METALLICA - Load (Re-Release)

06 metallica

VÖ: 13.06.2025
(Universal Music)

Genre: Thrash/Heavy Metal/Hard Rock

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METALLICA

In den Neunzigern ging die Welt etwas aus den Fugen, und seien wir ehrlich, daran hat sich bis heute nichts mehr gebessert. Auch die harte Szene unterlag vielen Veränderungen, seit 1991 den traditionellen Hard´n´Heavy auf dem Zenit sah haben Crossover und Grunge das Zepter übernommen. Dem Trend von Rockmusikern sich die Haare kürzen zu lassen folgte bei METALLICA Jason Newsted als Erster. Bis fünf Jahre seit dem schwarzen Album verstrichen waren, war die Band optisch stark verändert, ich erwähne nur den Kajal. Ein Aufschrei ging durch die Szene, noch bevor überhaupt ein Ton des neuen Albums erklungen war, als die Promoshots um die Welt gingen.

Als dann noch OASIS oder U2 als Einflüsse genannt wurden hielt die Metalwelt den Atem an, die Szeneführer plötzlich als Nachahmer? Dabei haben sie seit Beginn auch nur das weitergeführt, was andere begonnen hatten, „Load“ sollte der Fakt nicht von viel Kritik befreien, ebenso wenig wie der, dass die Formation ohnehin stets im Wandel war. Am 4. Juni 1996 erschienen wurde es nun wiederveröffentlicht, warum nach genau 29 Jahren erschließt sich einem nicht so ganz. Noch unübersichtlicher sind die unzähligen Formate, die angeboten werden, Highlight sicherlich die „Deluxe Box“ mit insgesamt 16 CDs, die hier vorliegt.

Mit der Single „Until It Sleeps“ zeigte Hetfield und Co. direkt wie ernst es ihnen ist. Cleana, fast wavige Gitarren, ein unterschwelliger Bass waren völliges Neuland. Da half vielen auch nicht, dass Bridge und Refrain rockig anzogen, dabei war die Nummer atmosphärisch sehr gelungen. „Papa Het“ selbst lieferte ein weiteres Mal eine reife Gesangsleistung ab und auch sonst sah sich die Band in vielerlei Hinsicht verbessert. Einzig das Härtelevel wurde noch weiter nach unten geschraubt, die „Ausverkauf“-Rufe noch deutlich lauter.
In der Tat gab es einiger recht poppige Ausflüge auf dem sechsten Langspieler, allen voran bei „Hero Of The Day“. In dessen Strophe nahm der Bass gar eine Führungsrolle ein, nachdem dieser auf „And Justice For All“ ins Nirvana gemischt wurde. Es schien als wollten die anderen Drei Widergutmachung bei Newsted betreiben, dem öfter die Leadrolle zufiel. Die Nummer schleppte sich melodisch voran und wurde später ebenfalls als Single veröffentlicht. Für Altfans zog das Tempo im Mittelpart an und die Drums mahlten ordentlich.

Überhaupt fing „Load“ für die Anhängerschaft gut an „Ain´t My Bitch“ schob mit kernigem Riff voran und hätte mit anderen Produktionsparametern den Vorgänger veredelt. Nachdem die Bridge sich etwas zurücknahm, krachte der Chorus unterstützt von Staccato richtig rein. Allerdings kam die Scheibe da im weiteren Verlauf nicht mehr heran, ein paar Stücke wie „King Nothing“ zogen härtere Seiten auf, verfielen aber meist in den typischen Groove, welcher das Album prägen sollte. Prägnante Riffs findet man noch ein in „Thorn Within“, wobei die Nummer gekonnt zwischen Lava und sanften Passagen pendelt.

Befreit von der eigenen Erwartungshaltung konnten sich die Musiker nach Belieben entfalten. Kirk Hammett durfte plötzlich Feeling und bluesige Töne zeigen, nachdem man ihn zuvor lieber als Hochgeschwindigkeitsshredder eingesetzt hatte. Das erdigere Klangbild, für welches sich erneut Bob Rock verantwortlich zeigte brachte dessen Spiel noch deutlicher zur Geltung, man höre nur das abschließende schwerfällige Epos „The Outlaw Thorn“, wo er mit dem Wah Wah zaubert. Ihm kam das Material entgegen, bei dem sich vieles im unteren bluesigen Midtempo abspielte, Titel wie „The House Jack Built“ hätten durchaus von Saufkumpan Glenn Danzig stammen können.

