DIRE STRAITS - Brothers In Arms (40th Anniversary)

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VÖ: 16.05.2025
(Vertigo/Universal)

Genre: Country/Rock/Blues

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DIRE STRAITS

Es gibt sie, die ganz besonderen Momente, wo einfach alles passt, wo in vielfacher Hinsicht Geschichte geschrieben wurde. Einen solchen erlebten die DIRE STRAITS mit ihrem fünften Album, dass sie komplett zu Superstars machte. Dabei war die Formation schon zuvor erfolgreich gewesen, schon das selbstbetitelte Debüt warf mit „Sultans Of Swing“ einen Welthit ab. Wo andere froh wären, wenigstens einen davon zu haben, es nur wenige gibt, die auf mehr als einen kommen, so gelangen auf dem Ausnahmealbum gleich mehrere. Wobei nicht nur das Songwriting außergewöhnlich war, sondern auch die Begleitumstände, welche Maßstäbe in der Musikindustrie setzen sollten. Dabei war „Brothers In Arms“ gar nicht mal unumstritten, dessen Release sich nun zum vierzigsten Mal jährt.

Kritik an der zu dem Anlass neu aufgelegten Scheibe gab vor allem wegen „Walk Of Life“, die ich allerdings nie nachvollziehen konnte. Gut, ich bin da etwas befangen, persönlich bedeutet mir das Werk sehr viel, das erste welches ich mir Tage nach dem Geschenk einer Stereoanlage von einem Freund tapte, damals musste man die Menschen noch kennen. Doch jene angesprochene zweite Single ist ein so lockerer Rocker, der mit viel Orgel wunderbar in die Hüfte fährt, eigentlich ein Hit par excellence.
Wie kaum bei einem anderen Song wird die in den Siebzigern verhaftete Lässigkeit mit den für die Achtziger typischen schmissigen Hooks gekreuzt. Klar sahen einige den Ausverkauf, die Öffnung vom Kitsch, aber wo Mastermind Mark Knopfler davor öfter mal zu trocken agierte, konnte er sein Talent in wirklich durchweg packende Songs umsetzen. Und ich mag heute noch die Liverversion vom „Free Mandela“-Konzert mit Eric Clapton an der Rhythmusgitarre.

Schon der Opener „So Far Away“ bewies, dass man sich nicht von den eigenen Trademarks verabschiedet hatte, sondern diese nur verfeinert. Die Lap Steel unterstreicht die Country-Einflüsse und Gesang sowie Spiel von Knopfler haben die altbekannte Lakonie, unaufdringliches britisches Understatement eben. Was auch für das ruhige „Why Wory“ gilt, welches ebenso zurück auf die Anfänge der Band geht, wo spärliche Akkorde für maximale Spannung sorgen. Bei der Coda hingegen wird der Bogen zum Vorgänger „Love Over Gold“ mit seinen cineastischen Arrangements gespannt. Reduziert geht auch „The Man´s Too Strong“ zu Werke geht, wo die Strophe ohne Rhythmusbegleitung auskommt. Hingegen donnern perkussive Elemente im Refrain voll rein, was einen sehr rockigen Unterton bringt.

Der kommt nicht von ungefähr, lässt doch der Bandboss seinen Telecaster öfter aufbrausen. Wobei „Money For Nothing“, der größte Hit der Band eigentlich ein Versehen war, aber eben jenen knackigen Gitarrensound fabrizierte. Schon vom Riff alleine sehr markant, verlieh der Klang der Nummer noch mehr Würze. Garniert mit dem sphärischen Intro, zu dem der zufällig anwesende Sting die Backgroundvocals einsang.
Passender hätte seine Zeile „I Want My MTV“ nicht sein können, denn mit dem ersten computeranimierten Video der Musikgeschichte war es das erste, welches MTV Europe spielte. Die beiden Benchmarks sind nicht die einzigen, die mit dem Album fielen. Der Text ist eine bissige Abrechnung mit der landläufigen Meinung, dass Musiker ihr Geld für das Nichtstun bekommen würden, ein Statement das heute noch relevanter ist.

