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KINGDOM COME - München, Deep Impact Festival


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Interview vom 24.07.04
Interviewpartner: Lenny Wolf (voc.)

Homepage:
www.kingdomcome.de

Interview von Mike Langer und Franky (Radio Melodic)

F-R / R M:
Lenny, erste  Frage. Was macht die Stimme?

Lenny:
Ich hoffe, dass sie heute wieder funktioniert. Warst du in Balingen? (Anm.: Bang Your Head 2004) Dann hast du das Drama ja mitbekommen. Ich war aber trotzdem heil froh, dass ich dort war. Ich hätte auch absagen können, einen auf krank machen. Das ist aber nicht im Sinne der Sache. So weit so gut.

F-R / R M:
Was erwartest du heute vom dem Gig hier auf dem Deep Impact?

Lenny:
Was soll ich erwarten? Wie immer das Gleiche. Ich hoffe natürlich, dass viele Rock’n Roll Nasen hier sind. Das es eine super Stimmung wird und ab dafür. Ansonsten ziehe ich mein Programm durch wie eh und je und es wird kommen wie es kommen soll. Fallera (lacht). Kannst du mal von links fotografieren. Ich habe ein scheiß Profil auf der rechten Seite. Von rechts sehe ich aus, als wenn ich mein Leben lang geboxt hätte. Ich habe eine fürchterlich krumme Scheißnase (alles lacht). Ich bin überhaupt nicht eitel (lacht wieder).

F-R / R M:
Ihr habt ja bis jetzt jede Menge in diesem Jahr gespielt, Schweden Rock, das  Bang Your Head und jetzt hier in München. Geht das jetzt wieder richtig auf?

Lenny:
Was da jetzt letztendlich passiert weiß der liebe Gott. Wir geben alles, soweit es Sinn macht und es machbar ist. Erst mal kommt die neue Scheibe Ende August jetzt raus. Die heißt übrigens „Perpetual“. Das ist für mich persönlich so mein Masterpeace. Ich bin da mega Happy mit. Für alle Leute, die so auf die „Twilight Cruiser“ trifft sich mit „Böse“ Ecke stehen, werden mega happy sein, was die Neue so angeht. Nicht so diese vorhersehbare „Gib Gummi Franz“ und die 500 Millionste „Do you like it“ Abteilung. Also schon sehr sphärisch die Neue. Und ansonsten tourmäßig, wir gehen halt auf Tour, wenn es irgendwie Sinn macht und der Spaßfaktor eben sichergestellt werden kann. Wir sind nicht die Band, die auf Teufel komm raus überall spielen muss. Dafür bin ich auch gerne zu Hause und bin auch ein Lebemensch. Ich habe einen Freundeskreis, der funktioniert und bedient werden will. Ein wenig Cappuccino an der Kreuzung und ein bisschen lästern gehört eben dazu. Ich will mein Leben leben.

F-R / R M:
Du sagst es gerade. Die Fans wollen ja trotzdem immer noch „Living out of touch“ und „Do you like it?“ und diese Geschichten hören. Ist das ein notwendiges Muss oder spielt ihr die Sachen noch gerne?

Lenny:
Die alten Sachen spielen wir sehr, sehr gerne, alles Pflichtprogramme! Darauf freue ich mich auch. Mit „Do you like it“ ist das nach 12 Jahren so näh, näh... Ich habe mich als Musiker weiterentwickelt, auch wenn’s vielen irgendwie nicht passt. Es gibt auch sehr viele ewig Gestrige, die halt in den alten Formaten verhaftet sind. Aber ich bin wirklich in aller Bescheidenheit Musiker, der sich weiterentwickelt hat und auch will. Das hörst du gerade bei „Perpetual“ oder aber auch bei der letzten so ein bisschen. Es gibt Fortschritte. Ich benutze nicht die Musik als Mittel zum Zweck, weil ich keinen Bock habe, früh auf zu stehen, sondern Musik gibt meinem Leben einen Sinn. Ich drücke mich extremst aus durch meine Musik und dementsprechend habe ich auch was zu sagen. Nicht nur textlich, sondern auch Musik bezogen. Ich meine, viele bleiben stehen und ziehen halt ihr Konzept A bis B ein Leben lang durch. Es gibt aber auch noch ein C und D und E und irgendwann findet sich auch ein Y (lacht). Schön gesagt, dafür habe ich auch lange gelernt (lacht wieder).

