich an seinem Mikroständer mit der aus dem Bandlogo bekannten Forke obendrauf fest. Dass dieser ebenso nach vorne und hinten schwenkbar war ließ den Verfasser tatsächlich an die Existenz eines Leibhaftigen glauben, schließlich spielten nebenan W.A.S.P..

Nein, das konnte kein Zufall sein, also lieber mal ordentlich huldigen, das dachte sich auch die vorderen Reihen, bei denen die Köpfe gepflegt im Takt rumgingen. Gerade wenn es schwer aus den Boxen stampfte war die gereckte Faust dann das praktikablere Mittel, um die Begeisterung kund zu tun. Gerne auch simultan die wuchtigen Hymnen mitsingen, was der Chefdenker mit Wohlwolllen zur Kenntnis nahm.
Der spendierte eine ausgewogene Mischung aus allen Schaffensphasen, wobei die ersten zwei Alben außen vor blieben, früh jedoch ein Stück von „Nemesis Divina“ rausgehauen wurde. Die Stimmung erreichte natürlich den Höhepunkt als der ultimative Klassiker jener Scheibe angestimmt wurde, das sirrende Riff wurde von der Anhängerschaft mit „OhOh“-Gesängen gedoppelt. Ein weiterer Hit beendete die eindrucksvolle Demonstration, dass SATYRICON nach wie vor eine Macht sind.

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(Fotos: Rainer Petry)

Setlist SATYRICON:
To Your Brethren In The Dark
Forhekset
Now, Diabolical
Deep Calleth Upon Deep
Black Crow On A Tombstone
Repined Bastard Nation
The Pentagram Burns
Fuel For Hatred
Mother North
K.I.N.G.

JOURNEY (Festival Stage)
Jeder kennt das, man hat sein Lieblingslokal, seine liebste Wurstbude, sein liebstes Bistro, doch wenn an Weihnachten und Ostern die Mutter auftischt, dann mundet es dennoch mehr. Zuhause schmeckt es eben immer noch am besten, und so durfte ich nach elf Jahren und einigen Coverbands endlich wieder das Original bewundern. In der Tat, so sehr sich die anderen Mucker Mühe geben, das möglichst originalgetreu zu rezitieren, schon beim ersten Intro ist die Erpelpelle ein paar Millimeter dicker als bei denen, ohne jemanden Klasse absprechen zu wollen.

Der Ton von Neal Schon war einfach wärmer und dennoch schärfer, was sofort in alle Glieder fuhr. Die Band drückte bei bestem Sound und trieb selbst einigermaßen ruhige Stücke voran. Dazu hatte der Gitarrist trotz der für ihn kühlen Temperaturen richtig Spaß bei der Sache, ließ seine Gibson-Produkte wimmern und jaulen, entlockte ihnen die himmlischsten Töne, während er selig in selbigen starrte. So einem begnadeten Saitendehner gesteht man dann schon mal nach einem Song ein kurzes Solo zu, vor allem, wenn er danach richtig in die Vollen geht wie mit dem ersten Song ihres Jahrhundertalbums.

Jenes wurde zur Hälfte dargeboten und lebte sicher davon, dass es Arnel Pineda in die selben Höhen kommt wie einst Steve Perry. Ebenfalls mit einer dicken Weste gewandt war er kaum zu bremsen, rannte über die Bühne, sprang über die Monitore, warf übermütig sein Arbeitsgerät in die Luft um es wieder zu fangen und verbreitete auch sonst beste Laune. Die gute Stimmung vorne gab ihm auch Recht, er genoss den Beifall so sehr, dass er sich auf den Weg in den Graben machte, um dort die komplette erste Reihe abzuklatschen. Und diese ist durch die Zweiteilung des Frontbereichs sehr lang.

Weiter hinten war es dagegen etwas unruhiger, viele warteten nur auf den einen Song, den man sich an dem Abend extra für das Finale aufgespart hatte. Dazu gestaltete man das Set weniger ruhig, wodurch zum Bedauern des Verfassers leider „Mother, Father“ außen vor blieb. Doch die Formation musste der Festivalsituation Rechnung tragen, und die Spannung hochhalten, bei den eigenen Konzerten wurde der Überhit sehr früh verbraten. Wobei ich das Phänomen immer noch nicht verstehe, dass dieses Lied so lange brauchte um seinen heutigen Status zu erreichen.

Nicht nur dafür hatte sich Jonathan Cain extra einen großen Flügel auf die Bühne gestellt, an dem er ebenfalls solieren durfte. Mit Jason Derlatka hat er einen zweiten Tastenmann im Hintergrund an die Seite gestellt bekommen, der ihm mehr Freiheiten einräumt, die er für Ausflüge mit seinem Stratocaster an den Bühnenrand nutzen konnte. Mehr Variabilität kam auch ins Keyboardspiel, da nun Orgel und Klavier gemeinsam ihre Parts beisteuern konnten. Auf Tauchfühlung mit den Zuschauern war ebenso Randy Jackson am Bass, der sich immer in der Mitte fast auf Frontmannposition platzierte, wenn seine Backgroundstimme von Nöten war.

Wie das Spiel der AOR-Heroen, so waren auch die Harmonien wunderbar auf den Punkt und gleichwohl lebhaft. Mit Drummer Deen Castronovo hat man einen Fellegerber, der bei seiner Band REVOLUTION SAINTS einen prima Vokalisten abgibt, leider an dem Abend nicht am Leadgesang in Erscheinung treten durfte. Unfassbar wie er bei den Chören so dabei bleiben konnte, obwohl er so wuchtig mit seinen Sticks hämmerte. Von den kraftvollen Akzentuierungen leben die Lieder von JOURNEY, da wurde nicht nur simpel zur Melodie musiziert, sondern darunter richtig gerührt und der gute Deen peitschte alle an.

Da man die musikalische Brillanz noch gerne heraus stellte, durfte Schon ein zweites Mal ra, als er wunderbar weiche Töne aus seinen Fingern zauberte, zu welchen ein Sternenhimmel über die Leinwand flimmerte. Das Rad, welches sich darin auftat leitete den abschließenden Hitreigen ein, bei dem die ganze Norje Bucht hüpfte, sang und auch viele Tränchen vergoss, einfach zu schön um wahr zu sein. Wer kann schon eine Handvoll derartiger Kracher mühelos aneinander reihen? Am Ende rasteten die Zuschauer endgültig aus, übertönten fast die Band, welche den Platz als Könige des Genres mehr als untermauerten.

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Setlist JOURNEY:
Only The Young
-Guitar Solo-
Stone In Love
Lights
Send Her My Love
Who´s Crying Now
Chain Reaction
Lovin´, Touchin´, Squeezin´
-Piano Solo-
Open Arms
Faithfully
Escape
-Guitar Solo-
Wheel In The Sky
Seperate Ways (World´s Apart)
Be Good To Yourself
Anyway You Want It
Don´t Stop Believin´

PARKWAY DRIVE (Rock Stage)
Nach so einer Demonstration muss sich jede Band strecken, um das Level hochzuhalten, doch die vielen Menschen, die sich bereits vor der gegenüberliegenden Bühne eingefunden hatten ließen Großes erhoffen. Der lange Steg in den Fotograben war wohl nur für die Australier an dem Tag aufgebaut worden, denn die Aufbauten erstreckten sich bis dorthin. Auf der Bühne fanden sich rechts und links zwei Doppelterrassen wieder auf denen sich die Musiker postierten. Wobei die komplette Saitenfraktion die Position so fest hielten wie Drummer Ben Gordon, der oben rechts Platz nahm.

Das wirkte auf den ersten Blick etwas statisch, doch von ihrer Musik unterlegt wirkte das wie ein Bollwerk, denn als solches präsentierte sich das, was einem da entgegen schallte. Jeff Ling und Luke Kilpatrick feuerten ihre Staccato so derart als Salven ab, dass einem fast ein Sturm ins Gesicht blies. Bemerkenswert wie locker die Surferboys diese ohne große Action so derbe und präzise rausballerten, wobei das flackernde weiße Licht viel zur Intensität beitrug.
Da stiegen Gordon und Bassist Jia O´Connor mit ein und errichten eine Klangwand, die unüberwindlich war, das totale Brett. Sie haben ja die Riffs, die einem sofort in den Nacken fahren, diesen Groove der sich in den Wade zu schaffen macht. Dazu noch die Leads, welche direkt ins Ohr gingen und ebenso auf den Punkt eingeflochten wurden. Mit einem sehr lauten Sound wuchs ein Orkan, dem man sich nicht entziehen konnte.

Doch nicht nur die Gitarrenthemen waren sehr eingängig, sondern auch die Melodien, speziell in den großen Refrains, die sie besser beherrschen als die Konkurrenz in ihrem Genre. Dafür zuständig Winston McCall, der auch für die Show zuständig war. Mit kraftvollen Gesten schritt der Frontbulle die Bühne entlang, forderte die Zuschauer permanent, obwohl die sich keinesfalls ihre Müdigkeit anmerken ließen. Selbst in schnellen Passagen wie in „Idols And Anchors“ oder „Soul Bleach“ schnaubte er seine Vocals mit einer Inbrunst ins Mikro, welche die ganze Bucht erfüllte.