Etwas heftiger geht es auch auf „One World“ zu, bei dem zudem Neil Jason einen knackigen Bass spielt. Das war notwendig geworden, weil John Illsely beim Joggen stürzte und sich die Hand brach, auch Tony Levin war im Einsatz. Überhaupt erweiterte sich die Stilpalette noch weiter auf „Brothers In Arms“, gerade dem Jazz wandte sich die Band verstärkt zu. Das smoothe, fast soulige „Your Latest Trick“ kann ebenfalls mit prominenten Gästen aufwarten.
Das Trompetensolo zu Beginn stammt von Randy Brecker, dessen jüngerer Bruder Michael dann mit der wunderschönen Saxophon-Linie übernimmt. Was da in „Ride Across the River“ rhythmisch abgeht ist kaum zu erfassen, Reggea-Anleihen spielten mit rein, Tasten und Saiten hauen sich die Licks um die Ohren. Wie auf dem gesamten Werk ist alles bis ins Detail durcharrangiert, jeder Ton ausgefeilt und perfekt auf den Punkt, ohne jetzt auch nur ansatzweise steril zu wirken.

Und dann natürlich das abschließende Titelstück, einer der ganz großen Klassiker der Musikgeschichte, ein Anti-Kriegs-Lied vom Falkland-Konflikt inspiriert. Aus Gewitterwolken schält sich der Synthesizer empor, bevor Knopfler das bluesige Grundthema anstimmt. Mit Einsetzen der eindringlichen Lyrics, nur vom Akkordeon begleitet wird man völlig von der warmen Atmosphäre in den Bann gezogen. Irgendwo zwischen Verzweiflung und Versöhnung gibt es Melodien für die Ewigkeit, bis dann die Sologitarre ihre erste Duftmarke setzt.
Im Prinzip gibt es keinen Chorus, am Ende schweben die sechs Saiten über Orgel und Synthesizer gleichermaßen, mit schemenhaftem Drumming. Ein Segen mit Alan Clark und Guy Fletcher zwei versierte Keyboarder an Bord zu haben, die ihre Parts traumhaft einbringen, sich mit ihren unterlegenden Flächen abwechseln. Einen derartigen Solopart nach einer überragenden Ballade gelang höchstens noch in „Comfortably Numb“, zwei Meisterstücke, die für immer Bestand haben werden.

Man könnte da noch länger wegschweben, wünscht es würde nie enden, die absolute Vollkommenheit. Deswegen gibt es in der Plattenversion auch noch eine Minute mehr als auf der Single und auf CD noch eine weitere Minute. Jene Möglichkeiten eröffnete das neue Medium, dort wo viele Alben Bonustracks aufweisen hat man einfach jedem Lied mehr Spielzeit gegönnt, um sie noch mehr wirken zu lassen.
Leider wurde das in den frühen Neunzigern zur Marotte, als man Scheiben einfach zu vollpackte, nur weil etwas technisch möglich ist, muss man es nicht künstlerisch ausreizen. „Brothers In Arms“ fand wie in allen Belangen genau die richtige Dosierung. Deswegen wurde es jenes Werk zum Meilenstein der Entwicklung, es verkaufte als Erstes mehr CDs als Vinyl-Kopien und war die erste Compact Disc, die sich mehr als eine Million Mal verkaufte.

Nicht nur in kommerzieller Hinsicht verhalfen die DIRE STRAITS damit dem von Phillips erschaffenen Standard zum Durchbruch. Auch in Sachen digitaler Aufnahmetechnik war man der Zeit voraus und hatte erstmals das „DDD“-Label auf der Rückseite des ikonischen Artworks. Was Neil Dorfsman an den Reglern zauberte war kristallklar, brillant, fast monolithisch, alles war plastisch zu vernehmen und verschmolz dennoch zu einem Ganzen. Ein Klangniveau, das heute gar nicht mehr erreicht wird, erst recht nicht seit ominösen Kopierschutz-Systemen. Der Perfektion setzte Deborah Feingold die Krone auf, die für das Cover nur eine einzige Aufnahme benötigte, um die vom Roadie hochgehaltene Style Resonator so in Szene zu setzen.

