RED RAVEN



Mailer vom 19.09.17
Interviewpartner: Frank Beck (voc., Mitte), Patrick Fey (git., 2. v.l.)

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RED RAVEN

FFM-Rock:
Moin Ihr beiden, ich verneige mich erstmal imaginär vor der Meisterleistung, die ihr mit „Chapter Two: DigitHell“ hingelegt habt. Da bekommt der Ausdruck „deutliche Steigerung“ nahezu ein neues Gesicht. Erzählt doch bitte mal, was innerhalb der letzten drei Jahre in der Band geschehen ist, damit ihr so einen großen Schritt nach vorne gehen konntet.

Frank:
Hui, erstmal vielen Dank für das Lob. Selbstverständlich sind wir alle hypernervös, fiebern der Veröffentlichung entgegen und sind sehr gespannt, was die schreibende Zunft und natürlich unsere Fans davon halten werden. Hoffentlich nur Gutes (haha). Eigentlich wollten wir ja Chapter 2 schon 2016 veröffentlichen, aber da jeder von uns noch berufstätig ist bzw. Sebi (Drums) ständig musikalisch unterwegs ist und ich noch bei Gamma Ray beschäftigt bin, hat es jetzt halt ein wenig länger gedauert, auch gerade weil wir alles wieder in Eigenregie durchgezogen haben. Vor allem Patrick (git) muss ich höchsten Respekt zollen und mich in Ehrfurcht vor ihm verneigen. Großartige Arbeit beim Mixing/Mastering und natürlich auch bei seiner Gitarrenarbeit. Im Gegensatz zum Debütalbum, bei dem Patrick damals wirklich alles komplett alleine geschrieben hatte, waren wir aber diesmal alle beim Songwriting und der Produktionsphase involviert und konnten somit unsere eigenen Ideen/Songs/Texte/Melodien mit einbringen. Das erklärt wohl den Schritt nach vorne, alle Songs entstanden im Kollektiv, kreativ im Proberaum.

Patrick:
Vielen Dank Mike, das Lob freut uns mächtig. Wir sind ja so früh nach der Veröffentlichung noch ziemlich unsicher, wie das neue Album ankommt. Natürlich hatten wir uns vorgenommen, nach „Chapter One“ noch eine dicke Schippe draufzulegen. Das war dann am Ende auch gar nicht soooo schwer, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. „Chapter Two“ ist schlicht und einfach eine Teamleistung. Wir sind ein starkes Team, also können wir auch starke Songs liefern und produzieren. Jeder war auf die eine oder andere Weise am Songwriting beteiligt. Ein Paradebeispiel ist „Running out“: Bernd (Basmer, git.) hatte das Gerüst für den Song schon länger in der Schublade liegen. Sebastian (Berg, dr.) hat die Grooves dafür überarbeitet und feingetunt, am Text sind quasi alle beteiligt, und die Gesangsmelodien gehen auf das Konto von Frank und mir. So sind mehr oder weniger alle Songs entstanden, und so hat es sich durch alle Phasen der Entstehung von „Chapter Two“ fortgesetzt.

FFM-Rock:
An dieser Stelle möchte ich für mich als Referenz mit „Out Of Memory“ und „On My Way“ zwei Songs ansprechen, für die alleine ich mir „Chapter Two: DigitHell“ sofort kaufen würde. Diese musikalisch, aber harmonierenden Gegensätze; diese Melodien, die hier sofort ins Ohr gehen – solche Songs schreibt man nicht jeden Tag. Wie entstehen die bei euch?

Frank:
Da muss ich dir recht geben, die beiden erwähnten Songs zählen unter anderem auch zu meinen Favoriten. Der Text als auch ein Großteil der Melodien bei „Out of memory“ sind aus meinem Kopf, allerdings fantastisch umgesetzt von allen Musikern. Thematisch geht es in dem Lied um Demenz und das damit Unabwendbare, das Vergessen. Furchtbar, wenn man mit ansehen muss, wie ein geliebter Mensch allmählich sein ganzes Leben vergisst.
„On my way“ stammt aus Patricks Feder. Textlich hat er sich wohl an meinem turbulenten und nicht immer perfekt laufenden Leben orientiert, jedenfalls konnte ich mich direkt damit identifizieren, auf die Chöre bin ich besonders stolz. Sehr emotionaler Song für mich.