Schon die ersten Titel „Glitch“ und „Prey“ lieferten ihm den Stoff, um die Menge komplett mitzunehmen, mit ausgebreiteten Armen empfing er die Singalongs, die er selbst angestimmt hatte. Dass die Leute überhaupt noch eine Stimme hatten bei dem Staub den die Pits aufwirbelten, grenzt an ein Wunder, doch diese massive Walze mobilisierte die letzten Kräfte. Erstaunlich was sich aus dem Metal Core-Metier mittlerweile entwickelt hat, dass bis zur Stadiongröße gereift ist.
Aber da sind eben auch die ruhigen Passagen und mehrstimmigen Chöre, um eine unglaubliche Spannung zu erzeugen, die von einem genialen Songwriting zeugen. Diese Band ist keine Band, sie ist eine Maschine, die alles zerlegt was sich ihr in den Weg stellt, und an dem Abend lief sie auf Hochtouren. Wenn man es sich erlauben kann so einen Hit wie „Ground Zero“ wegzulassen muss man sich seiner Sache sehr sicher sein.

Auf der Bühne wurde zwischendurch etwas durchgetauscht nachdem die ganze Band unten zusammen gekommen war, doch auch nach den Standortwechseln wurde die kompakte Front weiter exerziert. Richtig interessant wurde es, als vor „Chronos“ die linke Rampe frei geräumt wurde und ein Streichertrio darauf Platz nahm, das sich perfekt in den Song integrierte. Bei der anschließenden Ballade „Darker Still“ hätte ich mir das eher vorstellen können, was dann ebenso funktionierte. Wie man solch fremde Elemente einbaut ohne den Druck zu verlieren zeugt von einer hohen Musikalität.

Wem das nicht Inferno genug war, der wurde dann mit „Crushed“ völlig überfahren. Schossen zum martialischen Setting andauernd Feuersäulen in alle Richtungen, so brannte kleinere Flammen rund um die komplette Bühne und am vorderen Rand der Rampen, ein einziges Flammenmeer, in der sich McCall auf dem Steg stellte. Völlig schier wie er sich im Refrain den ihm entgegen schlagenden Feuersäulen entgegen stellte, die pure brachiale Macht.
Bei der Verabschiedung kamen dann alle nach vorne, warfen Plektren und Sticks wie man es als Konzertbesucher kennt. Doch PARKWAY DRIVE können nicht normal und so wurde Ling angehalten noch eines anzustimmen, worauf er ins eröffnende Lead von „Wild Eyes“ einstieg. Das hielt er solange bis der Rest wieder auf den Positionen war und in den letzten Brecher einstimmte. Selten stand dem Autor dieser Zeilen die Kinnlade so auf halb sechs, unfassbar.

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Freitag, 07.06.2024

NESTOR (Festival Stage)
Vor zwei Jahren begann der kometenhafte Aufstieg der Hair Metaller, was nicht zuletzt mit ihrem Auftritt auf der Sweden Stage zusammen hing. Meine Person wusste bis dato gar nichts von deren Existenz schaute sie mir aber nach viel Vorschusslorbeeren mal an und war positiv überrascht, selten hat eine Band den Spirit der Achtziger so authentisch transportiert. In der Folge wurde ihr mit dreißig Jahren Verspätung veröffentlichtes Debüt noch einmal neu aufgelegt und die Band für viele Festivals, u.a. Wacken gebucht. Nun wurde mit „Teenage Rebel“ ein zweites Album nachgeschoben und der Fünfer umgehend auf die größte Bühne gehievt.

So ganz trautem sie dem Braten neues Album noch nicht, weswegen das Set zum Großteil aus den Nummern bestand wie beim letzten Stelldichein in Sölvesborg. Einige Stücke wie gleich der Opener feierten an dem Tag ihr Livedebüt und deuteten ihre Klasse an. Als an zweiter Stelle der Titeltrack des Erstlings gebracht wurde stieg das Barometer noch einmal. So viele Menschen versammelten sich bisher nur selten um diese Tageszeit vor der größten Bühne, aber die Schweden feierten ihre Helden. Dabei haben sie in dem Metier mehr als genug gute Bands, irgendwie war diese Musikrichtung im Land der Elche nie totzukriegen.

Und die wurde mit allem gefeiert was dazu gehört, Fönfrisuren, schrille Outfits und wie im Fall von Bassist Marcus Åblad auch noch Schnauzbart. Ohnehin war sein an ein fransiges Sabberlätzchen erinnerndes Lederhalsband auf nacktem Oberkörper schon reichlich schräg. Ich mein diese Offiziersjäckchen aus dem 18. Jahrhundert von Sänger Tobias Gustavsson hatte ja schon ihr Landsmann Yngwie Malmsteen popularisiert. Mit viel Goldbrokat umrandet passte der breitkrempige Hut von Keyboarder Marton Frejinger bestens ins Bild. Und bei Jonny Wemmenstedt stand das bunte Hemd bis fast unter die Gitarre offen.

In Sachen Posen wurde ebenfalls keinen Deut von den Vorgaben abgewichen, so bearbeitete der gute Jonny seine Gitarre in allen möglichen Lagen und war viel in Bewegung. Das Rücken an Rücken-Stehen wurde ebenso des Öfteren zelebriert, das in verschiedener Zusammensetzung. Das zeigte auch das gute Bandgefüge, immer wieder warfen sich die alten Freunde Blicke zu, in denen sie sich auf das nächste Gimmick abstimmten. Der Mikroständer von Gustavsson wurde für alles Mögliche genutzt, im Zweifelsfall, damit sich der Frontmann an ihm aus einer tiefen Haltung hochziehen konnte.

Darüber hinaus wurde alle bemüht, womit sich Show machen lassen konnte, da es für Lightshow zu hell war, mussten es Flammensäulen richten. Bei der ersten Single vom neuen Album stürmten als Intro die Black Diamonds, die Cheerleader des heimischen Sportclubs, der Fjälköping Rebels auf die Bühne und fuhren ihr Programm neben Backingchören auf, beim letzten Song durften sie ebenfalls nochmal ran.
Das war so herrliches Entertainment, dass es jedem ein Lachen ins Gesicht zauberte, immer mit einem Augenzwinkern. Die Fans feierten den Gig nach allen Regeln der Kunst ab, mal sehen was da noch kommen wird. Zumal das Ganze musikalisch sehr gekonnt rüber gebracht wurde, gerade der gute Tobi war hervorragend bei Stimme und Wemmenstedt haute ein starkes Solo nach dem anderen raus.

Setlist NESTOR:
We Come Alive
Kids In A Ghost Town
Stone Cold Eyes
Teenage Rebels
Perfect 10 (Eyes Like Demi Moore)
Signed In Blood
Victorious
It Ain´t Me
Caroline
Firesign
On The Run
1989

CARCASS (Sweden Stage)
Dann hinüber zu einer Band, die ebenfalls eine lange Pause einlegte, teilweise auch dem Gesundheitszustand von Schlagzeuger Ken Owen geschuldet, jedoch auch weil man sich stilistisch nicht mehr sicher war. Seit geraumer Zeit sind die Engländer zurück, wenn auch mit gemäßigten Tempo. Sicherlich Veteranen und Impulsgeber der tödlichen Szene müssen sie sich heute nicht mehr beweisen und haben lieber Spaß bei der Sache.
Der war den beiden Urgesteinen die ganze Zeit anzusehen, Jeff Walker ist der gute Onkel des Todesblei und ruhte da vorne in der Mitte ganz in sich, obwohl er garstige Töne rausröchelte. Dabei guckte er eher freundlich in die Menge und freute sich darüber, dass hier so viele Haare durch die Luft flogen und auch mal ein Mensch hinterher. Und wenn es mal mit der Begeisterung stockte pumpte seine Faust in die Höhe und trieb die Fans an.

Dabei hatte er seinen Bass immer auf seinen Oberschenkel gestemmt, von wo aus er zur wuchtigen Pose hochgerissen werden konnte. Bei seinen Ausflügen wanderte auch gerne mal ein Plektrum in die Menge, so dass er einfach mit den Fingern weiterspielte – ging bei dem Tempo aus. Dabei setzte es nicht nur den Vollsprint der alten Hämmer wie „Incarnated Solvent Abuse“ oder „Exhume To Consume“, sondern auch den meterdicken Groove von „Heartwork“-Zeiten mit Nummern vom Schlage „Buried Dreams“. Auf den letzten Alben setzte man sich in etwa dazwischen, manifestierte beispielsweise mit „Kelly´s Meet Emporium“ die eigene Handschrift.

Seinen alten Mitstreiter Bill Steer hätte man im Gegensatz zu dessen Gitarrenpartner Nippy Blackford optisch kaum in einer Death Metalband verortet. Gab genug Retro und Stoner Rocker in der Woche, wo er nicht aufgefallen wäre, hier aber sorgte er wie gewohnt für den Farbtupfer. Eine Augenweide dem tänzelnden Hippie zuzusehen wie er die derbsten Attacken runterschrubbte, der mit einer Leichtigkeit so brutal und präzise zockte. Vielfalt ist eben doch Trumpf, und der Mann ein vielseitiger Musiker, der solo völlig anders gelagert ist. An dem Tag packte er die Keulte aus, die von Daniel Wilding hinter der Schießbude massiv voran getrieben wurde.

Da hatten die Anhänger ihren Spaß und feierten die Urväter nach allen Regeln der Kunst ab. Ob Fan der alten Zeiten oder Neueinsteiger in die Materie, jeder kam auf seine Kosten. Von so viel Ehrerbietung angetan knieten sich die beiden alten Haudegen hin und signierten eine auf die Bühne geworfene Kutte, und noch ein, und noch eine. Irgendwann wurde es ein witziges Spiel, den Securitymitarbeitern die Jacken zu geben welche sie zur Bühne brachten, wo alles artig unterzeichnet wurde, auch Handyhüllen und sonstiges Zeug. Brüste wurden aus anatomischen Gründen keine hochgereicht, obwohl das zu CARCASS thematisch gut gepasst hätte.

