AVANTASIA - Here Be Dragons

03 avantasia

VÖ: 28.02.2025
(Napalm Records)

Genre: Symphonic Metal

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AVANTASIA

Tobias Sammet denkt nicht dran die Bandpause von EDGUY zu beenden, aber immerhin stecken zwei Fünftel in seinem Soloprojekt, dass sich längst zur Hauptbeschäftigung gemausert hat. Die Besetzung ist inzwischen gefestigt und hat viele Touren und im letzten Jahr Festivals absolviert. Erfolgstechnisch ist er seinen alten Kollegen was Verkäufe und Zuschauer angeht voraus, nun ziehen AVANTASIA mit dem zehnten Werk „Here Be Monsters auch bei der Anzahl der Studioalben gleich. Auf dem hat er wieder eine illustre Schar an Gastmusikern versammelt, wobei einige alte Bekannte dabei sind.

Zu Beginn geht der Macher wie bei vielen seiner Konzerte aber alleine ran, „Creepshow“ ist ein lockerer Rocksong, der nicht zuletzt wegen seiner Arrangements zu überzeugen weiß. In drei Minuten finden sich hier dicke Chöre und tolle Harmonien, sowohl gesanglich als auch Instrumental. Es zeigt die Einheit, mit der die Gitarre von Sascha Paeth zupackt und dem sich noch zurückhaltenden Synthesizern von Michael Rodenberg. Besonders der frühere HEAVEN´S GATE-Mann kann mit dem Vehikel den Erfolg einfahren kann, den man ihm schon Ende der Achtziger vorhersagte.

Auch das fantastische Kompositionstalent von Sammet zeigt sich partiell, wobei es sich im anschließenden Titelsong erst zur vollen Blüte entfaltet. Wie er die einnehmenden sphärischen Gesangslinien Geoff Tate auf den Leib schneidert ist großes Kino, was der Mann natürlich mit seinem beseelten Beitrag veredelt und jeden Ton mitlebt. Durch neun Minuten wird der Hörer mitgenommen in die Klangwelt, deren Sagen auch viel Bezug zur Gegenwart haben. Im Mittelteil zieht es erst rockig an, serviert uns Solopassagen, bevor es noch ruhiger wird, um dann wieder im Chorus zu explodieren.

Explodieren tut auch „The Moorland Of Twilight“, welches die Geschwindigkeit so richtig anzieht. Dass in der Bridge mit Orgelflächen die Dynamik runtergefahren wird, erhöht die Hymnenhaftigkeit danach umso mehr. Feine Leadfills jagen den Gesang von Michael Kiske, fast so als ob Ritchie Blackmore zu Gast bei HELLOWEEN wäre. Den Galopp reitet auch „Against The Wind“, wo der Name Programm ist, sich Kenny Leckremo jedoch nicht so prägnant in Szene setzen kann wie seine Kollegen, auch weil das Timbre des H.E.A.T-Sängers nicht so weit weg vom Mastermind ist.

Interessant ist in der Hinsicht vor allem, dass AVANTASIA mit Roy Khan und Tommy Karevik zwei Frontmänner von KAMELOT hier gegeneinander zu stellen. Der frühere wird am abschließenden „Everybody´s Here Until The End“ von Orchestrierungen begleitet und liefert einen wirklichen erhebenden Abschluss mit einem unendlich weiten Refrain. Dahingegen hat der aktuelle mit „The Witch“ eine der düstersten Nummern der Scheibe bekommen, die zwischendrin mit gregorianischen Chören aufwartet und einige elektronische Spielereien bereithält.

Was hier besonders auffällt, ist wie es der Songwriter versteht jedem Vokalisten einen Song auf den Leib zu schneidern, der ebenso von dessen Stammcombo kommen könnte. Dabei verliert er jedoch nie seinen eigenen Charakter aus den Augen, sondern fügt ihn gut in sein Schaffen ein. Der von Ronnie Atkins gesungene moderne Rocker würde PRETTY MAIDS gut zu Gesicht stehen, wobei jene sicher in seiner Jugend zu den Einflüssen von Sammet gezählt haben dürften. Da schließt sich wiederum der Kreis, der alles so rund macht auf „Here Be Dragons“.

Als Glanzstück fungiert daher „Bring On The Night“, bei dem er bewusst auf den Spuren des späten Tony Clarkin wandelt. Bob Catley ist ja Stammgast bei AVANTASIA, der dem ruhigen Auftakt so eine Würde beschert. Perlende Keyboardkaskaden umspielen dann den unfassbaren Refrain, der einfach die Faust nach oben recken lässt, sogar das Solo atmet das charmante Understatement des MAGNUM-Mainman. Jene Komposition macht deutlich wie frisch Tobias Sammet auch bei seinem zwanzigsten Langeisen noch zu Werke geht. Mühelos schüttelt er süffige Melodien fassweise aus dem Ärmel, bisher das beste Output in dem Jahr.

8,5 / 10