VOGELFREY
Mailer vom 14.12.10
Interviewpartner: Jannik (voc.)
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www.feenfleisch.de
www.myspace.com/vogelfrey
FFM-Rock:
Hi Jannik, erst einmal meinen Glückwunsch zu eurem großartigen Debütalbum „Wiegenfest“, welches für mich eins der besten des Mittelaltersektors ist.
Sag mal, warum habt ihr euch ausgerechnet für Mittelalter Metal entschieden?
Jannik:
Moin, moin! Wir selber sehen den musikalischen Schwerpunkt bei uns gar nicht so sehr im richtigen Mittelalter-Bereich. Als wir uns vor über sechs Jahren gegründet haben, kam das Interesse an der Musikrichtung zwar schon von dieser Kombination aus historischen und moderne Elementen, aber unser Ziel ist es eigentlich die Grenzen des Üblichen in diesem Genre zu erweitern. In unseren Augen liefert diese Richtung die Grundlage für vielseitige stilistische Entfaltung und ist noch weit davon entfernt ausgeschöpft zu sein. Außerdem gefällt uns dieses Märchenhafte und Verschrobene. Textlich bewegen wir uns schon meistens in mittelalterlichen Gefilden, aber wir machen da keine Regel draus. Es gibt auch Heine-Vertonungen von uns und das ist ja nun nicht wirklich Mittelalter ;). Musikalisch haben wir uns nun darauf verlegt das Ganze „Folk Metal“ zu nennen, weil das noch am Ehesten unser tatsächliches Klangbild beschreibt. Mittelalter ist für uns ein Stilmittel und eine thematische Quelle, nicht die musikalische Hauptausrichtung. Bei Mittelalter-Metal denkt man gleich an Dudelsäcke, Drehleiern und sowas, alles Instrumente, die bei uns nicht vorkommen. Ich finde die Genrebezeichnung sowieso schwammig, weil viele damit schon „In Extremo“ meinen. Vergleicht man deren Musik z.B. mit „Ingrimm“, wird glaub ich schnell deutlich, wo das Metal hinter'm Mittelalter eher passt. ;-)
FFM-Rock:
Wenn ich mal so das Rechnen anfange, war bei Gründung der Band euer jüngstes Mitglied gerade mal 13 Jahre alt und euer ältestes 18 Jahre. Das klingt ja ziemlich nach einer Schulband. Erzähl doch mal ein wenig über eure Entstehungsgeschichte.
Jannik:
Zum Zeitpunkt der Bandgründung im Frühjahr 2004, war ich gerade 15 geworden und hatte mit meinem Bruder Dominik (Drums) – das ist der damals (fast) 13-jährige im Bunde – im Herbst davor die Idee gehabt, die Band zu gründen. Wir haben dann im Winter begonnen Musiker um uns zu scharen, wobei ich auch Chris (Bass) kennengelernt hab. Die anderen Gründungsmitglieder sind mittlerweile aus verschiedensten Gründen nicht mehr dabei. Als nunmehr dritter Mann an der Axt klärte sich mit Dennis 2005 endlich die Gitarristenfrage und wir spielten mit unserer damaligen Geigerin Eva unser erstes Konzert 2006 als Quintett. Dabei fällt natürlich auf, dass wir uns erstmal zwei Jahre im Proberaum vergraben haben. Das hängt mit den vielen Formationswechseln zusammen, die es am Anfang gab, aber auch mit dem Wunsch eben nicht wie eine Schulband anzufangen, sondern gleich ein cooles erstes Konzert auf die Bretter zu bringen. Kurz nach dem ersten Gig beschlossen wir unseren Sound zu vertiefen und Johanna am Cello in die Band zu holen. Dann folgten Jahre der Konzerte und kurz vor dem Beginn der „Wiegenfest“-Aufnahmen 2009 der hoffentlich letzte Wechsel, in dessen Zuge Alex die Geige übernahm.
FFM-Rock:
Nach nun gut sechs Jahren als Band habt ihr ja sicherlich mehr Songs geschrieben, als auf „Wiegenfest“ gelandet sind. Wie kam es zur Zusammenstellung dieser CD? Was war euch wichtig bei der Produktion?
Jannik:
Da gab's verschiedene Kriterien. Wir haben überlegt welche Songs wir selber als am Stärksten empfunden haben, welche auf Konzerten gut rüberkamen und welche in unseren Augen einfach explizit nur auf's Debut kommen konnten. Wir haben mit „Heldentod“ und „Puella Rufa“, zwei der ersten Vogelfrey-Songs überhaupt aufs Album gepackt. Für die wäre es auf dem zweiten Album einfach echt zu spät gewesen. Es sind ja, wie man hört, zwei ziemlich klassische Mittelalter-Rocksongs. Wir legen viel Wert auf Individualität und wollen nicht die tausendsten Wiederkäuer unserer Vorreiter sein, was man sicherlich den meisten Songs auch anhört. Das hat die Songauswahl auch mitbeeinflusst, was aber eben nicht heißt, dass wir weniger innovativen Stücken, die uns gefallen keine Chance geben wollten. Ich denke, dass sich unser individueller Stil mit jedem Album weiter ausprägen wird. Wenn es zwischendurch immer wieder ein paar Back-to-the-Roots Lieder gibt, finde ich das nicht schlimm. Man baut ja auf dem auf, was vor einem passiert ist, das ist ganz normal. Wenn man einen Song schreibt, der einem gefällt und funktioniert, dann ist das eben die Gestalt des Songs. Ich würd meinem Kind ja auch keine andere Nase ins Gesicht operieren, nur weil die der des Nachbarkindes ähnelt. Oft sind ja die einfacheren oder zugänglicheren Songs, die Schönsten. Wir wollten dem Publikum mit unserer ersten Scheibe all die Facetten zeigen, aus denen sich unser Stil so zusammensetzt.
