CUSTARD



Mailer vom 19.02.13
Interviewpartner: Chris Klapper (dr.)

Homepage:
www.custard.de

F-R:
Moin Chris, zunächst meinen Glückwunsch zu eurem neuen Album „Infested By Anger“. Nach vier Jahren und erneuten Besetzungswechseln endlich mal wieder ein neues CUSTARD-Album. Mit Anna Olejniczak an der Rhythmusklampfe und Markus Berghammer am Bass habt ihr zwei Neue und erstmals eine Frau im Line Up. Stelle beide doch bitte kurz mal vor und erkläre den Grund für den neuerlichen Wechsel.

Chris:
Moin auch, und danke für den Glückwunsch! Tja, das mit den Besetzungswechseln zieht sich ja leider wie der berühmte Rote Faden durch die CUSTARD-Historie. Mir als einzigem verbleibendem Gründungsmitglied hat diese Tatsache auch schon schwere Vorwürfe eingebracht. An denen ist aber nicht viel Wahres dran, was wohl die meisten ehemaligen Bendkollegas bestätigen dürften. Mit den meisten Ehemaligen pflege ich nach wie vor den Kontakt oder sogar wirkliche Freundschaft. Die beiden Wechsel vor dem aktuellen Album taten einfach Not, weil Magga (ex-Basser) sich vermehrt um seine familiären Angelegenheiten kümmern wollte und das hohe Investieren von Zeit einfach nicht mehr damit vereinbar war. Also hat er lobenswerterweise von sich aus die Reißleine gezogen bevor irgendwie Stunk aufkommen konnte. Er hat seinen Nachfolger (Markus) sogar noch selbst mit ausgesucht und eingearbeitet. Guido (ex-Gitarrist) hat sich musikalisch und persönlich in eine andere Richtung entwickelt als der Rest. Auch hier gab es kein böses Blut oder irgendwelche Vorwürfe; es war ein absehbarer Prozess. Die Zeit war nun einfach gekommen und so haben sowohl Band als auch er einen Schlussstrich gezogen.

Die Neuen:
Markus hat vor vielen Jahren mal mit Oscar (git.) und mir in einer anderen Band namens SEVENTH GATE gelärmt. Er hat damals noch Gitarre gespielt. Als wir dann einen Nachfolger für unseren Magga suchten, hatten wir zufällig einen Gig mit seiner Band in der er überraschenderweise Bass spielte. Zur Audition eingeladen, Fähigkeit festgestellt, angeheuert. Hier kauften wir ja nicht die Katze im Sack, sondern wussten ja bereits wie er tickt. Glücksgriff. Anna haben wir mal mit ihrer damaligen Band METALETY auf der Bühne gesehen. Als sich nun herumsprach, dass wir einen Klampfer suchen, hat mich ihr damaliger Freund (auch Musiker und Kollege) angerufen und trotz großer Skepsis haben wir uns auf eine Audition eingelassen. Fähig, fleißig, sieht lecker aus, alles gut. Ich bin sehr gespannt wie sich eine Dame in unseren Reihen langfristig so macht; wir sind halt alles Machos. Positiver Nebeneffekt: die Dame ist Grafikerin und durfte sich gleich mal mit Cover und Artwork für die Scheibe befassen.

F-R.:
Euer Sänger Olli Strasser erinnert mich phasenweise an euren Ex-Vocalisten Guido Brieke, ist aber mit einer größeren stimmlichen Bandbreite ausgestattet und scheint mühelos Guidos Platz einzunehmen. Sicherlich ein Glücksgriff. Wie bist du damals eigentlich an Olli gekommen?

Chris:
Gute Sänger wachsen nicht auf Bäumen, das mussten wir nach der Trennung von Guido Brieke feststellen. Zunächst hatten wir ja ein recht kurzes Experiment mit Tony Taylor (ex-Twisted Tower Dire). Das hat leider nicht funktioniert; was nicht daran lag, dass Tony in den USA lebte. Leider ist Tony inzwischen tödlich verunglückt. Olli wurde uns von Musiker-Kollegen empfohlen, die ihn mit seiner damaligen Hardrock Band haben spielen sehen. Ich hab ihn dann eingeladen und es hat beiderseitig gezündet. Passt hervorragend in die Band, hat wirklich eine enorme Bandbreite in der Stimme und ist auf der Bühne eine ähnliche „Rampensau“ wie Guido. Für die meisten Bands bedeutet die Trennung von einem prägnanten Sänger das aus, aber hier haben wir echt Glück gehabt.

F-R.:
Auf dem letzten Studioalbum „Forces Remains“ deutete es sich bereits an, das ihr euch musikalisch, im Direktvergleich den früheren Alben, in Richtung US-Power Metal geöffnet habt, was für mich zu einer Steigerung der Songqualität geführt hat. Jetzt auf „Infested By Anger“ kommt noch ein leichter epischer Einschlag hinzu. Landen CUSTARD jetzt da, wo sie eigentlich immer hin wollten?

