CANNON


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Phoner vom 13.06.05
Interviewpartner: Mat Rein Jaehnke (voc.)

Homepage:
www.cannon-the-band.com

FFM-Rock:
Hi Mat, danke erst mal, dass du dir kurz vor deinem Urlaub noch die Zeit für ein Inti nimmst. Auch wenn ihr aus Hannover seid, dürften Cannon nur einige wenige von früher her noch kennen. Erzähle doch bitte mal in Kurzform etwas über eure Bandhistorie.

Mat:
In Kurzform, das ist nicht ganz so einfach, weil diese fast 20 Jahre alt ist! (lacht). Wir haben uns 1986 im August gegründet. 1987 fingen wir an die spätere LP „Thunder And Lightning“ einzuspielen, die dann im April 1988 als LP und CD herauskam. Sie wurde damals vertrieben über SPV in Deutschland und im angrenzenden Europa. Die hat damals auch sehr gute Kritiken bekommen. Vielleicht ist sie dadurch auch noch in der heutigen Zeit bekannt. Wir haben dann zwischen 1988 und im Endeffekt 1994 jede Menge Gigs gespielt. In den ersten 2-3 Jahren auch richtig getourt, haben auch im Benelux-Ausland gespielt und Radio- und Fernseh-Promotion gemacht. Wir waren bei Tele 5 damals – wie hieß die Sendung noch? ... Oh Gott, Oh Gott ...“Hard & Heavy”, genau. Das hat dazu geführt, dass die Scheibe damals also wirklich gut gekauft wurde. Dann wollten wir versuchen ein zweites Album aufzunehmen, haben im Prinzip auch einen Major Deal bei der Ariola fast schon in der Tasche gehabt. Einen Tag, bevor wir den Vorvertrag unterschrieben haben, ist der A&R-Manager gefeuert worden, weil eine andere Band, die er damals wohl eingekauft oder betreut hatte, komplett gefloppt war und zu dem Zeitpunkt keine weitere Band dieses Genres mehr eingekauft werden sollte. Die haben damit richtig Kohle in den Sand gesetzt. Das hat dazu geführt, dass wir ein Jahr später uns dazu entschieden haben: Gut, O.K., jetzt machen wir auf eigene Faust vielleicht noch mal was und da haben wir angefangen, die zweite LP aufzunehmen. Die Story ist ja, wenn du mal auf die Website geguckt hast, vielleicht ein bisschen bekannt. Wir hatten ein paar Songs aufgenommen, die Backings waren drauf, bei 2 oder 3 Songs war auch schon Gesang drauf. Irgendwann ist man dann ins Studio eingebrochen und das komplette Studio ausgeräumt. Also richtig ausgeräumt. Das muss man sich mal vorstellen: Ich hab das mal gesehen. Das war wie Besenrein (lacht). Na ja, dann haben wir weiterhin live gespielt. Im Prinzip aber immer mehr in kleineren Clubs bzw. bis nachher zum Jugendzentrum haben wir uns runter gespielt, wenn man das so will, was natürlich durch diese ganze Grunge-Welle, die durch Nirvana entstand, ausgelöst wurde. Und irgendwo in 1994 ist unser Drummer ausgestiegen, weil er beruflich keine Zeit mehr hatte. Wir haben dann noch versucht, einen anderen Drummer zu bekommen. Haben ein bisschen Drummer angetestet, was natürlich verhältnismäßig schwierig war. Wenn du fast 10 Jahre in einer eingeschworenen Rhythmus-Sektion spielst, ist das sehr schwierig, da eine Umstellung zu machen. 1996 habe ich dann aus beruflichen Gründen das Mikro hingeschmissen im Prinzip und kurze Zeit später hat sich Cannon dann komplett aufgelöst. Sie haben keinen Sänger mehr gefunden und einen Drummer hatten sie auch nicht zu dem Zeitpunkt. Ja, das war damals ... Na ja, und 2003 war ich bei Whitesnake in Hannover und zwei Reihen hinter mir saß wohl mein Bassist und klopfte mir nach der Vorgruppe Bonfire auf meine Schulter und das war der Anfang von der neuen Geschichte.