FFM-Rock:
Wie ist den so die Rollenverteilung bei VOGELFREY? Wer ist verantwortlich für die Texte, wer schreibt die Melodien? Stell uns doch einfach mal kurz eure Band vor.
Jannik:
Chris (Bass) und ich (Stimme, Blasinstrumente, Bouzouki, Gitarre) sind bis dato neben unseren instrumentalen Aufgaben für's Songwriting zuständig gewesen. Alex, unser Geiger hat mittlerweile aber auch begonnen erste Ansätze zu schreiben, was unseren Songs sicherlich noch eine weitere interessante und neue Richtung geben wird. Er und Johanna (Cello) sind beide neben Vogelfrey auch in Orchestern tätig und studieren historische Musikwissenschaft. Generell können wir als Band sehr davon profitieren, dass wir fast alle musikalische Studiengänge oder dergleichen verfolgen. Dennis studiert systematische Musikwissenschaft (Iigitt! Mit Physik und Mathe!;), Chris und ich sind an einer Berufsfachschule für Musik. Das alles zusammen bringt natürlich verschiedenste musikalische Ansätze und Perspektiven in die Band. Wahrscheinlich eine der Ursachen für unsere Freude am Stilmix.
FFM-Rock:
Ich war ja beim diesjährigen Celtic Rock Open Air auf der Burg Greifenstein Zeuge eurer Livequalitäten und bin seither ein großer Fan. Daher habe ich natürlich viel im Netz gestöbert, was VOGELFREY betrifft. Dabei habe ich ein Video gefunden, in dem ihr mit CUMULO NIMBUS und INGRIMM „Seek&Destroy“ von METALLICA zum Besten gegeben habt. Wie kam es denn dazu?
Jannik:
xD Oh Gott! Das war echt eine Nummer für sich. Wir waren im Frühjahr 2010 mit den Jungs und Mädels auf Tour und in der „Pumpe“ in Kiel war dann quasi das Tourfinale. Da musste natürlich irgendwas Ungewöhnliches passieren und so kam im Vorfeld die Idee auf einen kollektiven Song zu spielen. Einer hatte dann die Idee mit Metallica und alle waren einverstanden (der Song hatte halt drei Strophen für die drei Frontmänner, passte also gut und kennt auch jeder). Man darf aber jetzt nicht denken, dass wir das vorher irgendwie geprobt hätten oder so. Während Ingrimm auf der Bühne waren, saß der Rest oben und guckte sich nochmal den Ablauf an oder in meinem Falle Text und das war's dann aber auch. Unser Trommler Dominik kannte den Ablauf dann auch nicht wirklich, wie man auf dem Video an den langen Pausen und den wild gestikulierenden Gitarristen bemerken kann. Aber scheißegal, war megalustig! Oder wie unser Soundtech Mac sagte „Gotteslästerung“. :-)
FFM-Rock:
Sind METALLICA für euch musikalische Vorbilder? Welche musikalischen Vorlieben habt ihr eigentlich?
Jannik:
Johanna spielt gern Metallica auf dem Cello... irgendwie scheint das Cellisten magisch anzuziehen ;). Dennis fand die glaub ich vor allem früher ziemlich geil, aber richtige Fans gibt’s bei uns glaub ich nicht. Chris und ich finden das „Black Album“ cool, stehen aber nicht so auf das thrashige Zeug (ja, los steinigt uns!). Melodic Death Metal spielt noch eine recht große Rolle bei uns. Dennis und ich spielen neben Vogelfrey noch in der Band „Neverdead“ und Chris bei „Uncreation“. Generell ist unser Musikgeschmack recht weit gefächert, aber mit klaren Metaltendenzen.
FFM-Rock:
Nun, nach Veröffentlichung eures Debütalbums, darf man da mit einer kleinen Tour rechnen? Und wenn ja, wird euch euer Weg auch ins Rhein-Main Gebiet führen?
Jannik:
Das wird sich noch zeigen. Momentan gibt es da noch nichts, was wir wirklich veröffentlichen können. Wir haben uns aber ganz klar vorgenommen, es 2011 ordentlich krachen zu lassen. Ich würde dem geneigten und interessierten Leser empfehlen ab und an auf unserer Page vorbeizuschauen (www.vogelfrey.net).
