VIRON
Interviewpartner: Neudi (dr.)
Mailer
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F-R:
Moin Neudi, nach eurem Debüt „NWOGHM“ folgt mit „Ferrum Gravis“ nun euer zweiter Longplayer und der gibt vom Namen her schon unmissverständlich wieder eure Marschrichtung Preis. Wie kam es zunächst zu diesem Albumtitel?
Neudi:
Hallo Mike und an alle, die wir von FFM-Rock kennen! "NWOGHM" war ein Titel, der sehr Metal ist, aber eigentlich keine Stilaussage gemacht hat. Wenn man ihn als solchen angesehen hat, war man wohl überrascht, dass es eben nicht nach Grave Digger, Running Wild oder Blind Guardian tönt. Manche Mags haben sich sogar aufgeregt, weil man uns die Arroganz unterstellt hat, wir würden meinen, mit dem Album eine neue Welle loszutreten. Egal wie man dazu steht, der Album-Titel hat uns in der Szene bekannt gemacht, bevor die CD überhaupt erschienen ist. Und selbst heute noch vergeht kein Interview, in dem der Titel aufgeführt wird - wie auch bei euch. Bei der neuen Scheibe haben wir lange überlegt, wie wir sie nennen sollen. Einige Songtitel (Sniper, Metal Ball, Liberator, Led Astray) hätten gute Plattentitel hergegeben, aber wir wollten wieder ein Statement zum Inhalt der Scheibe setzen. Erst dachten wir über einen kultigen Retro-Titel wie “Second Attack” nach, haben uns dann aber für eine etwas subtilere Variante entschieden und Heavy Metal ganz grob (Ferrum ist ja eigentlich Eisen) ins Lateinische übersetzt. Witzigerweise haben erneut ein paar Journalisten den Titel als provokant umschrieben. Die dritte Scheibe nennen wir dann “Best Metal Album Ever”, damit wir mal wirklich einen Grund bieten!
F-R.:
Ehrlich gesagt war ich schon nach dem ersten Durchlauf von „Ferrum Gravis“ nicht nur positiv überrascht, sondern mir kommt das Album im Vergleich zum Debüt ein wenig melodiöser und auch „europäischer“ vor. Wie siehst du als bekennender US-Metal Fan selbst den Direktvergleich zwischen den beiden Alben?
Neudi:
Ich gebe Dir insofern Recht, dass wir viel mehr Wert auf schlüssige Refrains gelegt haben. Das US-mäßige Riffing und der Aufbau mit verschiedenen Parts und dem Mix von verschiedenen Spielarten des klassischen Metals, haben wir beibehalten. NWOGHM ist ein Album, hinter dem wir auch heute noch stehen. Das Manko allerdings ist, dass bei den Songs griffige Refrains gefehlt haben und oft auch zu viele, sich nicht wiederholende Textzeilen vorhanden waren. Klar, unsere Musik ist zum Bangen und Zuhören gedacht, allerdings kann es nicht schaden, wenn man nach dem ersten Refrain beim nächsten Mal gleich mitsingen kann (live, unter der Dusche oder beim Ausmisten des Kellers). Der melodiöse Faktor, den Du ansprichst, liegt quasi auf dem typischen Viron-Stil obendrauf. Wir werden dies auch mit Sicherheit weiterverfolgen, obwohl der letzte Song “Sniper” auch komplett ohne Refrain auskommt.
Somit bin ich als US-Metal-Fan sehr zufrieden. Metallica haben auf ihrem ersten Album auch noch “Whiplash” und “Seek and Destroy” gebrüllt, während auf Ride The Lighning bereits geile Refrains waren.
F-R.:
Mir scheint auch, als hättet ihr auf Alexx’s (Stahl, voc.) Stimmbänder ein wenig mehr Rücksicht genommen, um ihn nicht mehr so permanent in Schwindel erregenden Höhen agieren zu lassen. Ausfluss vom Songwriting oder medizinisch gesehen vorbeugend zum Durchhalten einer längeren Setlist?