FFM-Rock:
Die zweite Frage hast du mir jetzt schon quasi beantwortet. Ich wollte noch mal ein bisschen was über das Debüt „Thunder & Lightning“ hören, denn das ist ja mehr als nur ein Achtungserfolg gewesen. Ich selbst kenne das Album leider nicht. Mit Sicherheit habe ich garantiert schon den einen oder anderen Song gehört, aber ... na ja gut.

Das Nachfolge-Album, das unter den widrigen Umständen dann nicht stattgefunden hat, hast du auch schon schön erklärt.

Also würde ich sagen: Leiten wir gleich über ... 2004 ...

Mat:
Sag mal, du kennst die „Thunder & Lightning“ gar nicht? Hast du die „History“ dir mal angehört?

FFM-Rock:
Nee, das kenne ich leider auch nicht. Ich bin jetzt erst über die Cannon-Promotion auf euch gestoßen, muss ich ehrlich eingestehen.

Mat:
Ja gut. Ist ja nicht weiter schlimm (lacht), aber du solltest dir die „History“ auf alle Fälle besorgen. Also, wenn du unsere Musik magst, dann solltest du dir wirklich die alte Scheibe besorgen. Das ist wirklich ein gutes Paket, ist alles drauf. Auch die „Thunder & Lightning“-Geschichte ist voll remastered in richtig gutem Sound, also ist schon ganz informativ auch die ganze Geschichte. Da ist alles in einer Hand. Ich hätte dir ja gerne eine gegeben, ich habe bloß keine mehr.

FFM-Rock:
Das ist nämlich jetzt auch die Frage. Wie gesagt, 2004 habt ihr die Doppel-CD „The History“ auf den Markt geworfen, die eine remasterte Version des Debüts und des Demos „Timeriders“ beinhaltet. War das so eine Art Test für das jetzt erschienene zweite offizielle Cannon-Output?

Mat:
Nee, eigentlich nicht. Ich habe damals bei Georg Siegl bei AOR Haeven ein paar CDs abgeholt und im Vorfeld dazu hatte ich mit ein paar Kollegen hier in den Plattenläden so über die alten Zeiten gesprochen. Über die Mucke und dass die teilweise gerade für 50,00 € bei ebay gehandelt wurde. Da sagten die: Warum wollt ihr den alten Kram nicht mal rausbringen. Und als wir dann 2003 dann wieder als Band im Prinzip zusammen waren, haben wir uns natürlich überlegt: Na gut, da müssen wir so langsam mal gucken, ob wir evtl. wirklich noch mal die Möglichkeit haben, die alten Sachen rauszubringen. AOR Heaven, also Georg, hat dann die Verbindung zu Point gemacht. Point ist gleich drauf angesprungen und hat uns angeboten, das als Doppel-CD mit schönem Artwork, also mit richtig dickem Booklet und die ganze Geschichte im Prinzip da drin noch mal aufzuarbeiten, rauszubringen. Na ja, und die Sache haben wir natürlich angenommen. Ich meine: Warum nicht? Das war nicht geplant oder so, es hat sich alles so zueinander gefügt, sage ich mal.

FFM-Rock:
Kommen wir jetzt zum neuen Album „Back in Business“. Der Titel lässt darauf schließen, dass ihr noch mal angreifen wollt. Siehst du persönlich in der heutigen schnelllebigen Zeit noch große Chancen für Cannon, den guten alten Hardrock der 80er Jahre noch mal richtig nach vorne zu bringen?