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KEBNEKAJSE (Pistonhead Stage)
Neben der Musikszene dürften sich meine Kenntnisse über Geographie als die umfangreichsten darstellen. Den höchsten Berg von Schweden hätte ich jedoch nicht benennen können, der ist aber auch kaum höher als 2.000 Meter. Von dem Kebnekaise leitet sich der Name einer der altehrwürdigen Formationen der einheimischen Musikszene ab, neben KAIPA sicher die Proginstitution in den Siebzigern. Wie die Kollegen waren auch die Herren lange weg und kamen 2001 wieder zusammen, um ungefähr zehn Jahre später noch ein paar Alben aufzunehmen.

Weitere zehn Jahre später stehen sie im gut gefüllten Zelt, um ihre Legende auf dem großen Festival ihrer Heimat noch einmal aufleben zu lassen. Kein Wunder, dass Jubel aufbrandete als die betagten Musiker die Bühne betraten. Zur großen Überraschung hingen sie nicht ihrer Vergangenheit nach, sondern bedienten sich vor allem den jüngeren Alben speziell dem selbstbetitelten wie gleich beim Opener „Leksands Skänklåt“. Interessanter weise wurde das Debüt „Resa Mot Okänt Mål“ ja von „Kebnekajse II“ und „III“ gefolgt, jenes Langeisen folgte vierzig Jahre später.

Bühnenaction durfte man nicht erwarten, zumal die Lieder fast komplett instrumental dargeboten wurden und gerade Bassist Göran Lagerberg mit seinen 76 Lenzen schon etwas gebrechlich wirkte. Zumindest wenn man auf seine Körperhaltung schaute, denn wie die Finger seine dominanten Bassfiguren drückten war großes Kino. Mit der ganzen Erfahrungen spielten sie natürlich sehr sicher und konzentriert, versanken zumeist in ihren verträumten Kompositionen wie dem Klassiker „Horgalåten“. Das Spiel mit der Dynamik beherrschten sie sehr gut, brachten diese jedoch nicht gänzlich zum Ausbruch.

Vieles erinnerte an WISHBONE ASH, zumal die Leads auch mal zweistimmig gebracht wurden. Meist steuerte Mats Glenngård die Riffs bei und Steve Howe-lookalike Kenny Hakånsson eher die feinen atmosphärischen Fills. Bei einigen Nummer wie „Vallåt Efter Britta Jansson“ packte Mats auf der linken Seite die Geige aus und betonte die folkloristische Seite der Formation. Mit anderer Instrumentierung zogen sie ihre Herangehensweise die Motive ineinander fließen zu lassen weiter durch und schufen wunderbare Landschaften wie im Backdrop, das den namensgebenden Hügel zeigte.

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CANNED HEAT (Sweden Stage)
Sogar noch älter als die Schweden war die US-amerikanische Legende, die tatsächlich schon in Woodstock, der Mutter aller Festivals auftraten. Warum die sich allerdings zuvor daran störten, dass CARCASS für Autogramme die Bühne belagerten ist eher unverständlich. Ihr Setting füllt nicht mal die halbe Bühne aus, so dass für die beiden Fan-nahen Mucker genug Platz gewesen wäre. Viel brauchten sie ohnehin nicht, ein paar Verstärker, eine kleine Drumfiguration und ab dafür.
Es ging gleich richtig in die Vollen, mit „On The Road Again“ kam gleich einer der absoluten Klassiker vorneweg. Dale Spalding blies wie bei vielen Nummern die Mundharmonika, Jimmy Vivino brachte seine hohe Stimme ein.

Mit ihm will es die Boogie-Truppe noch einmal wissen, brachten nach zwanzig kürzlich ihr „Finyl Vinyl“ heraus. Neben ihm stand Bassist Rick Reed ebenso mit Rauschebart wie er, man kam sich ein bisschen wie bei ZZ TOP vor. Spalding war weiter vorne zu finden, sein Gesang und Harmonikaspiel hielten ihn aber sehr auf der Position. Für ein paar Titel schnallte er sich den Sechssaiter um, speziell wenn es rockiger wurde, wo sein raueres Timbre gefragt war. Mit seinen fast achtzig sorgte Urgestein Fito De La Parra für den nötigen Groove, setzte seine Schläge mit feiner Dosierung und wurde von seinen Mitmusikern öfter als Motor der Band gelobt.

So gesetzt der Vierer auch wirkte, der Sound erzeugte mächtig Druck, vor allem wenn der Boogie-Rhythmus ins Rollen kam. Wobei man mit drei Stücken das Wort vielleicht zu oft im Songtitel hatte, den „Woodstock Boogie“ am Ende zog man dann auf eine gute viertel Stunde. Dass das Zusammenspiel so gut klappte lag auch daran, dass man einige neue Stücke ins Set mit aufnahm, da saß jeder Ton, sie spielten ihre Erfahrung voll aus, und wussten den Solotönen viele Nuancen abzuringen. Das kam bei den Zuschauern an, die sich auf den lässigen Aufgalopp eingestellt hatten und mit wirklich coolem ursprünglichen Rockfeling belohnt wurden.

Mittels „Going Up The Country“, dem zweiten Hit mit folkigem Touch hatte CANNED HEAT endgültig gewonnen und wurde abgefeiert. Nicht nur von den Fans, auch unter den Securitymitarbeitern sah man viele, die mitsangen und wippten. Seien wir ehrlich das Publikum bei so einer Kapelle ist nun wahrlich keines, dass die Sicherheitskräfte vor Probleme stellen sollte. Also ließ jeder der Party freien Lauf, die dann im vereinenden „Let´s Work Together“ gipfelte, wo wirklich jeder mithüpfte. Eine wahre Legende hat uns einen Hauch davon verbreitet, wie es wohl damals gewesen sein könnte, wenn es nur überall so friedlich wäre.

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EVANESCENCE (Festival Stage)
Vom ganz klassischen Rock hinüber quer über das Feld zu einer sehr modernen Variante, die sich in den letzten Jahren vermehrt im Programm des SwedenRock findet. Irgendwo ein One-Hit-Wonder hat sich Amy Lee und ihre Band über die Jahre gehalten und den hohen Slot verdient, der ein großes Publikum lockte. Mit „Better Without You“, einem von mehreren Tracks vom letzten Album „The Bitter Truth“ legte die Truppe kraftvoll los.
Ihr alternativer Rock schob nach vorne, die beiden Gitarristen Tim McCord und Troy McLawhorn posten breitbeinig und empfahlen sich als bestens eingestimmtes Gitarrenduo, welches sich die Soli redlich teilte. Nicht unbedingt mit dem vollen Körpereinsatz, dafür aber mit einigen Metern auf der großen Bühne unterwegs, zogen sie ihre Präsenz aus den tief gestimmten Riffs aus stolz geschwellter Brust.

Mit Emma Anzai stand nach der deutschen Jen Majura erneut ein weiteres weibliches Mitglied neben der Frontfrau in den Reihen. Neben ihrem Bassspiel unterstützte sie diese bei einigen Chören. Wobei die Hilfe gar nicht nötig hatte, denn nach wie vor verfügt sie über eines der kräftigsten Organe in dem Business. Ganz in enges schwarz gehüllt, was ihre weibliche wie auch dunkle Seite unterstrich, gab sie ohne Zweifel den Blickfang, auch weil sie es verstand, jene auf sich zu ziehen. Selbst mit geschlossenen Augen wäre die gute Amy klar als Mittelpunkt auszumachen gewesen, wie sie ihre Kompositionen mitlebte, war bewegend.

Obendrein all die Facetten ihres Ausdrucks, von kraftvollen Refrains über feine Melodien bis zu sanften Gesäusel hatte sie die komplette Palette drauf. Dabei wand sie sich, warf sich in jeden Ton, oder hob das Mikro hoch über den Kopf. Als ob das nicht reichen würde, bediente sie auch die Synthesizer, die vorne am Bühnenrand aufgebaut waren, während hinter der Band viele Lichtaufbauten installiert wurden.
Trotz der Unterstützung für ihre Mitmusiker schien es, als ob ein paar elektronische Parts vom Band kommen würden. Als dann ein Flügel herein gerollt wurde, dachte jeder, dass die Megaballade komme, doch Lieder vom Schlage „The Change“ und „Wasted On You“ wurden ebenfalls mit den Tönen aufgewertet. Gar nicht so sehr im Fokus stand das Debüt „Fallen“, die meisten Titel kamen vom jüngsten Werk wie „Use My Voice“, vor welchem Lee eine starke Empowerment-Ansage machte.

Später wurde es noch einmal Zeit für das große Piano, und dieses Mal bekam Sölvesborg wonach es verlangte. War die Stimmung bis dahin schon gut, drehten die Fans vollends durch. Aus Tausend Kehlen mitgesungen, dass selbst das Stimmwunder kaum mehr zu hören war, brach „My Immortal“ sämtliche Dämme. Menschen lagen sich weinend in den Armen, viele musste noch nach dem Konzert getröstet werden. Der Verfasser dieser Zeilen versteht so etwas zu gut, von Musik dermaßen bewegt zu werden ist eine Gabe, die leider zu wenige haben. Mit „Bring My Back To Life“ ging es nicht minder feucht, dafür noch euphorischer zu Ende.