Neudi:
„Ferrum Gravis“ macht mich echt fertig *lach*. Wir haben erneut hochgradige Killerreviews, aber viele Magazine, teilweise eher dem düsteren Metal oder modernem Zeugs zugewandt, stören sich am “hohen Gesang” von Alexx. Deine Frage ist somit eine willkommene Abwechslung *lach*. Wir gehören zu den Bands, die erst die Musik schreiben und dann eine gute Gesangslinie dazu entwickeln. Sicher wird im Zusammenhang dessen dann noch an den Arrangements und Tonhöhen gewerkelt, aber im Grunde kommt der Gesang als letztes zum Song hinzu. Es war also erneut nicht geplant, dass Alexx tiefer oder gar höher singt, als auf "NWOGHM". Laut seinen Aussagen ist das "Ferrum Gravis"-Material wesentlich anspruchvoller, als unsere älteren Tracks, was aber auch mit dem Haushalten des Atems und anderen Dingen als nur der Tonhöhe zu tun hat.
F-R.:
Wer euch persönlich kennengelernt und live gesehen hat, sollte festgestellt haben, dass ihr als ehrliche Einheit rüberkommt. Vom Line Up steht ihr ebenfalls stabil da. Zeichnet sich eine solche Stabilität jetzt auch beim Songwriting aus oder schreibt Thilo (Feucht, g.) mehr oder weniger immer noch alleine eure Stücke?
Neudi:
“Jeder soll das machen, was er am besten kann”. Nach dieser Devise funktioniert Viron und das ist auch gut so. Thilo ist nicht nur ein begnadeter Songwriter (er hat auch schon für andere Stilrichtungen Auftragsarbeiten erledigt), sondern auch die Notbremse, wenn ein Song beim gemeinsamen Arrangieren zu ausufernd wird. Zwischen Thilos “das kann man aber jetzt wirklich nicht machen!” und meinem “das passt schon zusammen” liegt irgendwo Viron *lach*. Wir sind manchmal Feuer und Wasser, aber am Ende ist genau das positiv. Roger ist ein toller Riffschreiber und hat in vielen Songs markante Stellen eingebracht, den Song “Beyond The Gates” fast komplett. Unser Basser Ingmar ist für einen Großteil des Ohrwurms “On the Run” verantwortlich. Das Grundriff und der Groove stammen von einer ursprünglich 9-Minutigen Songidee. Alexx ist der derjenige, der ohne viele Erklärungen sein “gefällt mir” oder “gefällt mir nicht” abgibt. Das Alles macht Viron aus. Trotzdem ist jedem in der Band bewusst, dass Thilo den Löwenanteil fabriziert. Wir wären ziemlich blöd, wenn wir den Kerl nicht machen lassen würden. Ansonsten haben wir 5 zusammen viel Spaß und das ist auch nochmal genauso wichtig, wie die musikalische Zusammenarbeit.
F-R.:
Besonders gefallen mir folgende Songs auf „Ferrum Graving“. Bitte mal hierzu dein persönliches Statement:
„On The Run“:
Tja, aus Ingmars progressiver Grundidee wurde ein Stampfer mit kommerziellen Touch, zumindest für uns. Er ist außerdem unser “Paranoid” oder “Smoke on the Water”, denn der Song wurde gar nicht von uns gewürdigt. Als wir mit einer gebrannten Vorab-CD das Studio verließen und den Leuten 6 Songs vorgespielt haben, waren die Reaktionen auf “On The Run” gigantisch. Vor allem Leute, die sonst eher auf seichtere Metalarten abfahren, sind völlig darauf abgefahren. Das war zwar niemals so geplant, aber unglücklich sind wir damit auch nicht.
„Sniper“:
Auf "NWOGHM" hatten wir mit “Doomsday” einen langen Rausschmeißer, dieses Mal musste “Sniper” mit seinen fast 12 Minuten das Schlusslicht setzen. In 90% aller Reviews wurde dieser Song besonders hervorgehoben, was uns sehr freut, denn hier steckt viel Arbeit drin. Viele Bands haben auch solch lange Konzeptsongs auf ihren Alben, doch nur zu oft werden hier Parts verwurstet, die in anderen Songs nicht untergekommen sind. “Sniper” wurde allerdings als das komponiert, was es jetzt ist.
und hat „The Isle Of Man“ einen direkten Bezug zu einem Bandmember?:
Alexx ist Biker, allerdings eher der gemütliche Harley Mensch. Insofern muss ich das fast schon verneinen. Das Rennen auf dieser Insel ist eine faszinierende Sache und passt hervorragend zum schnellsten Viron-Song, den wir bis dato geschrieben haben.