Mat:
Hmm. Na, sagen wir mal so: Angreifen klingt immer so ein bisschen mächtig. Was wir machen wollen ist erst mal unsere Musik. Das ist die erste Geschichte, wo wir, als wir wieder zusammen waren, gesagt haben: Wir wollen wieder Stücke machen. Wir haben die Möglichkeit, die Sache ohne Zeitdruck aufzunehmen und dementsprechend können wir schön kreativ sein. Das ist erst mal der erste Ansatz. Der zweite Ansatz ist: Wir wollen mit unserer Musik einfach Spaß verbreiten und selber Spaß haben. Es ist so, wenn du dir die heutige Musikszene anguckst, wie du schon sagst: schnelllebige Zeit. Was ist denn heute auf dem Markt? Es gibt nichts Neues mehr, viele Coversongs sind auf dem Markt, viel Plastik-Mucke ist auf dem Markt, Casting ist angesagt. Wo ist denn die handgemachte gute Rockmusik? Wenn ich mir teilweise die Sachen anhöre, die heute als Hardrock verkauft werden ... manchmal habe ich das Gefühl: Das ist alles nur Effekthascherei. Wir machen nichts Besonderes. Wir sind keine Innovation des Rock oder so was. Wir machen ganz einfach unsere Kiste, die wir immer gemacht haben. Guck dir AC/DC an. Die machen das auch seit 1976 und andere ähnliche Bands auch. Das ist die einzig wirkliche Geschichte, die wir tun wollen. Durchstarten und den Hardrock jetzt im Prinzip nach vorne bringen ... hmm ... ich glaube, dazu brauchst du eine Plattenfirma im Hintern, die also mindestens BMG ist, die dementsprechend pusht und dich in Fernsehsendungen wie diese Casting-Shows mit reinbringt oder in irgendwelche Serien, die bekannt sind oder irgendwelche Titelsongs zu haben. Da gehört eine Menge Geld dazu. Der Fan, der eigentliche Musik-Fan, ist doch heutzutage im Prinzip eigentlich nur noch Nebensache. Es ist ja so, dass die CDs heute nicht mehr in den Läden stehen und du kannst sie dir anhören, so wie es früher war. Früher bin ich in den Laden gegangen. Ich bin selber nur wirklicher CD-Sammler. Ich habe tausende von CDs und LPs hier rumstehen, interessiere mich auch wirklich dafür. Ich bin in die Läden gegangen, habe ins Regal gegriffen, wenn mir ein Cover gefallen hat, habe ich gesagt: Leg mal auf, ich will sie mal anhören. Das kannst du doch heute gar nicht mehr. Du wirst doch heute davon abhängig, was andere Leute über diese CD schreiben. Wenn du Glück hast und du hast einen Internetzugang, kannst du dir im Internet noch mal ein paar Soundfiles runterladen bzw. dir da deine Meinung bilden, aber im Prinzip: So richtig an die Musik kommt der Konsument doch erst in zweiter Linie. Das ist natürlich ein riesen Problem.

FFM-Rock:
Da sprichst du mir aus der Seele.

Mat:
Da spreche ich, glaube ich, vielen Leuten aus der Seele. Wie alt bist du?

FFM-Rock:
40.

Mat:
Ja, siehst du: Ich bin 42. Das ist bei vielen Leuten aus unserer Generation so, die mit der Musik aufgewachsen sind. Alle in dem Alter, die diese Musik mal gehört haben sagen: Die Scheibe ist geil. Die Scheibe klingt gut, die macht die ganzen Geschichten, was wir immer gerne gehört haben. Die hat alles das, was wir immer vermissen und so. Wenn du dir das anhörst ... Das wird dir kein Zwanzigjähriger erzählen. Das kannst du vergessen. Bei Zwanzigjährigen ist das „alte Scheiße“. Und das ist genau das Problem dabei. Aber so ist das Leben ...

FFM-Rock:
Ihr seid jetzt auch auf den Reunion-Zug aufgesprungen, der in den letzten Jahren massig Bands wieder hat aufleben, aber auch genauso schnell wieder hat abtreten lassen. Auf das große Geld könnt ihr ja wohl nicht aus sein. Was waren eure Beweggründe zur Reunion? Du hast es jetzt schon angesprochen – Spaß an der Musik.