F-R / R M:
Lass uns bei den Songs, dem Sound und bei der Produktion bleiben. Wenn ich mir z. B. die gute alte „Bad Image“ anhöre, die eine bombastische Produktion hatte und dann die „Twilight Cruiser“, die sehr erdig, aber auch roher produziert ist. Ist das bewusst, ist es der Fortschritt oder sind es die Songs, die diesen Schritt verlangen?

Lenny:
Es gibt keinen Künstler, der nicht irgendwo beeinflusst ist von der Zeit, in der er lebt. Und die Zeit ist derzeit sehr schnelllebig. Jedes Jahr passiert irgend etwas anderes. Es sind viele neue Sachen herausgekommen, die ich streckenweise sehr geil finde, viele Sachen aber auch überhaupt nicht toll finde. Jeder Künstler ist beeinflusst, ob er es zugibt oder nicht. Das äußert sich in Anführungsstrichen in seiner eigenen Kunst, in seinen eigenen Werken. Ich bin aufgewachsen mit den Beatles und AC/DC, das sind meine Wurzeln gewesen. Mich hat auch sehr beeinflusst, wie neue Produktionen angegangen werden. Ich spreche jetzt als Produzent, nicht als Musiker. Wie platzierst du Instrumente? Bands wie Depeche Mode und Radiohead sind nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Gerade „Perpetual“ macht einen Spagat zwischen sehr atmosphärisch und Fick dich ins Knie. Da habe ich, glaube ich, einen guten Weg gefunden, das Ganze zu überbrücken. Ich denke mal Kingdom Come Fans werden durch die Bank weg das ein oder andere finden, worauf sie abfahren werden. Ich habe mich persönlich in aller erster Linie Happy gemacht und das ist das allerwichtigste. Im Übrigen, was ich vergessen habe zu sagen, wegen Live heute hier in München, mein Rhythmusgitarrist ist in Mexiko und heute greife ich selbst zur Axt. Wenn ich daneben haue, sage es bitte keinem (lacht).

F-R / R M:
Wenn man sich durch deine Biografie so liest, ist das musikalische Leben vom Lenny Wolf sehr bewegt. Was ist dir heute 2004 als Musiker wichtig?

Lenny:
Du, das klingt alles mal wieder unglaublich blah. Ich sag dir, wenn du ein funktionierendes Umfeld hast, du bist gesund und darfst von der Musik leben, mehr geht nicht. Du kannst dem Herrgott nur jeden Tag danken. Man darf sich auch nicht messen an anderen Bands, die mehr Erfolg haben, als wir momentan. Erfolg heutzutage hat nichts mit Qualität zu tun, sondern sehr viel mit Glück. Mit den richtigen Kontakten, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Was das mit den Kontakten angeht, hat es bei Kingdom Come in den letzten Jahren ein bisschen gehapert, weil ich eben auch ein sehr schlechter Diplomat bin. Ich bin, wer ich bin. Entweder wir sind dicke Kumpels oder Fick dich ins Knie und geh mir aus dem Weg. Ich bin kein Sülzer. Ich wäre auch der schlimmste Diplomat, der frei rumläuft. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die irgendwie den Leuten nach der Schnauze reden, weil man sich ja mit allen verstehen will. Kann ich nicht! Ich bin ein ganz gerader Typ und bin auch sehr einfach. Du wirst mich aber nicht sülzen hören, du wirst auch nie ein halbflaches bla, bla von mir hören, weil es nicht mein Programm ist. Was soll ich dazu sagen? Mit jedem Jahr gibt es mehr  Kingdom Come Soldaten. In Florida gibt es einen neuen Fanclub, die drehen vollkommen durch. Ich  freue ich mich sehr darüber. Ich meine Fans, Soldat klingt doch schon wieder viel zu aggressiv für die heutige Zeit. Fans, die sich sehr verbunden fühlen mit uns und das macht mir als Musiker unglaubliche Freunde. Der einzige Weg, durch den wir uns vermitteln oder auch connecten ist eben die Musik. Die Musik verbindet halt.