Patrick:
Der gravierendste Unterschied: „Out of memory“ ist bei einer Session im Proberaum entstanden. Frank hat von Natur aus ein super Gespür für passende Melodien und hatte schon für die Demofassung eine passende Hookline gefunden. Später hat er noch den Text dazu geschrieben, während die drei Saitenschergen sich ums Arrangement gekümmert haben. Anekdote: ich hab bei der Demofassung des Songs doch glatt die Strophe vergessen, Frank hatte sie zum Glück noch griffbereit und hat sie mir um die Ohren gehauen (hahaha). „On my way“ hat eine völlig andere Geschichte: die erste Fassung des Songs habe ich im Urlaub geschrieben. Italien, Balkon mit Seeblick, Rotwein - daher die abgefahrenen Akkordfolgen. Danach haben wir gemeinsam das Arrangement erarbeitet. Du siehst: auch bei Songs mit unterschiedlichen Entstehungsgeschichten kommen wir am Ende auf einen gemeinsamen Nenner, bei dem tolle Melodien immer eine wichtige Rolle spielen.

FFM-Rock:
Frank, bei dem ebenfalls genialen „Proud“ singst du nahe an dem was man dir bei GAMMA RAY abverlangt. Aber auch sonst fordert man dich offenbar über die elf Stücke hinweg ganz ordentlich, was dein stimmliches Repertoire anbelangt. Klingt für mich fast schon nach einer Herausforderung, als du diese Songs einsingen musstest. Kann man das so sehen?

Frank:
Also ich persönlich liebe ja Herausforderungen! Wenn‘s gut werden soll, muss man sich halt auch mal sagen: Quäl dich du Sau! Die Ausnutzug meiner stimmlichen Möglichkeiten bei allen Songs war durchaus so gewollt. Trotzdem war es nie wirklich anstrengend, sondern einfach nur ganz viel Spaß. Der Kontrast zwischen Clean und Kettensäge (wie es Patrick immer so schön nennt) ist sehr gelungen. Ich erinnere mich noch, als ich zum Einsingen ins Studio kam und ich zum ersten Mal den Refrain zu „Proud“ gesungen hatte. Gefiel mir damals so nicht. Habe mich dann gefragt wie Eric Adams (Anm. Red.: MANOWAR) das interpretieren würde, also hab ich ihn oktaviert, Bridge und Refrain stehen im krassen Gegensatz zu den Strophen.

FFM-Rock:
„Chapter Two: DigitHell“ dürfte allem Anschein nach ein Konzeptalbum geworden sein, was man alleine schon an der Nummerierung der Songs und der Aufmachung des Booklets ableiten könnte. Um was geht es in diesem Album?

Frank:
Nein, ein Konzeptalbum würde ich es nicht nennen. Sicherlich greifen wir in einigen Songs das Thema zunehmende Digitalisierung und die daraus möglichen resultierenden Gefahren auf, aber die Texte, die wir schreiben, kreisen oftmals um unsere persönlichen Gedanken, unsere Ängste, Vorurteile, Hoffnungen, Freunde etc. Die Themen, die wir auf dem Album haben, sind vielfältig, auch wenn man das auf den ersten Blick anders sehen könnte. Bei „Save me“ geht’s z.B. um Alkohol oder Drogen allgemein, bei „Collapse“ ums kollektive Wegschauen, bei „Unbreakable“ um Stärke. „The best man I can be“ behandelt das Selbstwertgefühl und das aus den Führungsetagen bekannte „höher, schneller, weiter“-Prinzip.