Mat:
Das ist der einzige Grund. Wir wollten wieder Musik machen. Keiner von uns vier - vier, denn unser Original-Drummer ist ja, wie gesagt, nicht mehr dabei aus beruflichen Gründen, er spielt überhaupt keine Musik mehr, macht überhaupt nichts mehr, hat gar keine Zeit mehr dazu – hat in der Zeit, wo Cannon auseinander war, mit einer anderen Band gemuckt. Es hat jeder zwar für sich zu Hause „rumgemuckelt“ und hat im Prinzip so ein bisschen das Lämpchen am Lodern gehalten, aber so groß gemacht hat keiner was. Bis auf Steve (Carrington; b, key.), der hat sich so ein kleines Heimstudio zusammengebaut. Im Prinzip aus einem Computer und einer guten Soundkarte, ein paar Effekten, Keyboards und einem 8-Kanal Mischpult besteht und das war’s dann im Endeffekt. Das war die einzige Verbindung, die wir in den Jahren im Prinzip zur Musik hatten, wo wir nicht zusammen waren. Also Geld ist definitiv überhaupt kein Grund (lacht), um als Cannon wieder Musik zu machen. Ich bin im Bankbereich, bei der IT bei der Volkswagen-Bank beschäftigt. Ich habe die Kohle, die ich da im Monat verdiene. Ich glaube, da müsste ich einige goldene Schallplatten verkaufen, um die Kohle reinzubekommen (lacht). Geld ist überhaupt gar kein Thema. Das ist auch nicht der Grund, dass wir irgendwelche Platten jetzt in die Regale stellen oder so. Es ist wirklich der Spaß an der Musik und wenn wir anderen Leuten damit Spaß machen können und Leute finden, die diese Musik eben auch gut finden, dann haben wir schon viel gewonnen. Das ist die einzige Geschichte, die wir eben brauchen und dafür sind wir auch im Moment sehr dankbar, das ist die Unterstützung, die wir haben durch unsere Plattenfirma und durch unsere Promotion-Agentur. Du das hast das Promo-Teil daheim denke ich mal ... du solltest mal, wenn du einen guten Plattenladen in der Nähe hast, dir mal das Digi-Pack besorgen oder zumindest mal angucken. Das ist ein wirkliches Schmuckstück geworden. Ich habe jetzt letzte Woche die Digi-Packs gekriegt, also die richtige Ausgabe. Da ist ein 16-Seiten-Booklet dabei, ein zweiteilig aufklappbares Digi-Pack. Es ist richtig schön ausgestattet, es ist richtig was, was sich zu kaufen lohnt, im Gegensatz zu vielen Produkten, wenn du nur die Plastikhüllen aufmachst. Es ist richtig klasse geworden. Und das hat eben die Plattenfirma gemacht, weil die eben gesagt hat: Wir wollen lieber Qualität haben als Quantität. Und dementsprechend haben sie sich das ein bisschen mehr kosten lassen.

FFM-Rock:
Kommen wir noch mal zu „Back In Business“ ... Wer von euch ist für die musikalische und wer für die textlichen Inhalte verantwortlich?

Mat:
Na gut, das ist verhältnismäßig easy. Also für die musikalischen Inhalte sind wir im Prinzip alle verantwortlich, wobei Steve Carrington und Walter Mueller (g., dr.) die Songs eigentlich schreiben. Sie recorden im Prinzip auch von den Backings und dann komme ich ins Spiel und arrangiere die ganzen Geschichten vom Gesang her. Dadurch verändert sich natürlich noch eine ganze Menge, weil dadurch der Song natürlich erheblich beeinflusst wird. Die Texte sind mein Metier, das ist halt so als Sänger. Die Solo-Sachen sind natürlich Olivers (Krueger, g.) Part. Wobei er natürlich bestimmt, was er als Soloteil haben möchte und gibt das eben vor, wo er am besten drauf spielen kann und was er sich dabei denkt.

FFM-Rock:
Euer Songmaterial hört sich fast so an, als stamme es noch aus den seligen 80ern. Der Opener „Rock Feelings“ steht wohl nicht nur vom Titel her, sonder auch musikalisch für eure jetzige und zukünftige Marschrichtung – oder siehst du das anders?

Mat:
Nee, sehe ich genauso.

FFM-Rock:
Danke.

(allgemeines Lachen)