Chris:
Wir planen die Songs nicht am Reißbrett, sondern das Ergebnis basiert auf den verschiedenen Stilen der beteiligten Musiker. Jeder neue Musiker bringt gewisse Elemente mit und die fließen halt in das Gesamtkunstwerk ein. Beim Songwriting von „Forces Remain“ war zum großen Teil Robert (ex-Gitarrist) federführend; beim aktuellen Album hat vornehmlich Oscar die Riffs und Melodien geschrieben. Es sind beide hervorragende Musiker, aber eben vom Stil unterschiedlich. Die angesprochene „epische Färbung“ kommt auch viel durch Ollis Gensangslinien zustande. Zugegeben: bis zum „Wheels of Time“ Album hat man als Vergleich gerne HELLOWEEN oder GAMMA RAY herangezogen; jetzt eher PRIEST oder MAIDEN. Aber das ist gewachsen und nicht geplant. Ich bin sehr gespannt darauf, wie sich Annas Einfluss im nächsten Album bemerkbar macht. Auch Markus bringt sich aktuell mit wachsender Begeisterung ein.

F-R.:
Du bist jetzt das letzte verbliebene Gründungsmitglied. Wie schwer ist es bei den ständigen Wechseln im Line Up eine gerade Line beim Songwriting beizubehalten, ohne für sich selbst zu große Kompromisse eingehen zu müssen?

Chris:
Ach, das ist gar nicht so schwierig. Es versteht sich von selbst, dass jemand der neu in die Band kommt erst mal zusehen muss, dass er den Spirit der Band verinnerlicht bevor er sich dann maßgeblich einbringen kann. Man heuert ja nicht bei einer Band an und versucht alles anders zu machen. Man mag ja das, was die Band bisher macht, täte man das nicht, dann würde man ja nicht dort anheuern, oder? Also Startpunkt und Richtung sind klar. Es gibt sicherlich Spielraum aber unterm Strich wird keine grundlegend andere Musik herauskommen. Obgleich wir tatsächlich eine große Bandbreite haben. Nimm mal den Track „Endless Pain“ vom aktuellen Album. Der geht schwerstens Richtung QUEENSRYCHE und z.B. „Death from Above“, hier ist (abgesehen vom Gesang) schon fast MOTÖRHEAD angesagt.

F-R.:
Mit 15 Songs auf „Infested By Anger“ habt ihr massig Stoff für die ausgehungerte Fanschar platziert. Für einen, der das neue Album noch nicht kennen sollte, wähle doch bitte mal einen Referenzsong aus und erkläre, warum gerade dieser Titel.

Chris:
Das, mein Lieber, ist nun aus vorgenanntem Grund wirklich schwer. „Kennst-Du-Einen-Kennst-Du-Alle“ geht hier nämlich gar nicht. Machen wir es so: ich nenne 3 „Extreme“
und der Rest liegt irgendwo dazwischen. „Gods of War“ – „Endless Pain“ – „Dead shall Rise“. Der Erste ist ziemlich hackengas, geradeaus in die Fresse. Der Zweite ist eben dieses genannte QUEENSRYCHE-Ding, und der Letzte ist schon fast CANDLEMASS; also recht doomig. Diese Breite ist auch der Grund für die lange Spieldauer des Albums. Wir konnten eigentlich nichts weglassen, obwohl wir schon ein paar echt gute Songs nicht mit drauf genommen haben. Wir bekommen tatsächlich teilweise in den Reviews Dresche, weil das Ding so lang geworden ist. Der geneigte Metaller möchte nach 10 Songs mit einem Album fertig sein, sagt man.

F-R.:
Mit Pure Steel Records veröffentlicht ihr „Infested By Anger“ aktuell wieder über ein Szene-Label. „Forces Remains“ ging „nur“ mit einigen Distributer über den Tisch. Wie realistisch schätzt du eventuelle höhere Verkaufszahlen im Direktvergleich ein?

Chris:
Machen wir uns nix vor: Albenverkäufe sind dermaßen besch…. geworden, dass der Sinn eines Labels mehr und mehr den Bach runtergeht. Die Zeiten sind einfach vorbei in denen ein Label dich als Künstler finanziell so fördern kann, dass du in die erste Liga aufsteigen kannst. Du brauchst eine anständige Promotion und Du brauchst ordentliche Vertriebe, die das Gerät in die Läden stellen. Diesen Weg sind wir mit „Forces Remain“ gegangen; wobei uns dankenswerterweise schon damals Pure Steel Records mit der Promo geholfen haben. Im Vergleich zu anderen Bands unserer Kragenweite verkaufen wir relativ gut, aber ich erwarte nicht, dass wir jetzt mit „Infested by Anger“ einen Quantensprung machen. Ich lasse mich aber gerne positiv überraschen.