Der Frontmann selbst konnte endlich seiner Leidenschaft für Country und Elvis frönen, die er in „Mama Said“ perfekt vereinte. Zur Akustischen und Lap Steel croonte er in großartiger Manier, was seine immer weiter verbesserte Technik möglich machte. Wer Musikalität zu schätzen weiß und ohne Stilvorgaben heran geht, wird hier seine Freude haben, obgleich die ganz großen Hits nicht komponiert wurden. In Sachen Megaballade boten METALLICA diesmal „Bleeding Me“ in der Tradition von „One“ oder „Fade To Black“ an. Hier gehen sie noch weiter zurück und bedienen sich voll bei den Siebzigern, was sich im Ansatz öfter auf „Load“ abzeichnete, speziell in Sachen Gefühl.

Doch selbst in der Nummer gab es Momente, die klar ihre Urheber erkennen ließen, wie das Drumming von Lars Ullrich. Niemand vermag es so gut zu arrangieren, die Phrasierungen in Gesang und Gitarrenlinien so gut zu unterfüttern wie der gebürtige Däne. Zumindest ab „Master Of Puppets“ sollten sich immer stilistische Querverweise finden. Auf der einen Seite eine Fortführung vom selbstbetitelten Album, auf der anderen Seite hat es der Vierer erneut fertig gebracht ein komplett eigenständiges Werk zu veröffentlichen. Keine Band sonst hat je sechs Alben hintereinander auf den Markt gebracht, deren Songs sich von der Charakteristik so zweifelsfrei zuordnen lassen wie die Bay Area-Helden zu dem Zeitpunkt.

Ab dann wurde alles anders, denn „ReLoad“ war im Anschluss eigentlich nur eine B-Seiten-Ausgabe dieses Werkes, dazu mit weniger gutem Sound. Ich gehöre sicher zu den wenigen, die beide Platten qualitativ so unterschiedlich werten, möchte hier gar eine Lanze für „Load“ brechen. Die meisten sehen beide entweder als weitere Outputs ihrer Faves an oder lehnen sie aufgrund der Stilveränderungen ab. Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt, wie oft in den Neunzigern wurde zu viel drauf gepackt, gerade bei den schleppenden Midtempo-Stücken hätte man kürzen können. Neun oder zehn Lieder und dazu mit „The Memory Remains“ den einzigen Hit des Schwester-Albums, wäre perfekt gewesen.

Bei dem riesigen Bonuspaket fängt es mit einem Mitschnitt vom „Loadapalooza ´96“ an, dessen Qualität jedoch etwas leidet. Zudem wirkt Hetfield bei den Ansagen auf dem großen Festival etwas überdreht und generell gibt es viel Nonsens von der Band, welche die Sache wenig ernst nimmt. Einige Spielfehler sind die Folge, wobei diese der Authentizität wegen nicht editiert wurden, was immerhin ein ehrliches Statement bringt, dessen Highlight die Version von „Overkill“ mit Lemmy ist.
Von den Liveaufnahmen ist sicherlich „Donington ´95“ die konsistenteste, wobei klar wird, wieso diese Truppe nie ein offizielles Livealbum zustande brachte. Die Qualität des Archivmaterials genügt deren Ansprüchen nicht, für Bonusmaterial ist es in Ordnung. Gerade bei dem Konzert, das auf zwei Discs verteilt ist, wurde das Publikum sehr nach vorne gemischt, was viel Hörspaß bringt. Schon die witzige Ansage nach dem Intro, dass METALLICA aufgrund des Todes des Heavy Metal abgesagt hätten sorgt für Lacher.

Mit „Breadfan“ wird fulminant eingestiegen, das Energielevel ist durchgängig hoch, wobei die Ansage damals tatsächlich eine gewisse Relevanz hatte, aber dass es seltsame Zeiten waren erwähnte ich eingangs. Seltsam auch, dass „Master Of Puppets“ damals nur bis zum Mittelpart gespielt wurde, was dem Übersong seiner Brillanz beraubt, noch öfter in der Box nachzuhören. Zwei neue Lieder kamen ebenfalls zum Zug, wobei neben „2x4“ „Devil´s Dance“ nicht auf „Load“ landete. Beide Titel gibt es noch einmal am Ende des zweiten Silberlings in der Version aus dem „Astoria“. Interessant auch die witzigen Jams, die sich die Jungs auf der Bühne lieferten und in die sie einige Rockklassiker einpflegten.