Mat:
Von den Songs ist keiner älter als ein Jahr. Einzige Ausnahme ist „Total Control“. Das ist ein alter Song, den wir 1990 oder 1992 geschrieben haben, den hatten wir schon damals im Live-Programm und wollten ihn auch auf die zweite LP von damals drauf bringen. Ich glaube, der war auch schon zum Teil eingespielt. Wir hatten aber kein vernünftiges Demo von dem Stück, sondern nur so ein Arrangement-Demo, was ziemlich lausig war und was wir nur im Proberaum mal mitgeschnitten hatten. Deshalb haben wir gesagt: Wir wollen das Ding auf alle Fälle noch mal schön arrangiert auf einer CD haben. Das ist der einzige Grund, warum wir ein altes Stück auf diese CD gepackt haben. Alle anderen Stücke sind komplett neu geschrieben ab November 2003. Die klingen sicherlich wie aus den 80er-Jahren. Das ist halt unsere Musik. Wobei man sagen muss: Was ist 80er-Jahre? Das ist die Musik, die wir spielen wollen. Ob die nun in den 80ern populär war, sicherlich. Aber hör die neue Gotthard-Scheibe an. Wie klingt die denn? Die klingt teilweise wie aus den 70ern. Ich sage es mal so. Für mich ist diese Musik, die wir spielen – sicherlich wird immer gesagt: 80er-Jahre, 80er-Jahre, das wird sicherlich bei der nächsten LP wieder genauso sein – einfach zeitlose Musik. Es ist zeitlose Rockmusik. Es ist Party-Mucke. Die kannst du die auflegen, wenn du ein paar Kumpels dabei hast, ein paar Bierchen dabei trinkst ... es ist kein hochkünstlerischer Anspruch damit verbunden ... um Gottes Willen ... es ist einfach handgemachte Rockmusik!

FFM-Rock:
Und ich bin froh, dass es so Bands wie euch gibt, die so was noch mal aufleben lassen. Du hast es ja selbst mitgekriegt: Da gibt es alle möglichen Stilrichtungen, aber dieses „back to the roots“ oder die alten Sachen, was wir früher so gehört haben, das hast du ja heute kaum noch. Das ist alles irgendwie verfremdet oder was weiß ich durch irgendwelche Stilrichtungen entfremdet. Da versucht halt jeder, sein eigenes Ding zu machen und dadurch vielleicht ein paar Scheiben mehr zu verkaufen. Deswegen: Ich fand das jetzt richtig gut ... deswegen sage ich auch: 80er-Jahre-Stil ...

Mat:
Ja, das ist ja auch in Ordnung so. Nur, es gibt auch die konkret anderen Meinungen.  Ich habe mich schon mal durch viele Kritiken gelesen und zum Beispiel in den Heften vom „Heavy“ und vom „Metal Heart“ wird die CD komplett zerrissen. Im „Heavy“ steht was von „Dorfmucke“ und so eine Scheiße drin ... Das sind alles Flachpfeifen. Die haben von Musik irgendwie gar keine Ahnung. Musik ist eine Geschmackssache. Das ist generell auch gut so. Das ist gar kein Thema. Nur ein bisschen Ahnung vom Metier muss ich dann schon haben. Und wenn ich dann schreibe: „Diese Musik ist Dorfmucke und das können sie auf ihren Abschlussbällen spielen und die CDs da verkaufen“. Das ist natürlich in erster Linie eine Beleidigung, davon mal ganz abgesehen, aber es ist auch so, dass man sich dann fragt: Was hören diese Leute sonst? Das ist immer dieser Grundstück, denn es heißt immer: Hardrock – Rockmusik – Metal. Das, was wir machen, ist eigentlich die normale Grundform. Ich war letztes Jahr in Kalifornien und hatte das große Glück, gerade im August in Kalifornien zu sein, als da solche Bands wie Van Halen, Loverboy und Dokken auf Tour waren und habe die live gesehen. Wenn du gesehen hast, was da drüben abgeht, wenn solche Bands da sind.  Van Halen haben vor 20.000 Leuten gespielt, die haben eine komplett ausverkaufte Arena-Tour gespielt. Und die haben nichts Neues gespielt, sondern nur die ganzen alten Klamotten. Dokken ganz genauso. Die haben ein Programm gehabt, da haben sie zwei von der neuen Scheibe gespielt und sonst nur alte Sachen. Und die Leute sind abgefahren wie Hölle. Es ist nicht so, dass es dafür keine Leute mehr gibt. Diese Musik wird komplett untergebuttert. Es ist nicht nur so, dass Rockmusik oder Hardrock-Musik heutzutage untergebuttert wird, sondern dann wird auch in der Hardrock-Musik noch unterschieden nach moderner und Thrash und was weiß ich ... wie heißt die denn ... Doom Metal und den ganzen Kram. Das ist letztlich scheißegal. Das finde ich in Amerika viel geiler. Da gehen die Leute einfach zu Van Halen und am nächsten Tag gehen sie zu Anastacia. Die sehen das viel easier und das finde ich auch O.K. Ich meine: Ich hör auch ABBA. Ich habe auch ABBA-Scheiben hier. Ich habe mir auch das ABBA-Musical angeguckt. Ich höre genauso auch Queen. Ich gucke mir auch das Queen-Musical an und solche Geschichten. Ich denke mal, man sollte musikalisch das Spektrum auch ein bisschen weiter haben. Nur: Es ist ja auch so, gute Musik muss ich in der Lage sein zu unterscheiden von schlechter Musik und da habe ich manchmal bei einigen Reviews erhebliche Zweifel.