F-R / R M:
Lass uns mal ein paar Songs durchkauen. Du sagst ja selbst, du drückst dich als Musiker aus. Eine Kingdom Come Nummer, die mich nachhaltlich sehr bewegt ist „Janine“. Gibt es da einen Hintergrund?

Lenny:
Das fing an mit meinem allerersten Produzenten, dem ich mein Musikerdasein zu verdanken habe, Ingo Schütte. Das war so ein kleines Micky Mouse Studio in Hamburg. Das fing an vor meiner Deutsch-CD Geschichte. Ich saß da mit einem Kumpel und wir haben da mit einer Holzklampfe so ein bisschen rumgeträllert und „da saß sie vorm Kamin, gleich nackisch die Janine“. Wir haben nur so rumgealbert und so entstand ja auch das Deutsch-Ding. Dann habe ich die „Janine“ noch mal so auf  K C Produktion mit einem englischen Text aufgenommen. Meine Texte sind alle, ich will jetzt nicht die Welt verändern, sehr persönlich. Es ist halt einer von vielen Songs. Es ist keine kosmische Absicht dahinter, oder irgendetwas. Ich freu mich, dass er dir gefällt. Viele versuchen auch immer so eine kosmische Verbindung herzustellen wie, Gott hat mich berührt, als ich Bayern auf einem Berg saß. Diese ganze Nummer will ich aber gar nicht verkaufen, weil ich melodiöse oder auch textliche Ideen hatte, wenn ich im Bett lag oder auf dem Klo saß. Das war bei „Janine“ nicht anders. Wenn wir nackt duschen, sind wir alle nackt, so ist das halt. Der eine hat Talent Computer zu bauen, der andere Brötchen zu backen, der andere halt Songs zu schreiben. Es fällt mir zu und ich bin ultra dankbar dafür. Solange bei mir die Kreativität nicht irgendwie jetzt wegsickert, werde ich Songs schreiben, bis ich umfalle.

F-R / R M:
Zum Thema göttliche Eingebungen erzähle uns was zu „Religion is no Winner“.

Lenny:
Es ist genau, was der Song sagt. Ich meine, ich würde nicht erst meine Gitarre vergewaltigen, um dann ein Buch zu lesen. Bei mir kommt erst die Mucke und dann der Text. Zumindest zu 90 %. „Religion is no Winner“ war mir ein Bedürfnis. Alle wissen, 11. September bla, bla, bla. Mich würde es nicht wundern, wenn ich jetzt in ein Anti Kriegs Klischee komme. Ich hatte einfach mal das Bedürfnis das Thema mal anzuscratschen, was ich auch auf der neuen Scheibe mit „Hang em high“ gemacht habe. Man kann sich ja auch mal bekennen zu einer gewissen Thematik, ohne gleich klugscheißen oder predigen zu müssen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Der Song und die Texte sagen alles. Wer es nicht versteht, soll die Website besuchen, wo alle erdenkliche Texte abgedruckt sind und dann kann er sich das durchlesen.

F-R / R M:
Gibt es jetzt aus deiner Sicht ein Kingdom Come Album, welches du persönlich hervorhebst, außer dem aktuellen vielleicht?