F-R.:
Den CUSTARD Backkatalog aus den Zeiten eures alten Labels Mausoleum zu erstehen stellt sich als ein schwieriges Unterfangen dar. Bei ebay z. B. muss man schon einiges an Kohle hinlegen, um an ältere Scheiben zu kommen. Siehst du irgendwann die Chance hier noch mal mit einer Neuauflage nachlegen zu können oder lohnt sich das deiner Meinung nach nicht?

Chris:
Das ist wahr, ich habe letztens bei Ebay zugeschaut, wie ein Exemplar der Erstpressung von der „God of Storm“ EP für 90 Engl. Pfund weggegangen ist. Die „For my King“ gab es nur als CD, ich habe aber professionell aufgemachte Musik-Kassetten davon bei einem Auslandsaufenthalt in Taiwan in den Läden stehen sehen. Scheinbar gäbe es wohl etwas Nachfrage, aber ich nutze die Kohle lieber dafür, etwas Neues zu realisieren als (für uns) olle Kamellen aufzuwärmen. Die Rechte am kompletten Back-Katalog liegen wieder bei uns und vielleicht werden wir uns irgendwann mit einem Label einig und machen da noch was draus, aber geplant ist erst mal nichts in der Art.

F-R.:
An Zeiten, als CUSTARD noch mit großen Bands wie 2006 den aufstrebenden SABATON auf Tour waren, erinnert man sich sicherlich gerne. 2011 und 2012 waren für CUSTARD eher magere Live-Zeiten. Wie sieht es für 2013 aus? Was darf der Fan hier von CUSTARD auf dem Live-Sektor erwarten?

Chris:
Hey, nur weil wir nicht in der Frankfurter Ecke gespielt haben waren wir noch längst nicht untätig *grins*. Nein im Ernst: wir waren 2006 schon echt hart an der Grenze des
Machbaren. Wir sind keine Berufs-Musiker und jeder von uns hat einen Dayjob, Familie, etc. Es ist schon echt Luxus, wenn wir es so schaffen, 10-15 Gigs im Jahr hinzubekommen, aber es geht echt nicht mehr, dass wir an jeder Steckdose spielen und touren bis der Arzt kommt. Natürlich werden wir mit dem neuen Album im Gepäck wieder einige Shows spielen; wir haben auch eine kleine Tour mit 5-6 Shows im März/April bestätigt, aber da geht es eigentlich nur nach Norden- wieder nicht Frankfurt. Ihr müsst uns mal einladen.

F-R.:
Diese Frage bekommen alle meine Interviewpartner gestellt. Kannst du mal eine lustige Anekdote von einem Gig oder aus dem Proberaum zum Besten geben, die noch nicht veröffentlicht wurde?

Chris:
Wir haben auf einem Festival im hohen Norden gespielt. Auf dem Billing war auch die Band GODDESS OF DESIRE, die wir schon von einer Tour kannten. Deren Show hat viel mit Feuer und nackten Frauen zu tun. Wir hatten einen Ersatz-Roadie (Bernie) dabei, der die Band eben nicht kannte. Wir hatten also nachmittags gespielt und die Zeit dort zu bleiben und uns die anderen Bands anzusehen. Außerdem hatten wir alle viel Durst an dem Tag, es war warm. Bernie hatte besonders viel Durst… während GODDESS OF DESIRE spielten, hatte Bernie dann keinen Durst mehr und wollte sehen, wo die ganzen nackten Frauen herkommen. Hinter der Bühne stand auch sein Zelt. Leider konnte Bernie nicht mehr laufen, weil es so warm war und er so viel Durst gehabt hatte. So ist Bernie halt den ganzen Weg vom Bierstand hinter die Bühne (etwa 250 Meter) gekrochen. Als wir ihn dann vermisst hatten und in seinem Zelt nachschauen wollten, haben wir ihn dann gefunden… schlafend im Umkleidebereich der Damen von GODDESS unter einem gewaltigen Holzkreuz, was auch zur Show gehörte. Das war ihm am nächsten Tag kaum peinlich :-)

F-R.:
So, dann zum Abschluss noch deine persönlichen Worte an unsere Leser und eure Fans.

Chris:
Das Inti ist mal wieder etwas lang geworden, wie unser Album. Wer bis hierher durchgehalten hat, dem gebührt mein Dank für das Interesse an meinen Ausführungen und natürlich für das Interesse an CUSTARD im Allgemeinen. Ich hoffe wirklich, dass wir die Möglichkeit haben, mal wieder live in Eure Gegend zu kommen und zünftig mit Euch zu feiern. Bis dahin könnt Ihr uns gerne per Internet im Auge behalten, da werden wir immer wieder Aktuelles einstellen.

Danke für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
Mike von FFM-Rock                                                    Foto by Custard

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