Patrick:
Ich sehe es so: „Chapter Two“ bildet zusammen mit dem Debutalbum den Teil eines größeren Konzepts. Auf dem ersten Album wurden eher Prinzipien dargelegt, auf „Chapter Two“ hören wir klare Statements und konkrete Geschichten. Mal sehen, was „Chapter Three“ bringt …

FFM-Rock:
Ich habe bereits die riesige Bandbreite eurer aktuellen Stücke angesprochen. Wenn mich jetzt einer fragt, was ihr für Musik spielt oder welchem Genre ihr angehört, würde ich mich echt schwer tun und antworten: melodischer Prog Rock/Metal. Bei Vergleichbands ist das aktuell eben so eine Sache. Da kannst du gefühlt 20 Bands von GAMMA RAY bis QUEEN anführen. Auf was würdest du dich festlegen?

Frank:
Melodischer Prog/Rock/Metal kommt hin. Allerdings muss ich gestehen, dass ich keine Band kenne die man mit uns vergleichen könnte. Vielleicht hat ja Patrick noch eine Idee.

Patrick:
Nö, keine Einwände. „Melodic Metal“ passt unterm Strich meiner Meinung nach am besten.

FFM-Rock:
Patrick, du hast „Chapter Two: DigitHell“ wieder selbst aufgenommen und gemixt. Mit der Veröffentlichung über das Label Fastball Music ging es einen Schritt weiter in Richtung Professionalität. Gibt es ein erklärtes Ziel innerhalb der Band, in welche Regionen man noch vorstoßen möchte?

Patrick:
Du darfst dabei nicht vergessen, dass beim Aufnehmen auch Musiker gebraucht werden (haha), ich war also nicht wirklich alleine. Auch haben Bernd und Martin (Reichhart, Bass) jede Menge Spuren aus ihren eigenen Homestudios beigesteuert: Bassspuren, Strings etc. Wir alle haben im Laufe der Aufnahmen viel dazugelernt. Das Mastering haben wir dieses Mal in „fremde“ Hände gelegt – allerdings in die eines Mastering-Engineers (Dirk Decker) mit ganz viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen. Unser nächstes Ziel ist es, mehr und bessere Gigs zu bekommen und auf Festivals zu spielen. Dieser Punkt ist derzeit in Arbeit und es gibt auch schon Ergebnisse, die man demnächst im Konzertkalender sehen wird. Auch einer Supporttour stehen wir grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber.

FFM-Rock:
Frank, GAMMA RAY liegen momentan wegen HELLOWEEN auf Eis. Zwei deiner dortigen Mitstreiter sind mit ihrer neuen Band THE UNITY gerade unterwegs. Nur bei Dirk Schlächter und dir sind weitere Aktivitäten mehr oder weniger unbekannt. Bastelst du auch an irgendwas außerhalb von RED RAVEN?

Frank:
Ja :-)

FFM-Rock:
Meine Interviewpartner bekommen immer eine Pleiten, Pech und Pannen-Frage oder Was wäre wenn-Frage gestellt. Mich interessiert heute mal weniger die Pannenfrage, sondern die Frage: Was wäre vermutlich aus dir geworden, wenn deine Eltern dir verboten hätten Musik zu machen?

Frank:
Meine Eltern haben mir nie etwas verboten, sondern immer nur mehr oder weniger gute Ratschläge gegeben, was ich mit meinem Leben so anstellen soll. Einige davon hab ich umgesetzt (einen „anständigen“ Beruf lernen), andere wiederum nicht. Von daher stellt sich diese Frage nicht, rein hypothetisch gesehen jedoch würde ich aber wahrscheinlich immer noch die täglichen Erniedrigungen des Berufslebens über mich ergehen lassen.

Patrick:
Müllmann. Super Job: Tonne hoch, Tonne runter, fertig. Und man muss nur montags arbeiten.

FFM-Rock:
So, dann sind wir auch schon am Ende der Fragerei. Zum Schluss bitte noch einige persönliche Worte an unsere Leser und eure Fans.

Frank:
Bleibt gesund und kauft unser Album! :-)

Patrick:
Hallo RED RAVEN Fans da draußen! Wir wünschen euch viel Spaß mit unserem neuen Album. Wir sehen uns live – bleibt bis dahin gesund und genießt euer Leben!!!

Danke für das aufschlussreiche Interview und alles Gute weiterhin für eure Zukunft!

Mike von FFM-Rock                                                              Foto by Red Raven