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Foto von Rainer Petry

JUDAS PRIEST (Festival Stage)
Recht früh stoppte das Band vom wie immer von allen mitgesungenen "War Pigs"-Intro, was zuerst verwunderte. Auf der Bühne hing eine riesige Fahne mit einem Textauszug des Titeltracks vom neuen Album. Doch es war schon soweit, die Ecken des Banners fielen und dann wurde es unter die Decke zu dem massiven Kreuz gezogen, das oben unterm Dach hing. Die Band war bereits auf dem Drumriser und legte unmittelbar los, "Friday Night in Sölvesborg, Sweden and the Priest is back". Da waren sie, die messerschärfsten Gitarren der Szene, welche sich durch alles schnitten, was sich ihnen in den Weg stellte.

Zwar ist keiner mehr des vielleicht besten Gitarrenduos aller Zeiten mehr an Bord, doch ihr Landsmann und Produzent Andy Sneap sowie der US-Amerikaner Ritchie Faulkner setzten die Vorgaben ihrer legendären Vorgänger sehr exakt um. Ja sogar bei der Coverversion von FLEETWOOD MAC, die mittlerweile komplett in ihrem Kanon aufgegangen ist, und an dem Abend bejubelt werden konnte. Dieser Sound, der neben dem Leder - und Nietenoutfit den Heavy Metal definiert hat, legte sich meterdick über die Bucht und brachte sofort die Zuschauer in Wallung.

Der jüngere der beiden Saitenartisten war sofort ganz vorne an der Rampe zu finden, wo er jeden in den ersten Reihen einzeln taxierte. Sein Spiel war spektakulär anzuschauen, er unterlegte seine Fingerübungen mit vielen Gesten und strapazierte seine Knie bis auf das Äußerste, wenn er tief in Stellung ging. Cool und gleichzeitig erhaben fielen seine Posen aus, er geht voll in der Rolle als Führungskraft der Band auf.
Wobei sein Partner sich ebenfalls immer aktiver integriert, mehr Meter macht als zu Beginn seines Engagements und den Kontakt zu den Fans suchte. Musikalisch macht sich das dahingehend bemerkbar, dass ihm einige Soli zugestanden wurden, bei denen er seine Klasse unter Beweis stellen konnte, wo er sonst eher hinter den Reglern bekannt ist. Zu den Ingredienzien ihres Maßstäbe setzenden Gebräus gehören aber auch die vier Saiten, wobei deren Bediener sich gewohnt gerne im Hintergrund hielt.
Immer wieder stachelten seine Kollegen Ian Hill an, etwas mehr nach vorne zu kommen, wo er von den Fans gefordert wurde. Nicht nur im ersten Beitrag vom "Screaming For Vengeance", der Mutter aller pumpenden Bässe gab er stets das Rückgrat einer Band, die von ihm mitbegründet wurde. Ohne Unterlass schwang er sein Langholz in typischer Manier hin und her und setzte unprätentiös Akzente, um das Klanggebäude zu untermauern.

Chef im Ring war natürlich der Metal God himself, der Integrationsfigur schlechthin. Sein langer Bart verlieh ihm etwas Väterliches, fast wie der Nikolaus der stählernen Szene, immerhin hat er mehr als ein Weihnachtsalbum veröffentlicht. Die Höhen schafft er immer noch, obwohl seiner Stimme durch Halleffekte zusätzlich Druck verliehen wurde. Die absoluten Signaturesongs wie "Victim Of Changes" ließen JUDAS PRIEST außen vor, Gelegenheiten zum Auszeichnen hatte er trotzdem.
Ähnlich wie Klaus Meine hat er Probleme mit dem hellen Bühnenlicht und musste oft zur Sonnenbrille greifen, seine Bewegungen waren eher gemächlich, dennoch war sein Auftreten von solcher Größe. Oft mit Blick gen Himmel und erhobenen Zeigefinger, dann wieder anfeuernd sein Mikrofon hebend, streifte er über die Bühne. Den Draht zu seinen Anhängern pflegte er ebenso, immer wieder deutete er auf ein Gesicht, dass einem Zuschauer gehörte, der gerade in Action war.
Ihm war eher der Spaß anzusehen, das frühere aggressive Gehabe ist lange vorbei. Refrains musste er nur einen Takt ansingen, den Rest erledigte das SwedenRock. Die Gönnerlaune erreichte bei seinem „Shout, Oh Yeah“-Singalongspielchen den Höhepunkt, als er mit einigen Silbenfolgen die Menge vor eine unlösbare Aufgabe stellte. Freundlich fiel sein Lächeln danach aus, verbunden fühlte er sich erst Recht mit dem Publikum, das dem Meister einmal nicht folgen konnte.

In Sachen Lässigkeit war der Mann an den Kesseln nicht zu toppen, unfassbar wie Scott Travis seine brutalen Schläge setzte als würde er sich locker warm spielen. Ob krasse Breaks, DoubleBass-Geballer oder wuchtiger Beckenarbeit, punktgenau schob er die kantigen Saitenklänge noch mehr an. Ihm war es wie immer vorbehalten, den ultimativen Klassiker anzusagen, wo er ihn doch ohnehin mit seinem irren Solo einleitete. Nun ging endgültig alles steil, Fäuste und Haare flogen, das titelgebende Wort schallte weit auf das Meer hinaus.

Kleiner Wermutstropfen, dass dies recht früh erklang, warum die Show am Ende früher zu Ende ging und auch damit auch kürzer war als die sonstigen Gigs war nicht zu klären. Im Prinzip war die Setlist eine Mischung der beiden letzten Gastspiele. Gerade neben den unverzichtbaren Stücken gruben JUDAS PRIEST tief ihn ihrer Geschichte und hatten ein gegenüber vor zwei Jahren verändertes Set. Dass bei der Zugabe die Harley auf die Bühne fuhr, versteht sich von selbst, auch wenn Halford auch während des Songs gemütlich sitzen blieb. Und als es gegen Mitternacht ging, war das Auditorium eine einzige Party. "Friday Night in Sölvesborg, Sweden and the Priest is back"!

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Fotos mit freundlicher Genehmigung von Anna Karlsson

Setlist JUDAS PRIEST:
Panic Attack
You´ve Got Another Thing Coming
Rapid Fire
Breaking The Law
Lightning Strikes
Devil´s Child
Riding On The Wind
Sinner
Turbo Lover
Invincible Shield
The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)
Painkiller
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The Hellion/Electric Eye
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Hell Bent For Leather
Living After Midnight

DIMMU BORGIR (Rock Stage)
Wenn nach den Hohepriestern noch etwas kommen darf bei diesem Festival, dann muss es schon der Hölle entstiegen sein. Wie vor neun Jahren BEHEMOTH, so waren es mit den Osloern wieder Schwarzheimer, welche den Abend beschließen durften. Für das Genre sicher eine Bereicherung nach dem hohen Slot von SATYRICON gestern, dass sich zwei alten Größen zurück meldeten. In der Tat sahen die Bühnenaufbauten aus wie direkt von den Untiefen des Bösen importiert, das Tor öffnete sich weit vor dem riesigen erweiterten Cover von „For All Tid“.

Für die Altfans ging es auch bestens los, der Hit von jenem Dreher trat den Reigen los, gefolgt von einer Auszug aus dem Durchbruchsalbum, dem einzigen, von dem an dem Abend zwei dargeboten wurden, ansonsten von jedem anderen je einer. Die sinistren Synths von Gerlioz perlten auf die Hörner herab, die sich aus der Menge in den paar Stunden Dunkel erhoben. Klanglich eiskalt serviert wie ein Aquavit vom anderen Ufer der Ostsee krachte das wunderbar in die Nacht, zumal beim folgenden Stück die Tasten wieder präsent waren.

Ihren zuständigen Livemusiker hatten DIMMU BORGIR etwas hinter den Ruinen versteckt, nicht jedoch im Klanggewand, das druckvoll und sauber von der zweitgrößten Bühne hämmerte. Später kamen weitere Elemente dazu wie große Chöre oder die Ethnoelemente der letzten Scheibe „Eonian“. Dazu hämmerten gleich mehrere Musiker auf ein schnell hervor geholtes Kit, bevor die Riffs die Stammestrommeln ablösten.
Diese kamen von den beiden Stammkräften Galder und Silenoz, die sich wie die gesamte Band anfangs in Kapuzenkutten hüllten. Doch auch als diese abgelegt waren, mimten die beiden Glatzköpfe eher den Kerry King und tauschten nur gemächlichen Schrittes die Flanken. Dafür war das Zusammenspiel gestochen scharf, das Sirren schwirrte durch die Luft und thrashige Riffs der „In Sorte Diaboli“-Ära hatten eine enorme Wucht.

Das andere Urgestein Shagrath war da schon aktiver, hielt sich oft headbangend am Mirkoständer fest und nutzte den Auslauf der Rock Stage. Victor Brandt oft an seiner Seite, der mit seinem Bass das Pensum für die beiden Sechssaiter mit abspulte, dazu permanent mit geschütteltem Haupthaar. Das Krächzen des Sängers erschütterte einen in Mark und Bein und zeigte im Gegensatz zum Vortag eine Formation, welche ihre Wurzeln pflegte.
Trotz vorgerückter Stunde feierte die Norje Bucht die Helden ab und warf vielerorts den Haarrotor an. Da verzieh man gerne, dass manch opulente Passage vom Band kam, denn der Metalanteil nahm alle mit. Am Ende dann der Black Metal-Klassiker schlechthin, der den Wahnsinn schlicht offen legte. Die Melodien wogten über die Köpfe hinweg, wer noch eine Stimme hatte skandierte mit, ein würdiges Inferno zum Finale.