F-R.:
Während „NWOBHM“ noch über das Griechenlabel Sonic Age Records rausgebracht wurde, steht ihr jetzt beim heimischen Label Metal Heaven unter Vertrag. Ging die von dir angedachte Rechung über die besseren Vertriebs- bzw. Absatzwege nicht ganz auf oder gab es zum Labelwechsel andere Beweggründe?
Neudi:
Sonic Age waren für unser erstes Album super und wir haben uns freundschaftlich getrennt. Natürlich haben uns viele Szenemenschen für vollkommen irre gehalten, bei einer solch kleinen Undergroundfirma zu unterschreiben. Dabei vergessen aber viele, dass man als Newcomer bei einer größeren Firma einen enormen Druck hat und niemals ein Prioritätsthema sein kann. „NWOGHM“ hat den Rahmen für die idealistischen Griechen schon nach ein paar Wochen gesprengt und in einem gemeinsamen Gespräch kamen wir überein, dass wir uns schon mit dem zweiten Album labelmäßig eine Liga nach oben schaffen müssen. Mailordermäßig hat bei Sonic Age alles gut funktioniert, aber der Vertrieb Twilight konnte uns in keinster Weise überzeugen. Zum einen sind sie sehr im Black Metal verwurzelt, zum anderen haben sie keinen guten Draht zu den großen Einzelhandelsketten. Wenn es dann Fanmails hagelt, man würde unser Album nicht bei den Roten und Blauen bekommen, dann ist das ärgerlich. Die Geschäfte, die „NWOGHM“ hatten, haben allerdings gut verkauft. Nach der Trennung lagen uns recht schnell neue Angebote vor und wir haben uns dann für Metal Heaven entschieden, die mit Ruffians, Riot oder Steve Grimmet (Grim Reaper) auch eine gute Nachbarschaft bieten. Bisher läuft die Zusammenarbeit auch zufriedenstellend.
F-R.:
Im Zeitalter von getriggerten Drum Sounds und Amp-Simulationen bei den Aufnahmen möchte ich von dir als bekennenden „Live“-Drummer gerne wissen, wie ihr das bei den Studio-Aufnahmen zu „Ferris Gravis“ im Kohlekeller bei Kristian Kohlmannslehner gehalten habt?
Neudi:
Wir haben Rock´n´Rolf und Andy Sneap um Rat gefragt * ha ha ha *! Nein, Spaß beiseite... Viron ist eine Band, fünf Musiker mit 4 Sounds und einer Stimme. Nicht nur die Songs prägen den Stil einer Band, sondern auch der Sound der einzelnen Mitglieder. Als Beispiel nenne ich einfach mal die halboffene HiHat bei Van Halen, den Gitarrensound von Brian May oder der klackernde Bass bei Iron Maiden. Wir haben gutes Equipment und die Saitenfraktion hat ihren spezifischen Livesound. Ich selbst habe auch einen bestimmten Sound, der sich über mein Spiel ausdrückt. Es gibt Leute, die mich anhand des Spiels und Sounds erkennen. Warum sollten wir dies im Studio verstecken? Denn nichts anderes ist es, was heute so oft passiert. Ein getriggertes Schlagzeug gibt zwar wider, welche Schläge gespielt werden, aber die ureigene Dynamik (mit all den Dead Notes) und die Identität gehen komplett verloren. Bei den Gitarren ist es ähnlich, denn Amp-Simulationen klingen einfach nicht wie eine Klampfe, die in den eigenen Verstärker eingestöpselt ist. Wir gehen nicht so weit, ein Analogstudio zu buchen, aber wir wollen die Band Viron nicht durch moderne Technik verfälschen. Wenn Du genau hinhörst, klingt im Mittelteil von “Liberator” die linke Bassdrumseite etwas leiser, weil mir persönlich die Geschwindigkeit einfach nicht so liegt, wie 5 Beats schneller oder langsamer. Anstatt dies per Mausklick zu verbessern, haben wir das so gelassen, denn daraus entstehende Groove ist nicht zu reproduzieren. Vielleicht fällt manchen auf, dass „Ferrum Gravis“ eine Ecke leiser ist, als andere aktuelle Metal-Produktionen. Wir haben nur so viel wie nötig gemastert, denn auch hier werden viele dynamische und gute Produktionen zerstört. Das war übrigens in einem Audiomagazin vor kurzem sogar Titelthema!