Mit dem Opus Magnum im Rücken ging es eineinhalb Jahre auf Tour mit 243 Konzerten, welche die Band auslaugten. Doch den Rückenwind musste man mitnehmen, für mich und viele andere ihr bestes Werk, dass mit dreißig Millionen Exemplaren zu den dreißig mistverkauften Alben aller Zeiten gehört. Lange war keine Liveversion davon verfügbar, erst mit der jetzigen Neuauflage kommt „San Antonio Live 1985“, um diesen Makel zu beheben. Wie auf der ganzen Tour befindet sich darauf das gleiche Set, welches seltsamerweise ohne „Telegraph Road“ auskam. Wobei es anhand der vielen Klassikern schwer ist die idealen Songs heraus zu suchen, aber angesichts von Liedern wie „Wild West End“ hat der eigenwillige Knopfler mehr auf sich als auf das Publikum gehört.

Die Umsetzung ist nur halb gelungen, was wohl ein Grund war warum das Material, welches am 16. August des Jahres im Municipal Auditorium in der texanischen Küstenstadt aufgenommen wurde damals nicht veröffentlicht wurde. Soundtechnisch fehlt da einerseits das Volumen, andererseits auch der raue Charme einer Liveshow, und beim Mischen wirkt der Bass ziemlich dumpf. Das Publikum ist zwar zu hören, aber wirkt meilenweit weg, von der Klangfarbe kommen die viele Stimmen, die jedoch untergehen.
Der Mastermind wirkt stimmlich nicht hundertprozentig auf der Höhe, verschluckt einige Phrasierungen, was an Eindringlichkeit kostet. Streckenweise wirken auch seine Licks nicht so ausgereift wie gewohnt, es scheint, als müsse er sich in die Songs hineinfinden. Denn im Verlauf der einzelnen Stücke dreht er immer mehr auf und steigert sich pünktlich zum Finale jeweils in Ekstase. Wobei er auch brillant von seinen Mitmusikern unterstützt wird, die absolut sicher im Hintergrund agieren.

Bei der Umsetzung nehmen sich DIRE STRAITS durchaus ihre Freiheiten raus, zwar mag das geniale „Ride Across The River“ nicht der beste Opener sein, doch gleich zu Beginn bekommt er ein extra Solo spendiert. So werden einige Nummern gegenüber der Albumversion genüsslich ausgedehnt, jedoch nicht „Why Worry“, welches abrupt mit einem etwas uninspirierten „Jo!“ beendet wird. Dazu wird einiges umarrangiert, das Grundthema des finalen „Going Home“ übernimmt hier das Saxophon.
Ganz großes Kino liefern die Sieben bei „Sultans Of Swing“, wo sich zum Ende hin die Leadgitarre fast überschlägt und Terry Williams dazu punktgenaue Drumrolls einstreut. Bei „Walk Of Life“ kommt Jack Sonni Clapton ziemlich nahe und lässt den Hit mehr rocken. Höhepunkt sicher „Tunnel Of Love“, bei dem schon vor dem „Carousel Waltz“ munter gejammt wird. Am Ende werden da fast zwanzig Minuten draus wieder mit endlosen Soli, die zwischen filigran und melodisch wechseln und sich die Formation in einen regelrechten Rausch spielt.

Nicht nur da stehen einem die Freudentränen in den Augen, der Titelsong strahlt ebenso übergroß. Da kann man über ein paar Mängel hinwegsehen, die heute eher verziehen wären, wo doch viel Durchschnitt auf den Markt gelangt. Als Beigabe zur Wiederveröffentlichung aber auf jeden Fall eine Entdeckung wert, gerade wegen dem historischen Wert. Abgerundet wird das Paket von den Liner Notes des Journalisten Paul Sexton, der die Band damals begleitete und sich viel mit Illsley und Fletcher unterhalten hat. Mit „40th Anniversary“ erfährt eines der besten Alben aller Zeit eine ansprechende Würdigung. Anhand der Superlativen und Meilensteine kann da in der Historie vielleicht noch „Sgt. Pepper´s Lonely Heartclub Band“ mithalten, was die Relevanz verdeutlicht.

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