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Setlist DIMMU BORGIR:
Rabjörn Speiler Draugheimens Skodde
Spellbound (By The Devil)
The Insight And The Katharsis
Dödsferd
The Chosen Legacy
Council Of Wolves And Snakes
Dimmu Borgir
Blessing Upon The Throne Of Tyranny
Progenies Of The Great Apocalypse
Mourning Palace


Samstag, 08.06.2024

RIVERSIDE (Blåkläder Stage)
Nun war es an der Zeit, die erste Band, welche der Redakteur in fünf verschiedenen Ländern live sehen durfte. Nach Holland, Deutschland, Luxemburg und der Schweiz nun also Schweden. Prog ist dort nicht unbedingt so populär, weswegen der Vierer mittags auf der zweitkleinsten Bühne ran musste. Dass der eher Außenseiter war stellte Sänger Mariusz Duda fest, da er weder schreit noch das F-Wort benutzt. Überhaupt ist Selbstironie etwas, dass sich in den letzten Jahren bei ihm breit gemacht hat, in dem eher ernsten Genre ist das ebenso ungewöhnlich.

Aufgrund der Tatsachen hatten es die Polen nicht sehr leicht an dem Tag. Anfangs standen wenig Leute vor der Absperrung, als sie mit einem Song vom letzten Album mit ihrem tragisch verstorbenen früheren Gitarristen Pjotr Grudzinski begannen. Dessen Nachfolger hat nicht ganz seinen Ton, agiert erdiger und ein wenig bluesiger, brachte an dem Tag die Riffs knackig rüber und ließ es bei den Leads nicht an Feeling mangeln. Mit seiner Matte konnte er etwas seinem metallischen Hintergrund frönen, und bewegte sich auf seiner Seite verhältnismäßig viel.

Witzigerweise war Michal Lapaj an seinen Tasten auch viel in Bewegung, die Freude an dem Auftritt schien er mit seinem Techniker teilen zu wollen, zu welchem er öfter hinter die Kulissen eilte. An seinen Arbeitsgeräten ließ er die Finger noch aktiver wandern, wechselte immer den Winkel, wodurch er entweder mit seinen Kollegen oder dem Publikum Kontakt halten konnte. Wie er die Töne seinen Synthesizern und der Orgel entlockte, wie er mit allen möglichen Hebeln und Knöpfen arbeitete, war schon sehr ansehnlich, gut dass er soweit vorne positioniert war.

Rhythmisch fein akzentuierte Pjotr Kodzieradski die filigranen Arrangements, setzte exakte Kontrapunkte zu den proggigen Riffs, konnte sich aber auch genial zurück nehmen. Wie der bullige Schlagwerker es versteht die Becken nur zu streicheln ist immer wieder großes Kino. Zudem agierte er perfekt mit dem guten Mariusz, dessen Bass viel Führungsarbeit übernahm. Als Frontmann gereift konnte er sich nicht hinter Lichtinstallationen verstecken, RIVERSIDE setzten rein auf die Kraft ihrer ausgefeilten und gefühlvollen Kompositionen.

Jene stammten vornehmlich vom aktuellen Werk „ID.Entity“ sowie „Anno Domini High Definition“, selbst das letzte Album fand nicht statt. Ein wenig Abwechslung hin zum Frühwerk der „Reality Dream“-Trilogie wäre wünschenswert gewesen, doch RIVERSIDE verstanden jede Nummer mit wunderbaren Emotionen zu füllen. Diese schwappten weit über den Bühnenrand hinaus und berührten die Zuschauer, so dass jeder, der vorbei kam stehen blieb und dem musikalisch herausragenden Beitrag lauschte.

Was die Vier freudig zur Kenntnis nahmen, zumal der Sänger bei den Ansagen die richtigen Worte zwischen Mahnung und Entertainment fand. So gelang auch mit vielen Anwesenden, welche die Band zum ersten Mal gehört hatten der Singalong zu den Instrumentalharmonien, die erst nach etwa fünf Minuten im Song kamen. Von nun an spielten sich die Herren in einen einnehmenden Rausch, der alles in ihren Bann zog und mit viel Applaus bedacht wurde. Am Ende konnte das als zu poppig kritisierte Stück sogar noch mehr aus der Menge rauskitzeln, Gänsehaut inklusive.

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Setlist RIVERSIDE:
#Addiction
O2 Panic Room
Landmine Blast
Big Tech Brother
Left Out
Egoist Hedonist
Friend Or Foe

ZEAL & ARDOR (Sweden Stage)
Von den einen Innovatoren zu den nächsten, wobei die Schweizer sicher nicht dem Prog zuzurechnen sind, aber ist Avantgarde nicht die Steigerung zu Prog. Bisher war mir das Projekt nur vom Namen bekannt, aber die einzigartige Mischung erregte das Interesse des Verfassers. Wobei die mittlerweile sehr enge Bindung im Bandgefüge schon auffiel, was den Auftritt sehr konsistent machte. Hier agierte nicht nur ein Mann mit Gefolge, schon alleine weil er sich die Vocals mit gleich zwei weiteren Sängern, Denis Wagner und Marc Obrist teilte.
Optisch waren sie gar nicht so weit weg vom Black Metal, wie die dunkle Burg am Vorabend hatten alle die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Gitarrist Tiziano Volante übte sich im bösen Blick, wie er in dem Genre häufig zu finden ist, doch auch schon beim Auftreten zeigte sich die Attitüde der anderen musikalischen Seite. Wie sich Lukas Kurmann über sein Langholz legte, hatte eher etwas von einem Jazzer, er hüpfte gar in gebückter Haltung. Sonst waren seine Bewegungen eher in der Dance-Szene zuhause, außer wenn er mit dem Sechssaiter poste.

Was sich da aber musikalisch abspielte riss einen vom ersten Ton an in den Bann der Klänge. Beim Opener „Wake Of A Nation“ skandierten die drei Vokalisten noch klar im Kanon, wobei die elektronischen Effekte vom Band gekommen sein dürften. Doch schon „Götterdämmerung“ und vor allem „Blood In The River“ vom Debüt ließen Dinge aufeinander prallen, die weit davon entfernt waren jemals zusammen stoßen zu können.
Da gab es Gospelartige Töne wie etwa bei „Feed The Machine“, bis urplötzlich der Furor loslegte und alles einebnete, die Köpfe auf und vor der Bühne wild umher flogen, gefolgt von Matten dazu. Mit einer Schroffheit wie vielleicht noch bei INTO ETERNITY wechselten sich die Stile ab und fanden am Ende doch zueinander. Manuel Gagneux rappte teilweise in sehr bedächtigem Tempo und rang dem Genre ein paar interessante Facetten ab.
Wobei man natürlich weiß, dass der Mann weit weg ist von dem Weg, welchen diese Musik in den letzten Jahren ging. Wie dann immer die Riffsalven reinbrechen, zu denen die Saitenfraktion völlig steil geht, teilweise Pirouetten dreht im wahnwitzigen Mosh ist überwältigend. Der Beginn von „Erase“ hätte so auch von MICHAEL KIWANUKA stammen können, aber man wusste dass es in der Gangart nicht weitergehen würde.

Dennoch war jeder Wechsel wieder auf´s Neue interessant, mal breites Geschredder zu weiterhin Klargesang in „Ship On Fire“, dann modern bei „Death To The Holy“ oder das schwarze Getöse von „Tuskegee“. Aber alles mit einer klaren Handschrift und sehr tight und spielfreudig dargeboten, kamen auch Musikgourmets auf ihre Kosten. Dabei stets mit genug Fuß auf dem Pedal, um ein richtiges Metalbrett loszutreten. Drummer Marco Von Allmen pendelte ebenfalls mühelos zwischen fein lockerem Groove und Geballer.
Das Wechselbad der Gefühle riss komplett mit und ließ einen nie zum Atmen kommen, Sölvesborg ging richtig steil dazu. Zwar stand das selbstbetitelte zweite Album etwas im Vordergrund, doch wurde von jeder Veröffentlichung etwas gespielt und ein paar Vorgeschmäcker vom kommenden Langeisen „Greif“ präsentiert. So groß die Band auch gefeiert wird derzeit, Rockstargehabe war ihr völlig fremd. Am Ende fragte Gagneux brav, ob es gefallen hat, um für diejenigen, denen es nicht gefallen hat ironisch nachzuschicken, dass sie STEEL PANTHER wären, Humor haben sie auch.

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THE DARKNESS (Festival Stage)
Hair Metal und ähnliche Spielarten sind in der Norje Bucht immer gerne gesehen, und die Briten revitalisierten das Genre zu einer Zeit, als es komplett am Boden schien. Da strahlte die Sonne mit dem Backdrop um die Wette, welches einen irgendwo in Kalifornien wähnen ließ, aber nicht in Nordeuropa. So bunt mit viel Pink im Hintergrund die Aufmachung, so auch das Outfit der Musiker, der neongelbe Anzug von Sänger Justin Hawkins brannte im Auge.
Ganz zu schweigen vom verboten scharf aussehenden Pornobalken des Bassisten Frankie Poullain inklusive Lockenpracht. Bei den bunten Vögeln würde selbst ein Brusthaartoupet nicht wundern, auf NESTOR am Vortag wurde locker einer drauf gelegt, aber wenn man nach STEEL PANTHER auf die Bühne muss, sollte man nicht zu blass ausschauen. Naja, das Genre spricht für sich lediglich Hawkins-Bruder Dan fiel mit THIN LIZZY-Shirt und Lederjacke aus dem Rahmen, oder blieb je nach Lesart drin.