Lenny:
Also ich muss sagen, wenn du dir eine Scheibe als Gesamtwerk anschaust, ich spreche nicht von einzelnen Songs, sondern von dem Gesamtwerk, dann auf jeden Fall „Twilight Cruiser“ und „Independant“. Von der „Perpetual“ jetzt mal abgesehen. Bei den ersten drei Scheiben gibt es Mega Highlights, aber auch Songs, wo ich sage o. k. Du weißt, was ich meine. Das waren Reifeprozesse, teilweise die falschen Produzenten, ich war so jung, ich war abhängig und ich konnte mich nicht so ausdrücken. Das sind Wachstumsprozesse, weißt du? Ich habe sehr früh angefangen mit zu produzieren und es wurden dementsprechend viele Fehler gemacht. Aber ich stehe zu jedem Fehler, ich stehe zu jedem Guten, ich stehe überhaupt zu allem, was ich gemacht habe. Das sollte man auch tun. Das ist auch alles o. k. Wir haben Pläne, wo ich richtig die Hosen runter lassen werde, was meine Vergangenheit angeht. Aber ich stehe zu meiner Vergangenheit von A – Z. Was soll’s Rock’n Roll.

F-R / R M:
Ihr habt zu Frontiers einen Labelwechsel vollzogen. Hat das damit zu tun, dass sich Ulftone aus dem Hardrock-Bereich zurückziehen will?

Lenny:
Da muss ich gleich unterbrechen. Ulf ist immer noch mein Ansprechpartner. Er macht nur gemeinsame Sache mit Frontiers. Das heißt, Ulf ist in diesem Fall der Mittelsmann. Im Grunde ist das mit Ulftone und Frontiers eine Kombination. Das ist auch nur für Europa. Entschuldigt mal bitte, ich muss mal kurz unterbrechen. Ende Juli gibt es bei uns eine Shopsite auf KindomCome.de. Wo es hoffentlich auch baldig wieder unsere alten CD’s und auch Merch gibt. Nur mal so zur Info, also nicht hier die große Kommerznummer, aber wir hatten so viele Anfragen. Da habe ich gesagt, komm wir bauen unsere Shopsite, da können wir zumindest mal unsere Hardcore Fans bedienen, wenn sie es wollen.

F-R / R M:
Kannst du mal von einem Fettnäpfchen erzählen, in das du getreten bist oder von einer lustigen Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum, die noch nicht veröffentlicht wurde?

Lenny:
Ins Fettnäpfchen bin ich zu viele Male getreten. Das größte Fettnäpfchen u. a. war, dass ich die Frau des Chrysalis Head of A&R (Anm.: ehem. Plattenlabel) angebaggert habe, wo der direkt daneben stand und ich wusste, dass es seine Frau war – nicht klug (lacht). Ansonsten Fettnäpfchen, man macht obligatorische Fehler, wie es jeder macht. Das läuft unter dem Faktor Mensch. Und ansonsten lustig, ob es lustig war weiß ich nicht so genau. Wir haben mit den Scorpions mal in Chicago gespielt. Ich hatte eine mega Grippe, wollte aber unbedingt funktionieren. Der Schädel war zugeknallt mit Contakt, so einer Antigrippe Pille. Rick, mein damaliger Gitarrist meinte, „Lenny, komm Alter, hier drei Tequilla und du singst wie ein junger Vogel“. Dann gehöre ich langweiliger Weise zu den Nichttrinkern. Nicht wegen den Vorsätzen, es schmeckt mir einfach nicht. Dann kannst du dir ja vorstellen, 87 Kilo später auf Contact, also auf Pille, Jim Morrison war gar nichts dagegen. Das ganze Programm, ich habe nur Scheiße erzählt, bin dreimal von der Bühne gefallen. Aber der Manager von Van Halen war damals da, das war ganz lustig. Ich bin prinzipiell kein großer Freund von megabreit und voll, aber da hat mich das alkoholische Koma echt nach vorne gebracht (alles lacht).

Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
Mike von FFM-Rock und Franky von Radio Melodic