STEVE HACKETT - The Circus And The Nightwhale

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VÖ: 16.02.2024
(Inside Out/Sony Music)

Genre: Progressive Rock

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STEVE HACKETT

Diesmal hat es der Meister etwas ruhiger angehen lassen und sich mehr als zwei Jahre Zeit gelassen. Was aber immer noch eine reife Leistung darstellt, denn im Jahr 2021 veröffentlichte er gleich zwei Studiowerke. Zudem kamen in den letzten beiden Jahren Livealben mit viel Material aus seiner GENESIS-Vergangenheit, die jeweils einem bestimmten Thema untergeordnet waren. Um diese aufzunehmen musste STEVE HACKETT dann auch touren, was er ausgiebig tat, oft mit langen Konzerten, um genug Lieder aus seinen zwei Karrierephasen unterzukriegen. Nun kommt wieder ein Langeisen mit dem obskuren Titel „The Circus And The Nightwhale“ und einem ebenso obskuren Artwork.

Hierbei handelt es sich um eine Konzeptgeschichte um einen jungen Heranwachsenden, in welcher der Gitarrist auch autobiographisches verarbeitet hat. Ein Stoff wie gemacht für seine musikalischen Reisen, die ihn bis heute an neue Orte führen, sowohl thematisch als auch angesichts weltmusikalischer Einflüsse. Was als Erstes beim neuen Album auffällt ist die recht kurze Spielzeit, die Songs sind eher knackig gehalten, nicht mit fast Longtrackcharakter. Alleine fünf davon sind eher Intros und zum Teil auch instrumental gehalten.

Etwas länger mit drei Minuten beschließt mit „White Dove“ ein weiteres Instrumental die Scheibe, bei dem lediglich die Akustische zu hören ist. Hier werden Erinnerungen an „Horizons“ wach, zeigen aber einmal mehr seinen klassischen Ansatz, den er in akustischer Weise beim vorletzten Dreher „Under A Mediterranean Sky“ besonders heraus stellte. Bei dem Album münden jene Inspirationen gerne in orchestrale Passagen, bei denen sein Keyboarder Roger King wieder die ganze moderne Technik genutzt hat, um diese authentisch darzustellen.

Teilweise wird das Rockinstrumentarium komplett ausgespart wie beim Outro von „Enter The Ring“, bei dem es sich erst einmal aus Pfeifen und Flöten schälen muss. Jene, von seinem Bruder John gespielt, begleiten die ganze verträumte Nummer, bei welcher die Töne wunderbar herab perlen und teilweise sehr geschickt verpackt sind. Das Spiel mit den Klangfarben treibt Hackett hier auf die Spitze, nutzt alle möglichen Effekte, die sich im Studio so bieten. Am deutlichsten bei „Taking You Down“, das von einem schweren Riff geprägt wird.

So lässt er gerne die Gitarre wie ein Tasteninstrument tönen und dann wieder umgekehrt, was ein bisschen an „The Lamb Lies Down On Broadway“ denken lässt. Dass man die Handschrift dennoch entziffern kann und alles echt klingt ist ein Verdienst der Könner, die hier am Werk sind. „All At Sea“ startet mit furiosen Soloattacken, bevor diese den Weg für Synthieklänge frei machen, die möglicherweise Walgesänge imitieren sollen.
Abgesehen davon ist „The Circus And The Nightwhale“ direkter gemischt als der harmonische Vorgänger. Zusammen mit den knappen Spielzeiten führt das zu einem eher harschen Eindruck, der nicht so umschmeichelt. Es passiert sehr viel in kurzer Zeit, manchmal zu viel, die einzelnen Motive können sich nicht voll entfalten. Durch die weniger opulenten Arrangements werden die unterschiedlichen Parts zusätzlich heraus gestellt.
So wirken die Riffs kantiger als bei durchaus schon mit dem Prog Metal flirtenden Vorgänger, gerade im instrumentalen „Breakout“. Jenes geht über das bereits erwähnte „All At Sea“ und dem sehr atmosphärischen „Into The Nightwhale“ in das fast QUEEN-mäßige „Wherever You Are“, das quasi den Höhepunkt vorm akustischen Rausbegleiten gibt.

Auf seinen Reisen nimmt STEVE HACKETT auch immer die Einflüsse der Länder mit. „Circo Inferno“ siedelt im Orient an, das von für diese Hemisphäre typischen Instrumenten vorgetragene Intro wird von seiner Gitarre weiter gesponnen. Europäischer und sakraler geht es im längsten Lied „Ghost Moon And Living Love“ zu, welches streckenweise sakral anmutet.
Das beste Beispiel für mehrstimmigen Gesang, wo Nad Sylvan und Amanda Lehmann glänzen können. Wie bei seinen letzten Werken sind die Melodien sehr getragen, was dieses Mal die teils wilden Abfahrten, wo auch immer das Saxophon reingrätscht besonders erdet. Ein weiterer Schlenker geht zum Blues von „Get Me Out“ wo Riff wie auch Licks das Genre ebenso zitieren wie das klimpernde Piano.
Sicher nicht die stärkste Scheibe des Briten, aber immer noch unverkennbar, abseits der vielen Experimente finden sich Grundzüge, wie man sie von ihm in den letzten fünfzehn Jahren oft gehört hat. Sein Spiel ist ohnehin unverkennbar, sein Ton genial. Und man darf nicht vergessen, dass er eine ganze Karriere damit geschaffen hat, in der sein früher Bandkollege PETER GABRIEL gerade einmal neues Material veröffentlichte.

7 / 10