Definitiv aus dem Rahmen fiel das Bühnengebahren, normales Klatschen als Animation schien dem Frontmann zu wenig oder zu gewöhnlich. So machte er einen Handstand und klatschte mit den Füßem, an Akrobatik mangelte es auch sonst nicht. Tausend Wege vom Drumriser runter zu springen wäre eine gute Überschrift für die Show, mal mit, mal ohne Axt. Als Cal Cramer von THE SOUTHERN RIVER BAND, mit denen die Briten öfter touren, als Gast auf die Bühne kam, wurde er in das muntere Spielchen integriert. Bei den Hymnen wie „Givin´ Up“ oder „Get Your Hands Off My Woman“, die vornehmlich vom Debüt stammten hatte das Quartett auch keine große Mühe die Menge in Bewegung zu setzen.

Musikalisch wussten dies ebenso zu überzeugen und brachten jene Songs sehr druckvoll rüber wobei die guten alten Les Paul ordentlich röhrten, selbst der Gastgitarrist griff zu dem Modell. Während Dan Hawkins eher stoisch den Rhythmus vorgab, hielt Justin alle Fäden in der Hand, selbst die Soli nahm er in die Hand, wobei sonst sein Spielgerät gerne hinter ihm runter baumelte. Ihren größten Hit spielte er immer wieder ein, um ihn dann mit einem Auszug vom unsterblichen „Immigrant Song“ einzuleiten.
Das Luftschiff hat zwar stilistisch keinen so großen Impact hinterlassen, aber in Sachen Überlebensgröße mag sich THE DARKNESS gerne an ihnen messen. Höher als Robert Plant kommt Hawkins sicher, es ist schon unglaublich, in welche Höhe sich der Mann schrauben kann, nicht nur bei „I Believe In A Thing Called Love“. Gelungenes Entertainment am Nachmittag, dass den Blues des letzten Tages fort wehte und in „Love On The Rocks With No Ice“ seinen Abschluss fand.

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BRUCE DICKINSON (Festival Stage)
Unter der größten Bühne macht es die Legende nicht, und mittlerweile hat er jetzt schon öfter sein Stelldichein in Sölvesborg gegeben. Erst im letzten Jahr mit seinen eisernen Jungfrauen, nun also mit dem ersten Soloalbum seit fast zwanzig Jahren im Gepäck. Man durfte gespannt, um es jedoch vorweg zu nehmen, es wurden nur Stücke seiner eigenen Alben gespielt. Entschädigen tat die Darbietung mehr als genug, denn die sehr weitläufige Bühne war gerade groß genug für sein Ensemble, dass mit Dickinson reist.
Gerade die beiden Gitarristen Philip Näslund undChris Declerq waren permanente Unruheherde und standen keine Minute still. Neben den gefressenen Kilometern verdienten sie sich auch mit ausgiebigen Posen, gerade bei den starken Soli noch Zusatzpunkte. Wer meinte der gute Bruce würde ein paar versierte Mucker auflaufen lassen, die seine Vorgaben stumpf umsetzen täuschte sich gewaltig. Der Spaß an der Sache war allen Beteiligten anzusehen, da wurde mit Überzeugung und Leidenschaft gerockt.

Noch auffälliger die großartige Tanya O´Callagahn, die ihre wilden Rastas schüttelte und die dicken Saiten kunstvoll drückte. Keine Unbekannte im Geschäft, welche schon mit Größen wie DEE SNIDER und WHITESNAKE gearbeitet hat und unheimlich versiert bei teils komplexen Material agierte. Da hielt es auch Giuseppe „Mistheria“ Iampieri nicht hinter seinen Tasten, weswegen er mit Cowboyhut und Keytar vorne mit rumhüpfte. Man sagt ja, dass nur Poser die Gitarre wechseln, er wechselte sogar die Keytar. Wuchtig fiel das Soundgewand auch aus, weil mit Dave Moreno jemand an den Kesseln saß, welcher deren Energie in nichts nachstand.

So musste sich „Air Raid Siren“ mächtig strecken, um neben den jungen Wilden zu bestehen, aber er ist ja der geborene Frontmann. Seine ausufernden Kompositionen versah er mit allerhand erhabenen Gesten, dazu war er noch weiter nach außen auf der Bühne unterwegs als seine Mitmusiker. Kein Wunder, dass ihm die Fans aus der Hand fraßen, selbst wenn das Material nicht das einfachste war, gerade ohne einen Beitrag vom zugänglichen Erstling „Tattooed Millionaire“. Neben neuen Liedern war es vor allem die Phase Ende der Neunziger, als er seine Wurzeln wieder fand, welche das Programm diktierte, darunter die Titeltracks der beiden Scheiben.
Mit „Faith“ gab es auch einen Beitrag vom umstrittenen SKUNKWORKS-Dreher. Außerordentlich gut bei Stimme erwies sich BRUCE DICKINSON obendrein, wusste mit seinem Umfang jede einzelne Note genau zu dosieren, und so die Inhalte sehr glaubwürdig und emotional zu transportieren. Selbst von Instrumenten konnte er die Hände nicht lassen und unterstützte seine Truppe bei den teilweise außergewöhnlichen Klängen am Theremin, bei dem er ebensolche Leidenschaft bewies. Obwohl die Lieder nicht ganz so bekannt waren, fanden sie viel Anklang beim Publikum, gerade weil sie von einer begeisternden Truppe eingezockt wurden, die zudem länger zusammen zu spielen schien als nur auf der Tour.

Zum ganz großen Epos wuchs „Tears Of The Dragon“ heran, Näslund pendelte zwischen zerbrechlicher Klampfe und den weiten Riffs des Refrains hin und her, bei dem der Sänger alles aufbot. In „Rain On The Graves“ fand er dagegen Unterstützung vom Hard Rock-Chor Stockholm, welche am letzten Tag ein paar Bühnen unsicher machten. Mit dem in schwarz-weiß gedrehten Filmchen konnte auch die Videoleinwand hier richtig Akzente setzen und die Atmosphäre perfekt mittragen. „Road To Hell“ beendete einen phantastischen Auftritt, der am Ende nichts vermissen ließ, da er vor Musikalität nur so strotzte.

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HAMMERFALL (Rock Stage)
Gefühlt bei jedem zweiten Besuch des SwedenRock konnte ich die Power Metal-Erneuerer live erleben, was sich beim Nachrechnen tatsächlich arithmetisch als korrekt heraus stellte. CANDLEMASS hatte ich viermal, SAXON und URIAH HEEP je drei, die Göteborger haben hier die Nase vorn. Wer den Fünfer kennt, weiß, dass hier der Stahl heiß geschmiedet wird, dank der von den Vortagen noch übrigen Feuersäulen wurde es richtig heiß, zumal noch die Sonne schien. Das machte Joacim Cans bei seinen Ansagen klar, in denen er keine Balladen versprach, sondern nur volles Rohr.

Das Versprechen hielt schon der Opener, der wie vieles von den neueren Scheiben stammte. Das zeigte wie relevant die Herren heute immer noch sind, auch wenn sie von manch Konkurrenten erfolgstechnisch überholt wurden. Wobei ich das ein oder andere Schmankerl vom Erstling doch vermisst habe. Nun ist das bei einer solchen Truppe wenig problematisch, weil sie die musikalischen Direktiven (fast) immer gehalten haben und wie angekündigt weiter in den Gewässern segeln. Da setzte man lieber auf Stücke vom noch unveröffentlichten „Avenge The Fallen“ und bekam den selben Applaus.

Zu einem kam sogar ein Chor aus Gewinnern eines Contests auf die Bühne, deren Beiträge für die kommende Veröffentlichung mitgeschnitten wurden. So rasant wie das Material gab sich auch die Formation, welche richtig Meter machte auf den Brettern. Oscar Dronjak warf sich in alle erdenklichen Posen, riss immer wieder seine Axt hoch und entledigte sich später seiner Rüstung. Ihm ist der Spaß einfach anzusehen, was er mit HAMMERFALL geschaffen hat, das Meer an geschüttelten Matten und gereckten Fäusten sichtlich genießend.

Während dieser es sich eher auf den Risern bequem machte zog es seinen Frontmann und langjährigen Partner Cans immer wieder nach vorne auf die Rampe, wo er gefeiert wurde. Hatte er früher etwas mit seiner Stimme zu kämpfen saß sie an dem Tag selbst in den hohen Lagen, dazu gewann er mit seinem freundlichen Gemüt alle Sympathien. Kein Wunder, dass nicht nur der Chor auf der Bühne, sondern auch davor mächtig Alarm machte.
Nach vorne begleitete ihn immer gerne Pontus Norgren, der dort seine Soli mit Leidenschaft darbieten durfte. Dafür überließ ihm der Sänger auch gerne mal den Platz alleine an der Front, den er auszufüllen wusste. Ab und an waren auch alle bis auf den hinten vehement antreibenden Drummer David Wallin dort unterwegs. Am Ende sorgten die Festivalhymne sowie der größte Hit für das umjubelte Finale einer der ehrlichsten Arbeiter im Heavy Metal.

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Setlist HAMMERFALL:
Brotherhood
Any Means Necessary
Heeding The Call
Hammer Of Dawn
Blood Bound
Renegade
Hammer High
Last Man Standing
Let The Hammer Fall
The End Justifies
One Against The World
(We Make) Sweden Rock
Hail To The King
Hearts On Fire

ALICE COOPER (Festival Stage)
Da war der Meister des Schock Rock eine andere Hausnummer, auch wenn sein Ensemble ebenfalls aus Arbeitstieren auf der Bühne bestand. Doch da war einfach mehr Glam – und Showfaktor, alleine die Posen der Saitenfraktion würden ein ganzes Lehrbuch füllen. Chuck Garric wippte sein Langholz hin und her, während er tief gekniet mit Rücklage eine unfassbare Lässigkeit versprühte.
Wo er nur lange Koteletten am Kopf hat, überboten sich die männlichen Sechssaiter mit ausgefallenen Hutmoden. Die breite Batschkapp von Ryan Roxie kennt man ja, aber im Verlauf der Show schien er den Federhut von Tommy Henriksen übertrumpfen zu wollen. Nicht nur hierbei hatten alle riesigen Spaß, sondern auch an den coolsten Gesten im Business.