Cool sicherlich auch der Auftritt im leider mittlerweile geschlossenen Kultclub von San Francisco, dem Slim´s kurz nach Release von „Load“. Hier wäre aufgrund der intimen Atmosphäre Videomaterial sinnvoll gewesen, weil es doch einzigartig ist. Wobei sich die Setlists bei allen Mitschnitten hier nicht groß unterscheiden, hier ist Jim Martin als Gast bei „Last Caress“ zugegen. Abgerundet werden diese beiden Silberlinge von einem weiteren Tondokument dieser Art. Für den Sender 100.7 WMMS in Cleveland zockten METALLICA im dortigen Oden Concert Club ein „Coffee Break Concert“, bei dem hauptsächlich neuere Lieder zum Besten gegeben wurden.

Von der Europatour Ende 1996 stammen die beiden Dreher, die deren Auftritt im Osloer Spektrum. Der gibt aber nach Durchhören der ganzen Box kaum noch neue Erkenntnisse über diese Ära, außer mehr Titel von dem Album, um das es hier geht. Hier wird die Spielzeit der zweiten Hälfte mit ein paar Probemitschnitten aufgestockt. Und die beiden letzten Teile des Sets beinhalten einzelne Songs, die querbeet auf jener legendären Rundreise inklusive Fake-Bühnenunfall aufgenommen wurden. Bis auf „Fuel“ und „The Shortest Straw“ findet sich nicht viel, was nicht zuvor schon mehrmals zu hören war. Nur wie kommt „Breadfan“ aus der Seidenstickerhalle da drauf, wo es Bielefeld doch gar nicht gibt?

Für Musikwissenschaftler unter den Metalheads hat man hier ein besonderes Schmankerl bereit, das sich über sage und schreibe fünf randvolle CDs erstreckt und etliche Studio-Outakes beinhaltet. Anfangs nur als einzelne Riffideen, die von anderen Bandmitgliedern kommentiert werden, kann man den Entstehungsprozess von „Load“ gut nachvollziehen. Dabei klingt zu Beginn einiges roher und mehr nach dem, was man von dem Quartett bisher gewohnt war, erst mit der Zeit kam der Mut, mehr Gefühl zuzulassen.
Das geht weiter über rohe Demoabmischungen, die ebenso einen oldschooligeren Touch haben. Vieles zu Beginn auch noch instrumental, über „Vocal Idea“-Mixes, wo Hetfield mit „Oh“, „Ah“ und „Yeah“ die Melodien improvisiert. Am Ende kommen die Soli dazu, dann verschiedene Takes der Endfassungen, wobei da zu Beginn auch mal zu hören ist, dass es hoffentlich der letzte sei. Etwas ermüdend für den normalen Hörer, bietet sich ein guter Einblick in die Studioarbeit.

Die Schatzkiste wir dann mit „B-Sides & Rarities“ geöffnet, was man jetzt positiv wie negativ auslegen kann. Auf der Habenseite wird sicherlich neben den vier bereits auf „Garage Inc.“ zu hörenden MOTÖRHEAD-Covern die Palette noch mit „The Chase Is Better Than The Catch“ und „(We Are) The Roadcrew“ erweitert. “Mama Said“ gibt es als Radio Edit und von „The Outlaw Thorn“ die ungekürzte Fassung, die damals der ohnehin zu vollgepackten Spielzeit zum Opfer fiel.
Dann heißt es selbst für diejenigen, die der neuen Richtung etwas abgewinnen konnten stark zu sein, denn von den Singles gibt es elektronische Remixes, welche schon reichlich Offenheit verlangen. Da entschädigt „Mama Said“ am Ende, das Hetfield alleine mit der Klampfe bei „Later With Jools“ performt. Alles in allem ein wertiges Boxset, welches ein Album ehrt, dass zu Unrecht verteufelt wurde, dessen Einflüsse sich bis heute in der DNA der Band halten, deren Stil sich mittlerweile irgendwo dazwischen kulminiert hat.

8,5 / 10

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