FFM-Rock:
Na, da kommt ihr ja bei uns ganz gut weg.

Mat:
Ja. (lautes Gelächter) Sonst hätte ich es vermutlich auch nicht so offen gesagt. Aber es ist wirklich so. Manchmal ist die Kritik so verfasst, dass du dich fragst: Was um Gottes Willen für eine Scheibe hören die da gerade? Es ist schon manchmal extrem gegensätzlich. Verrückt.

FFM-Rock:
Kommen wir mal zu der Aufnahme. Welche Unterschiede habt ihr jetzt bei den Aufnahmen im Vergleich zum Debüt damals und jetzt durchmachen und erfahren dürfen?

Mat:
Tja. Unterschiede? Also, die Unterschiede waren natürlich gravierend. Damals waren wir im Studio mit 24 Spuren und sind nachher noch in ein anderes Studio gegangen, um das Ding zu mischen, auch mit 48 Spuren. Alleine, was du mit dem Chor damals aufgenommen hattest, musstest du dann mit der Spurmaschine arbeiten und diese Chöre, die so vorher auf zig Spuren, was weiß ich – 10 oder 20 Spuren – aufgenommen hattest, runterzumischen, dann brauchtest du wieder ein Bandgerät, um das einzustarten. Heutzutage ist das alles beschränkt auf, sage ich mal, einen Computer, eine Soundkarte und dann kannst du loslegen. Und das Ding haben wir komplett aufgenommen bei Steve im Heimstudio. Das war ganz relaxed. Und genauso nehmen wir unsere nächste Geschichte auch wieder auf. Das war früher eine ganz andere Welt. Das war eine ganz andere Geschichte, solche Sachen aufzunehmen. Diese Sachen gibt es ja heute immer noch so; die Bands, die die Kohle dafür haben, machen das ja heute immer noch so, natürlich mit einer wesentlich ausgereifteren Technik.  Nur damals hattest du ja gar keine andere Chance, wenn du ein Album mit einem einigermaßen vernünftigen Sound produzieren wolltest, musstest du ja in ein Tonstudio gehen. Da hattest du keine Chance, da irgendwas zu Hause zu machen, weil die 84-Spur-Technik, die es damals gab, konntest du definitiv meistenteils vergessen. Da haben wir noch einen gewissen Vorteil gehabt, weil unser Schlagzeuger, wie gesagt, ein hervorragender Techniker war, der das später auch zum Beruf gemacht hat. Dementsprechend sind die Demo-Aufnahmen, auch „Timeriders“ eigentlich in einer hervorragenden Qualität. Aber das war, wie gesagt, nur unser Vorteil. Heutzutage kann eigentlich jede Band, wenn sie ein bisschen Ahnung davon hat und wenn sie jemanden hat, der sich technisch ein bisschen mit der Thematik auseinandersetzt, gute Aufnahmen machen. Ohne Probleme. Aber ich glaube, du würdest vom Hocker fallen, wenn du sehen würdest, unter welchen Umständen wir diese CD aufgenommen haben. Deine Kollegen vom „Rock It!“ sind vom Hocker gefallen, als sie das gesehen haben. Du warst ja nicht da (lacht). 

FFM-Rock:
Ich hab’s gelesen.

Im Vergleich zu damals ist es in der heutigen Zeit schwerer an Gigs bzw. Tourneen zu kommen. Wie sieht es da bei euch aus? Ist da schon etwas in Planung für den Herbst oder auch jetzt für den Sommer ... Festivals oder so?

