DREAM THEATER - Parasomnia

02 dreamtheater

VÖ: 07.02.2025
(Inside Out/Sony)

Genre: Progressive Metal

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DREAM THEATER

Auf diese Nachricht hatte die Prog Metalwelt lange gewartet, nach vierzehn Jahren kehrte der verlorene Sohn zurück in den Schoß der Familie. Gründungsmitglied Mike Portnoy sitzt wieder auf dem Drumschemel der bedeutendsten Formation des Genres. Was ihn letztlich dazu bewog, bliebt ebenso unklar wie sein Ausstieg seinerzeit und auch der lautlose Abgang seines Platzhalters Mike Mangini. Denn DREAM THEATER sind ebenso aktiv wie damals und der Schlagwerker ließ in Zwischenzeit keinen Job aus, was seine seinerzeit angemahnte Überarbeitung nicht gerade belegt. Mit ihm ging es gleich auf Tour zum vierzigsten Jubiläum, um direkt im Anschluss „Parasomnia“ zu veröffentlichen.

Damit schafft die Band eine Sammlung lose zusammenhängender Lieder, die sich alle um das Thema Albträume und Schlafstörungen drehen. Kein Konzeptalbum im eigentlichen Sinne wie „Scenes From A Memory“, eher ein roter Faden wie bei „Six Degrees Of Inner Turbulence“. In Sachen Reunion und Arbeitsteilung ließen die Fünf verlauten, dass Gitarrist John Petrucci wie auf den letzten sechs Platten die Produktion alleine übernommen hat und Portnoy nicht als Co-Produzent fungiert.
Doch schon der Opener „In The Arms Of Morpheus“ belegt, wie groß dessen Einfluss auf das Songwriting und die Gestaltung ist. In jenem mehr als fünf Minuten einnehmenden Auftakt reihen sich Riffs in dunklen Soundscapes aneinander, die im weiteren Verlauf noch öfter auftauchen. Die sechs Saiten liegen deutlich tiefer als zuletzt, gerade auf „Dream Theater“ und „Distance Over Time“ hatten sich rockige Töne und traditionelle Metalriffs wieder mehr etabliert.

Die nunmehr sechzehnte Scheibe zieht die Härteschraube wieder an, teils kommt das recht körnig daher. Obendrauf kommt noch eine Düsternis, wie man sie vielleicht bei „Systematic Chaos“, allenfalls jedoch „Train Of Thought“ zuletzt gehört hat. In den langen Intros, den Streicheruntermalungen herrscht eine beklemmende Atmosphäre, welche gut zum lyrischen Inhalt passt. Mit der Rückkehr des Drumderwischs wollten DREAM THEATER wieder grooviger werden, keine Clicktracks mehr verwenden.
Dies wurde ohrenscheinlich umgesetzt, ob das ein Plus ist sei dahingestellt. In Szene setzen kann sich der gute Mike meist bei seinen typischen Rolls, ein Stilmittel das inflationär eingesetzt wird. Die erdigere Ausrichtung manifestiert sich ebenso in der Verwendung der Orgel von Jordan Rudess, während die Synthesizer bis auf ein paar Schwaden und Soli in den Hintergrund rücken. Was jedoch nur bedingt eine Neuerung ist, wartete „A View From The Top Of The World“ ebenfalls damit auf.

Überhaupt kommen einem viele Elemente bekannt vor, ein paar Mal setzt der Tastenmann zum flotten Pianosolo an, wie man es von „The Dance Of Eternity“ her kennt. Natürlich haben die Herren ihre Formel gefunden, die sie nur minimal abändern, auffällig Innovatives bringen sie nicht mehr hervor nach vierzig Jahren. Das ist eher Technikshowdown, wobei man ihnen dennoch attestieren muss, dass sie jedem Werk einen eigenen Charakter geben. Von dem Standpunkt unterscheidet sich „Parasomnia“ neben der dunklen Atmosphäre auch von dem häufigen Einsatz von Samples her, welche genau ebenjene unterfüttert und ein cineastisches Feeling verbreitet.

Was den Kompositionen jedoch abgeht sind wirklich memorable Momente, die ganz großen Melodien. Was nicht nur am eher mediokren Vortrag von La Brie liegt, sondern einfach am Songwriting, vielleicht auch an der Konzentration auf andere Parameter. „Train Of Thought“ mag stilistische Referenz sein, aber solch aufbrausende Refrains wie von „Endless Sacrifice“ sucht man hier vergebens. Was man von der Scheibe rüber gerettet hat ist eher die metallische Kante, welche in „Midnight Messiah“ thrashige Züge trägt. An die klarere Linie des vorletzten Albums kommt am ehesten „Dead Asleep“ heran, bei dem auch Streicher eine Rolle spielen.

Ob es deswegen so ein Segen war, dass Portnoy zurückgekehrt ist, der ja die härtere Marschrichtung zu befeuern scheint, lasse ich mal dahingestellt. Die besten Momente findet man auf dem Dreher, wenn das Tempo herausgenommen wird, am besten nachzuhören, wenn man in das Gefrickel eher warme jazzige Noten einfließen lässt. Im abschließenden Zwanzigminüter „The Shadow Man Incident“ schlägt Petrucci gar bluesige Töne an, die ihm gut zu Gesicht stehen. Vom Aufbau her bietet die Nummer die bekannte Genialität, mit drei völlig verschiedenen Strophen die von langen Instrumentalparts getrennt sind und alle den selben Chorus haben.

Dann ist da natürlich noch „Bend The Clock“, eines der gefühlvollsten Stücke ihrer Karriere, mit akustischer Gitarre und sanftem Piano zurückhaltend arrangiert. Die Melodiebogen können zwar nicht ganz mithalten, aber gegen Ende wird es groß. Dann soliert der Sechssaiter traumhaft schon über Synthesizerflächen und sorgt für den floydigsten Moment de er je hervorgebracht hat. Das kann dennoch nicht darüber hinweg täuschen, dass man unterm Strich nicht über dem Vorgänger ins Ziel kommt. In der Summe macht sich die Rückkehr nicht bezahlt, da ich vier der sechs Platten mit Mangini besser als „Parasomnia“ einstufen würde.

7,5 / 10