Mittlerweile ist diese Backingband ein eingespieltes Team und durfte auch die letzte Scheibe ganz alleine mit erschaffen. So geschlossen traten sie auch auf und fuhren einen dichten Sound, der rockte und groovte ohne Unterlass. Bei so einem intakten Bandgefüge gönnt jeder dem anderen seine Soloparts, die ausgiebig genutzt wurden selbst von Schlagzeuger Glen Sobel, mehrmals war die Begleittruppe alleine auf der Bühne.
Am meisten bekam natürlich Nita Straus ab, die wie immer eng angezogen den ultimativen Blickfang stellte. Doch nicht nur ihre mitgebrachten optischen Reize, sondern vor allem ihre feurige Spielweise bescherten ihr Szeneapplaus. Ein Wirbelwind, die sich gemäß dessen Bewegungen öfter um die eigene Achse drehte, dabei ihr Arbeitsgerät mitkreisen ließ und dabei nie den Kontakt zu den Fans verlor.

Mit den Leuten im Rücken konnte sich der gute Alice natürlich gänzlich auf seine Show konzentrieren, die mit zwei Treppen eher spartanisch anmutete. Doch die Dinger entpuppten sich als bei genauerem Hinsehen als wichtige Showelemente. Oft tauchten durch geschicktes Spiel mit dem Licht die Musiker nach dem Umziehen dort oben wieder auf, ohne dass sie jemand bemerkt hätte. Da die Dinger noch fahrbar waren, konnte man auf deren Rückseite so allerhand aufbauen, dass sich beim Umdrehen als Kulisse eignete, sei es die Guillotine oder die Flaggen beim Klassiker, der die Fans jedes Mal auf´s Neue auffordert, Alice zu wählen.

Apropos der berühmteste Spoiler der Musikgeschichte, bei der obligatorischen Exekution lief endlich wieder der dafür am besten geeignete Titel. „Dead Babies“ hin, „Steven“ in allen Ehren, der ganz frühe ruhige Knaller kommt einfach am psychotischsten. Ansonsten fand sich in der Setlist wieder alles an Gassenhauern aus den Siebzigern wieder, was die originale ALICE COOPER-Band einst geschaffen hat.
Was überrascht, wie die Hair Metal-Phase immer präsenter wird im Programm. Stand dort einst nur der unverzichtbare Megahit, so finden sich mittlerweile sieben Stück aus der Ära auf der Speisekarte. Richtig appetitlich wurde es, als Cooper höchstselbst mit seinem liebsten Haustier um den Hals auf der Bühne spazieren ging. Die Phase nach dem ersten Soloalbum wurde ebenso ausgespart wie die letzten Jahre, selbst von „Road“ gab es nur eine Kostprobe.

Die Fans kamen voll auf ihre Kosten und holten aus ihren Stimmbändern raus, was noch rauszuholen war. Leider litten diese nicht nur unter den Strapazen der letzten Tage, sondern auch unter dem einsetzenden Regen, der zum Glück in Sachen Heftigkeit das Gelände noch verschonte. Der Atmosphäre tat dies indes keinen Abbruch, es hätte aber auch noch drei Stunden warten können. Auf der Bühne schien das ebenfalls niemand etwas auszumachen, die Formation überbot sich damit am weitesten vorne an der Rampe zu sein.

Mittendrin der Altmeister, welcher mit seiner Präsenz die Bühne alleine hätte füllen können. Die gesamten neunzig Minuten stolzierte er umher, fand oft den Weg zu neuen Requisiten, schwang seinen Stock und war außerordentlich gut bei Stimme. Eine ALICE COOPER-Konzert liefert einfach immer die Vollbedienung aus Showelementen, bei denen die Familie der Legende mitwirkte, und großartigen Hymnen. So baute man eine der größten der Geschichte in den ultimativen Rausschmeißer mit ein, was die Stimmbänder endgültig zerfetzte.

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Setlist ALICE COOPER:
Lock Me Up
Welcome To The Show
No More Mr. Nice Guy
I´m Eighteen
Under My Wheels
Bed Of Nails
Billion Dollar Babies
Snakebite
Be My Lover
Lost In America
Hey Stoopid
-Drumsolo-
Welcome To My Nightmare
Cold Ethyl
He´s Back (The Man Behind The Mask)
Poison
Feed My Frankenstein
-Guitarsolo-
Black Widow
The Ballad Of Dwight Fry
Killer
I Love The Dead
Elected
School´s Out/Another Brick In The Wall

AVANTASIA (Rock Stage)
Da jetzt noch einen drauf zu legen und den Schlusspunkt zu setzen, war fast unmöglich. Tobias Sammet hat zumindest das Selbstvertauen, sich dieser Aufgabe anzunehmen. Dabei dürfte die Logistik für den Gig schon einiges erfordert haben. Für eine Handvoll Konzerte flog er einige internationale Stars ein, die alle ihre Termine koordinieren müssen. Es ist erstaunlich was aus dem einstigen Nebenprojekt erwachsen ist, wenn der EDGUY-Sänger ruft kommen sie alle, auch die Zuschauer. In dem Fall harrten sie beim nun immer heftiger werdenden Regen eisern aus, was dem guten Tobi bestens gefiel.

Natürlich überzog er etwas mit den Lobhudeleien, zwischen jedem Song der Sermon, ebenso das Bekunden der Liebe zu Schweden, das seine Karriere angeschoben hätte. Humor bewies er auch, indem er den Zuschauern erklärte, dass der Niederschlag gegenüber Deutschland noch harmlos sei, geändert hat sich daran bislang herzlich wenig. Abgesehen davon waren seine Entertainerqualitäten wie gewohnt sehr hoch, er schien um jeden einzelnen Zuschauer zu buhlen und war um große Gesten ebenso nie verlegen. Stimmlich hatte er ebenso klar die Führung, trotz der vielen Meter bei der Witterung kam das sehr kraftvoll.

Nach dem Intro mit „Spectres“ eröffnete „Reach Out For The Light“ den Reigen, bei dem SEVEN SPIRES-Chanteuse Adrienne Cowan gut mit Sammet harmonierte. Sie war ebenso im Background zu finden wie Chiara Tricarico, die bisher noch nicht so groß in Erscheinung getreten ist und „Farewell“, den zweiten Auszug vom Debüt veredelte. Dazwischen der erste von zwei Auftritten der PRETTY MAIDS-Röhre Ronnie Atkins, dem seine Krankheitsgeschichte keineswegs anzusehen war, wobei bei „Let The Storm Descend Upon You“ noch Geoff Tate und Backgroundsänger Herbie Langhans mit an Bord waren.

Gerade der Auftritt von Tate bei „Alchemy“ war herrlich exzentrisch, mit getönter Brille und sehr weitkrempigen Hut sah der frühere QUEENSRYCHE-Mann aus wie die Hipster-Variante von J.R. Ewing. Dazu konnte er jeden einzelnen Ton so genial phrasieren, dass einem die Nackenhaare standen. Von den einheimischen Anhängern frenetisch gefeiert stand da Tommy Karevik von KAMELOT im düsteren „Dying For An Angel“ wenig nach.
Doch einer überschattete sie alle, bereits als seine Stimme in „The Story Ain´t Over“ zu hören war und er noch tief hinten auf der Bühne stand überzog einen ein warmer Schauer. Zum Glück kann die Stimme und diese opulente Gestik von Bob Catley bei AVANTASIA weiterleben. Als er vorne auf dem Steg beim guten Tobi angelangt war, hatten viele Tränen in den Augen. Fast schade, dass diese Formation mittlerweile so viel eigenes Material hat, ein Cover zu Ehren des großen Tony Clarkin wäre genial gewesen.

Bei Finale mit dem Medley „Sign Of The Cross/The Seven Angels“ standen dann alle auf der Bühne und mischten sich auch unter die gut aufgelegten Musiker. Sascha Paeth und Arne Wiegand hielten sich zwar konsequent auf ihren Positionen, die Spielfreude war ihnen dennoch anzusehen. Speziell der ehemalige HEAVEN´S GATE-Chef hatte links mit Bassist Dirk Schlächter viel zu lachen. Gemeinsam mit EDGUY-Kumpel Felix Bohnke an den Kesseln und Tastenmann MiRo webten sie einen dichten Sound, der so wuchtig war wie das Bühnenbild. Definitiv ein Ende des SwedenRock 2024, an das man sich erinnern wird.

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Fazit:

Abgesehen von den letzten eineinhalb Gigs hätte das Wetter nicht besser sein können. In den Wochen davor regnete es viel, die Tage vorm Festival muteten fast mediterran an. Doch bis auf minimale Nieselschauer war es ein gesunder Mix aus Sonnen und Wolken mit idealen Temperaturen von 22 oder 23 Grad. Nun können die Veranstalter – zum Glück – nichts zu dem Wetter, aber verdient haben sie es allemal für all ihre Mühen, so etwas auf die Beine zu stellen. Dazu trug auch wieder das begeisterungsfähige und sehr umsichtige Publikum bei, da wurde selbstverständlich darauf geachtet, dass alle gut sehen und kleinere Personen oder auch unsere Fotografin vorgelassen.