Mat:
Nee, wir planen im Moment überhaupt keine Live-Aktivitäten. Das hat zwei verschiedene Gründe: Die erste Geschichte ist: Wir haben derzeit keinen amtlichen Drummer. Walter spielt die Drums im Studio, was auch nicht weiter schwierig ist. Er ist gelernter Drummer, er hat damals bei Hermann Rarebell Unterricht gehabt, von den Scorpions. Dementsprechend ist er auch ein guter Drummer. Das ist gar kein Thema. Er hat aber später selber gesagt, er würde lieber Gitarre spielen. Na gut, mittlerweile spielt er Gitarre, Keyboards, Bass ... was weiß ich noch alles (lacht). Man entwickelt sich halt. Wir müssten eben erst einen Drummer einspielen und das lohnt sich nicht, wenn du nur einen Gig hast oder so. Die andere Geschichte ist ganz einfach, dass wir vom Status her definitiv zu klein sind, um eine größere Tour oder einen Support zu bekommen. Das hängt wirklich davon ab, wie sich die CD verkauft. Wahrscheinlich auch noch eher, wie sich die nächste verkauft, wenn wir noch eine rausbringen dürfen, sage ich mal so. Aber so Live-Geschichten machen wir im Moment gar nicht.

FFM-Rock:
Schade eigentlich. Hätte ich mir gerne mal angeguckt.

Mat:
Ja, glaube ich dir. Wir haben auch schon jede Menge Anfragen. Heute gerade wieder war eine Anfrage in einer Mail aus der Schweiz, ob wir da rüber kommen. Wir haben auch Angebote bekommen von Biker Treffen. Die haben uns 4.000,00 € geboten für einen Gig. Dafür ist einfach der Aufwand zu groß. Wir haben alle Familie, wir arbeiten alle, wir haben unsere Jobs und so und das ist eben das Problem. Das muss alles stimmen. Das muss vereinbart werden und es ist auch ein zeitlicher Aufwand, der damit verbunden ist und das muss sich irgendwo rechnen. Und das rechnet sich im Moment nicht. Definitiv nicht.

FFM-Rock:
Kramen wir mal in der Klamotten-Kiste. Kannst du mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?

Mat:
Ja gut, eine Schote habe ich. Bandintern ist die bekannt, aber öffentlich dürfte sie wohl noch nicht bekannt sein. Es ist wirkliche eine witzige Anekdote, aber man hätte es sehen müssen, als es passiert ist. Wir haben mal einen Gig gespielt in Hildesheim hier in der Gegend und haben ein komplettes Set gespielt mit Drum-Podest und allem Drum und Dran. Unser Drummer damals, der Thomas, der war ziemlich agil, hat richtige Schlagzeug-Soli gespielt, hat sich also bis zur Erschöpfung verausgabt. Der Gig war zu Ende und das letzte Stück war gespielt, es kam im Prinzip der Abschlag. Man muss jetzt wissen, das Drum-Podest war ungefähr einen ½ Meter hoch und er macht den Abschlag und ist plötzlich verschwunden. Also, er hat draufgeschlagen und war weg. Er war definitiv weg von der Bühne. Was ist passiert? Das Drum-Podest war ungefähr 50 cm von der hinteren Wand weg und er ist einfach nach hinten runtergekippt (lacht) und komplett hinter das Schlagzeug-Podest gerutscht, so dass ihn keiner mehr gesehen hat. Und der Gag bei der Geschichte war: Wir haben uns so was von weggelacht, dass die Leute dachten es wäre ein Show-Effekt, denn er hat im Prinzip den Abschlag im Stehen gemacht und plötzlich ... wupp ... war er weg. Wenn du das als Anekdote sehen willst. Wir fanden es köstlich damals.

FFM-Rock:
So, dann kommen wir jetzt zum Schluss: Jetzt ist deine persönliche Ansprache an eure Fans und die, die es unbedingt jetzt noch werden sollten, gefragt.

Mat:
Meine persönliche Ansprache? Ich kann nur eins sagen: Hört euch die guten alten Sachen von früher an. Hört euch Bands an und hört euch Musik an, die gut ist. Generell gesehen, geschmacklich – wie gesagt – ist vollkommen offen, aber nichtsdestotrotz: Kauft euch trotzdem die Cannon-Scheibe!!! (lacht).

FFM-Rock:
Gut gesagt.

Mat, ich danke dir für das Interview. Alles Gute für die Zukunft und einen erholsamen Urlaub!

Mike von FFM-Rock

© Foto von der Cannon-Homepage übernommen