F-R.:
Eine Band im eurem Status dürfte ihre Songs im Vorfeld einer Studioproduktion soweit arrangiert haben, dass sie auch Live vorab angetestet werden. Inwieweit sind euch in diesem Fall Vorabmeinungen von Fans und Kritikern wichtig, bevor ihr diese Songs letztendlich auf einem Tonträger verewigt?
Neudi:
Wir stellen unsere Songs zu 80% fertig, den Rest erledigen wir spontan im Studio. Es ist für uns wichtig, noch ein wenig Spielraum für Ideen zu lassen. Dies ist dadurch möglich, da wir die Basics (Gitarre, Bass, Drums) live auf Click einspielen. Beispiel: Der Schlusspart von “Led Astray” ist der Anfang eines Songs, den wir gecancelt haben. Es war eine spontane Idee, diesen Part einfach hinter den eigentlichen Song einzutrümmern. Wir haben 2007 relativ wenig Gigs gespielt, haben aber 4 Songs schon im Programm gehabt. Trotzdem müssen wir zunächst unsere eigenen Fans sein, um mit einem Stück zufrieden zu sein. Dieser Egoismus drückt sich allerdings wieder in Spielfreude aus und die kommt dann dem Hörer oder Live-Besucher wieder zugute.
F-R.:
Einige von euch sind, wie viele andere Musiker anderer Bands auch, bei anderen Projekten, wie du z. B. bei Streetclip TV bzw. Bands (Roxxcalibur) eingespannt. Was bedeutet das letztendlich für die Live-Aktivitäten von VIRON?
Neudi:
Das Jahr hat 365 Tage und es lässt sich alles ganz gut verteilen. Die Planung einer einzelnen Woche fällt da schon schwerer. Roxxcalibur ist neu und eigentlich nur möglich, da sich Alexx´s und meine Deep Purple Tribute Band CHILD IN TIME aufgelöst hat. Somit ändert sich vom Aufwand nicht viel. Streetclip.tv ist eher ein Problem, da ich als TV-Journalist auf vielen Festivals und Einzelgigs sein werde und konstant Sendungen produziere. Allerdings können sich viele dadurch entstehende Kontakte auch gut für Viron auswirken.
F-R.:
So, dann zum Abschluss deine Ansprache an die Metal Gemeinde, der wir hier u. a. versuchen, euch ein wenig näher zu bringen und die Leser vom FFM-Rock
Neudi:
Viron haben für mich persönlich etwas geschafft, was mich sehr stolz macht: Zum einen klingen wir sehr old-school, zum anderen aber zeitgemäß genug, um nicht als Retroband gehandelt zu werden. Dies drückt sich auch durch die Zusammensetzung unseres Publikums aus, welches aus Alt-Metallern und jungen Metalfans besteht. Da der größte Altersunterschied innerhalb der Band auch knapp über 10 Jahre liegt, passt das auch so sehr gut. In vielen Reviews wurde „Ferrum Gravis“ als “zeitlos” bezeichnet, außerdem wurde unser Stil nicht einem Land zugeordnet. Dies ist exakt, wofür Viron musikalisch steht: Klassischer Heavy Metal mit den Zutaten vieler Subgenre, die man dem ursprünglichen Metal zuordnet. Wir haben kein Interesse daran, eine reine Thrashplatte, eine klassische Scheibe á la Priest oder Maiden, oder eine Power Metal-CD zu machen. Wir möchten lieber unseren eigenen Cocktail daraus brauen und uns somit die für uns selbst geile Metalplatte einspielen. Und exakt das ist „Ferrum Gravis“ für uns geworden.
Danke für das Interview und den Support! Wir werden bestimmt dieses Jahr wieder in der Halle in Offenbach...äh....Frankfurt spielen!
Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
Mike von FFM-Rock
Foto von Viron Homepage