FFM-Rock:
Wie gesagt, ich durfte schon an einem eurer Konzerte teilhaben, aber erkläre doch bitte unseren Lesern, was einem so auf einem VOGELFREY Gig erwartet.
Jannik:
Zunächst einmal zünftige Folklore auf der reichhaltigen Basis von treibenden Rock- und Metalriffs. Hier ein Tatsachenbericht der uns verfolgenden Häscher:
>>6 geächtete Vaganten, einer sitzt hinter seinen Trommeln und schickt Donner und Blitz in die Menge, 5 stehen, behangen mit Instrumenten davor und schütteln die Haare als gäbe es kein morgen. Selbst das Weib mit dem Cello denkt gar nicht daran den Komfort eines Hockers zu nutzen. Ein Bursche in Schnabelstiefeln schmeißt seine Flöte beiseite, wenig darauf bedacht das Material zu schonen und stimmt einen kehligen Kriegsgesang an, begleitet von seinen saitenschlagenden Kumpanen zur Rechten und zur Linken. Derweil starrt der allem Anschein nach geistig unsortierte Violinist mit bohrendem Blick ins Publikum. Der Schall verdichtet sich und Stille folgt dem Schlussakkord. Mit dem aufsteigendem Applaus verflüchtigt sich die martialische Aura und es zaubert sich ein breites Lächeln auf die 6 Gesichter. Der eben noch faustschwingende Sänger ruft das Volk zum Tanzen auf und beginnt sich selber im Rhythmus des anschwellenden Liedes zu bewegen. Es sieht seltsam aus.<<
Wir versetzen uns in der Regel so gut es geht in das Thema unserer Lieder. Wir sehen aber das meiste mit einem Augenzwinkern, gerade so kriegerische Lieder. Natürlich bedienen wir des vollen Arsenals an Poser-Gesten, bangen und propellern was das Zeug hält. Wir nehmen uns dabei aber nicht so bierernst, es hat eher etwas Darstellerisches, macht Spaß und sieht gut aus. Irgendjemand hat mal geschrieben, dass wir wie ne Horde wildgewordener Hobbits rüberkommen. Faszinierend...;-)
FFM-Rock:
Was plant ihr für die Zukunft? Was denkt ihr, wohin die Reise noch gehen wird?
Jannik:
Also das endgültige Ziel ist die vogelfreye Weltherrschaft. Wir sehen das ganze aber realistisch und wissen, dass bis dahin noch etwas Zeit verstreichen kann. Bis dahin wollen wir auf jeden Fall wie sich das gehört von Bühne zu Bühne reisen, unsere Botschaften auf einer Reihe von Silberlingen unter's Volk bringen, als Band in dieser Formation zusammenbleiben und das Ausland erkunden. Und wir wollen nach Wacken.
FFM-Rock:
Da ich dir nicht länger deine kostbare Zeit rauben will, möchte ich noch eine einzige Frage stellen, die wir jeden Interviewpartner unterbreiten. Gibt es die eine oder andere lustige Anekdote aus eurem Tourleben oder aus dem Proberaum, die du hier mal preisgeben möchtest?
Jannik:
Also an erster Stelle möchte ich euch unseren Videoclip zu „Heldentod“ empfehlen, der unser Tourleben auf witzige und eindrucksvolle Weise dokumentiert. Ihr werdet uns danach auf jeden Fall mit anderen Augen sehen ;). Hier der Link:
www.youtube.com/watch?v=-leMS0ua1FU
Sehr gerne erinnere ich mich an die Aktion vom Käpt'n (Bassist von Cumulo Nimbus) beim Tourfinale in Kiel. „Ingrimm“ haben beim Song „Teufelsweib“ ja immer ein Mädel aus dem Publikum auf der Bühne, die als Teufelsweib da rumtanzt und der Käpt'n hat sich dann kurzerhand als hübsche bärtige Frau verkleidet (mit lustigen blinkenden Teufelshörnern, Kleid, Strümpfen, Perücke und allem drum und dran) und hat die Bühne geentert. Von Ingrimm wusste das natürlich keiner und es gab auch schon ein anderes Teufelsweib. Ich glaub davon gibt’s bei Youtube auch ein Video. Echt geil, wie die geguckt haben.
FFM-Rock:
Zum Schluss möchte ich dir hier noch die Möglichkeit geben, das zu erzählen, wonach ich nicht gefragt habe, dir aber noch am Herzen liegt. Sozusagen die letzten Worte an unsere Leser.
Jannik:
Zum Ersten: Bleibt neugierig! Gute Musik liegt gerne mal im unübersichtlichen Wald der Underground-Bands verborgen.
Zum Zweiten: Schreibt uns doch mal ins Gästebuch und meldet euch bei Interesse in unserem Forum an.:-)
Zum Dritten: Es gibt Feenfleisch!!!
FFM-Rock:
Vielen Dank für das Interview, viel Erfolg mit „Wiegenfest“ und alles Gute für die Zukunft!
Jannik:
Vielen Dank und bis bald!