Wobei im Vorfeld das polizeilich angeordnete Taschenverbot schon sauer aufstieß, gerade weil er eher kurzfristig kommuniziert wurde. Ich verstehe die Hintergründe beim Thema Sicherheit, aber hier klafft eben wieder die Lücke zwischen Sicherheit und Annehmlichkeiten. Wäre das Wetter nun schlechter gewesen, hätten viele Menschen gerne Regenzeug mitgenommen, was eben nur schwerlich geht ohne Aufbewahrungsmöglichkeit. Vor dem Gelände waren zwar Schließfächer, davon aber zu wenig. Dazu habe ich keine Informationen, ob die verbreitete WiFi-Schließapp funktionierte, im Pressebereich streikte sie.

Seltsam auch, dass Klappstühle in der Tasche mit reingenommen werden durfte, wobei man wohl nicht allen Luxus verbieten wollte. Die fanden sich vor allem zwischen Festival – und Rockstage zu Hauf wieder, wo sich Reihen wie im Kino bildeten. Es wurde freundlich darauf hingewiesen, diese bitte nicht im Frontbereich zu verwenden. An der Sweden Stage und oben vor der Blåkläder Stage standen auch immer viele herum, da beide Bühne unterhalb des kleinen Hügels am Eingang liegen und man auch im Sitzen gut einsehen konnte. Komfort steht hier für die Besucher im Vordergrund, zumal das Publikum ohnehin zu den Entspanntesten der gesamten Szene gehört.

Großartig, immer kurze Wege halten zu können trotz der Größe von mittlerweile auch schon 40.000 Zuschauern. Zwar ist auf der einen Seite das Meer, aber an den restlichen Seiten gehen die Campingplätze und auch viele Ferienhäuschen um das Gelände herum. Dazu alles aufgeteilt in Plätze, wo man am Auto zelten kann, wo man nur ohne Auto rein darf, ein reines Motorradcamp, reine Wohnwagencamps, alle mit ausreichend Duschen versehen. Dazu mit dem Norje Boke Camp und Alesunds Camping noch zwei offizielle Ganzjahrescampingareale. Auch innerhalb muss man nie weit laufen, die Bühnen sind sinnvoll verteilt.

Ebenso gut verteilt sind die Toiletten, wobei es im Gelände selbst ausschließlich Spültoiletten gibt, an denen aufgrund der großen Zahl wenig Andrang gibt. Wobei die ganz eiligen es an einem Toilettenbereich abseits der gerade bespielten Bühne versuchen sollten. Daneben auch ebenso ausreichend Möglichkeiten sich die Hände zu waschen, wobei weder Seife noch Toilettenpapier ausgehen. Das Personal ist sehr umsichtig, auch bei der Müllbeseitigung, die immer nach einem Konzert erfolgt, wenn die Bereiche vor der Bühne verlassen sind, weil die Musik im wahrsten Sinne des Wortes woanders spielt.

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Zum Wohlergehen gehört natürlich auch die Verköstigung, und die ist in Sölvesborg absolute Spitzenklasse. Im VIP-Bereich geht das bei einigen Ständen schon in Restaurant-Nähe, die Qualität ist überall hoch. Nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Geländes finden sich mehrere Reihen an Food-Angeboten, bis runter zur Strandbar des Norje Boke Camps, die in den Tagen von Rockfans übernommen wurde.
Geboten wird eigentlich alles, was auf dem Planeten verfügbar wäre, und nicht nur Burger, Pommes und Pizza, davon aber auch in allen erdenklichen Ausführungen. Letzteres in allen erdenklichen Größen bis hin zu einer kompletten in der Schachtel. Überhaupt sind innerhalb eines Cateringunternehmens auch viele Variationen möglich, Nudeln gibt es in unterschiedlichen Portionsgrößen mit mehreren Soßen zur Auswahl.

Dazu Langos, asiatische Küche jeder Coleur, weitere mediterrane Spezialitäten, einheimische Küche wie Kroppkakor, mexikanisch und mehr Fleischsorten auf dem Döner als die meisten Open Airs Dönerbuden haben. Neben dem Raucherbereich gibt es die Smoke Area, wo sich Grill an Grill reiht, in Sachen Würste können sich die Schweden aber von den Deutschen noch etwas anschauen, die ebenfalls dort vertreten sind.
In der seit letztem Jahr neuen Weinlounge werden Smoothies angeboten, damit kommt man meinem Wunsch nach frischem Obst ein Stück näher. Dazu viele Mischgetränke in Dosen oder Plastikbehältnissen. Sicher ist Plastik beim Bier nicht die beste Wahl, aber nicht anders zu machen auf so einer Veranstaltung. Mittlerweile hat man mit Hauptsponsor Pistonhead nur noch einen Anbieter, der auch größere Mengen alkoholfreies ansetzt.

Wer sich die Festivalberichte oben aufmerksam durchgelesen hat wird feststellen, dass Vielfalt nicht nur bei der Essensauswahl, sondern ebenso bei der Musikauswahl breit macht. Alles, was die Rockmusik zu bieten hat, findet dort statt, in den letzten Jahren öffnete man sich zusätzlich ein wenig in die modernere Richtung. Klangtechnisch und vom Licht ist das bis auf wenige Ausnahmen oberstes Niveau. Dazu kommt, dass viele Gruppen ihre komplette Produktion oder sogar noch größer fahren können.
Die langen Spielzeiten und Changeovers ermöglichen logistisch viel, man denke nur an einige Szenarien der Latenightshows. Der noch offensichtlichere Vorteil der langen Spielzeiten ist natürlich die Möglichkeit für die Bands mehr als nur die Hits liefern zu können. Zudem wurden die Sichtverhältnisse weiter verbessert, indem sämtliche Aufbauten zwischen Rock – und Festivalstage verschwunden sind. Dass die FOH nicht mehr direkt an der Frontfield-Absperrung sind erhöht die Beweglichkeit auf dem Gelände.

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Das größte Lob hebe ich mir wie immer für die Security auf, die erneut einen super Job mit ungeheurer Lässigkeit verrichtet hat. Wenn man den Vizechef Conny Olsson entspannt beim Headliner an die Boxen angelehnt beobachtet, spürt man die Freude darüber wie reibungslos alles abläuft. Daran haben er und sein Team einen großen Anteil, weil sie die Zuschauer respektieren und sie auf deren Bedürfnisse eingehen anstatt nur den Aufpasser zu spielen. Anreichen von Wasser wäre schon erwähnenswert, die Truppe hat zudem ein Auge wer welches benötigt und bieten es entkräftet wirkenden Zuschauern ganz bewusst an.

Ganz besonders wird auf diejenigen geachtet, die den ganzen Tag ausharren, um beim Headliner den besten Platz zu haben, die Sicherheitskräfte stellen sicher, dass sie nicht verdrängt werden. Viele sind selbst Fans und wissen sehr genau wie die Menschen vor der Bühne auf der anderen Seite der Absperrung ticken. Das bemerkt das Publikum über Jahre, mittlerweile ist da eine Einheit gewachsen, die kaum mehr Worte benötigt, jeder weiß, was erlaubt ist und was nicht geht. Oft ertappt man die Ordner dabei wie ihnen besonders enthusiastische Fans zu Herzen gehen, hier wird auch bewusst jedem seinen Spaß gelassen.

Es sind ja auch oft die selben Gesichter, die man über Jahre kennen gelernt hat. Sven von der Rockstage begrüßt unsere Left-Corner-Society wie alte Freunde, der Mann hat etwas väterliches, dass man sich als Zuschauer bei ihm gut aufgehoben fühlt. Fachsimpeln über Musik lässt sich ebenfalls mit den Damen und Herren, der Headsecurity der Blåkläder Stage fragt auch mal nach, was für ein Publikum bei der kommenden Band zu erwarten sei. Johan kenne ich nun schon zehn Jahre in verschiedenen Positionen, man schätzt sich, seine Freude am Umgang mit den Menschen dort ist immer noch greifbar.

Hendrik von der Sweden Stage wirkt nach außen wie ein harter Hund, aber das muss auch manchmal sein, damit die Anweisungen umgesetzt werden. Stets um das Wohlergehen aller bemüht, wird er bei einem Pit immer unruhig, schaut von der Stufe der Absperrung herunter, ob alles fair zugeht und lässt dann gewähren. Als Billy Graziadei von BIOHAZARD sich unter die Leute begab, bekam er wohl erhöhten Puls und eilte raus, damit sich der Gute ja nicht verletzt. Später quittiert er die Szene mit einem Lächeln, ein Lächeln, dass er auch für die übrig hat die auf den Schultern sitzen, bevor er sie leider runter bitten muss.

Dabei sind viele keine ausgebildeten Sicherheitskräfte, die findet man eher bei den über das Festival flanierenden Ordningsvakt, die aber trotz Uniform ebenso unprätentiös wirken. Vor der Bühne finden sich viele Volontäre, die als freiwillige Helfer dabei sind, wie auch die Reinigungskräfte oder viele Cateringmitarbeiter. Das eingespielte Team wusste neue Leute wie Anette von der Sweden Stage gut einzuweisen, damit alles reibungslos verläuft. Auch wenn die Wechsel der Positionen im Graben mit fast militärischer Präzision ausgeführt werden, kommt der Spaß an der Sache nicht zu kurz. Ob auf der Bühne oder vor der Bühne auf beiden Seiten des Zauns überall nur fröhliche Gesichter, das ist mein SwedenRock!

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Alle Fotos von Emily Adestedt wenn nicht anders vermerkt.

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