MAGNUM - Here Comes The Rain

01 magnum

VÖ: 12.01.2024
(Steamhammer/SPV)

Genre: Bombast Hevy Rock

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MAGNUM

Wie soll man eine Besprechung beginnen, wenn man nach dem Einschalten des Computers kurz die Nachrichten checkt und vom Ableben eines seiner größten Idole erfahren muss? Ich meine nicht den deutschen Fußballkaiser, sondern den am selben Tag verstorbenen Tony Clarkin, Herz und Seele von MAGNUM. An jenem verdammten 7. Januar, an dem auch Neil Peart vor vier Jahren von uns ging, ein Auftakt für ein Höllenjahr. Wollen wir aber nicht den Teufel an die Wand malen, sondern einen Mann ehren, der zu den eigenwilligsten und gerade deswegen so sympathischsten Urgesteine der Rockwelt gehörte. Der mit Bob Catley , der Stimme seiner Ideen eine Band wie ein altes Ehepaar führte und sich über Jahrzehnte und Generationen eine treue Fanbase erarbeitete. Clarkin war sich immer treu, und er war ein Arbeiter, einer der im Zwei-Jahres-Takt ein neues Werk unter die Menschen brachte. Der gute Tony wird den Release des Schwanengesang „Here Comes The Rain“ nicht mehr miterleben.

Ein Deja Vu für den Verfasser, das mich ebenso runterzieht wie seinerzeit die Übersetzung des Interviews mit Pjotr Grudzinski von RIVERSIDE, während die Nachricht von seinem Ableben herein kam. Alles was den Fans bleibt ist den Künstler zu Ehren und in Erinnerung zu halten, einen Künstler, der sich nicht mehr von seinem Publikum verabschiede konnte. Ihre Rezeptur fanden MAGNUM früh, bereits auf dem zweiten Longplayer manifestierte sich ihr bombastischer Hard Rock, ein Jahr später schufen sie mit „Chase The Dragon“ das erste Meisterwerk. In der zweiten Hälfte der Achtziger wurden sie zu Größen im Business, „On A Storyteller´s Night“ wird als ihr Überalbum in Erinnerung bleiben, „Wings Of Heaven“ dagegen als Hitalbum. Tony Clarkin spielte nicht nur scharfe Riffs, sein scharfer Verstand verpackte Zeitbeobachtungen in fantasiebeladene Worte.

So handelt der Albumtitel der 23. Langrille nicht etwa von gewöhnlichem Regen, sondern von den Bedrohungen, die existieren und oft von oben kommen. Der oft auf den Rodney Matthews-Artworks auftauchende Wizard will mit seinem Schirm davor schützen. Und magisch war die Musik schon immer, gerade weil die Fantasy-Charaktere oft nur Synonyme spielten für tatsächliche Begebenheiten sind, aber unter der Maskerade noch mehr Emotionen wecken. Clarkin verstand seit jeher Beides, in den Kopf des Hörers zu rocken und sich mit viel Wärme in dessen Seele einzuschmeicheln.
Und so beginnt auch jenes Werk, das unter nun völlig veränderten Vorzeichen steht mit dieser Mixtur, die zuletzt wieder an Kontur gewonnen hat. Manchmal war das zu schematisch mit der stets zurückgenommenen Strophe aus der das Tempo dann passend dosiert wurde. „Run In The Shadows“ ist ein typischer Opener, der mit Drive nach vorne will, die Dynamik variiert und sich hymnisch im Ohr festsetzt. Atmosphärisch fügen sich immer wieder die Synths ein, ähnlich wie bei „After The Silence“, wo sie flächiger eingesetzt werden. Nach einer dezenten Strophe mit interessanter Rhythmik wird es im Chorus richtig euphorisch.

„Blue Tango“ bietet noch mehr Rock und macht von vorne bis hinten Laune, ohne einmal nachzulassen. Fast schon rock´n´rollig tönt das herrlich verspielte Riff, flankiert von Piano – und Orgeltupfern, so breitbeinig konnte der Mainman noch im hohen Alter zocken. Die Strophe atmet eine angenehme Schwere, bevor sich erneut eine gewisse Euphorie breit macht. Catley ließ jüngst in Interviews verlauten, dass er speziell diese Nummer zu gerne auf die Bühne bringen würde. Ein Wunsch, der ihm und den vielen Fans wohl verwehrt bleiben wird. Mit „The Day After The Night Before“ war auf dem Vorgänger ein ähnlicher Titel vertreten und auch die damals in „No Steppin´ Stones“ verwendeten Bläser gibt es hier auf die Ohren. Bei „The Seventh Darkness“ findet sich sogar ein Saxophonsolo, das zuletzt mal in den Achtzigern ran durfte, sich aber sehr gut einfügt, gar mit den sechs Saiten duelliert.

Auch wenn einige Ideen weiter gesponnen werden so gibt es im Vergleich zu „The Monster Roars“ wieder mehr Vielfalt. Damals schienen Rick Benton die Ideen etwas abhandengekommen zu sein, mit denen er die ersten beiden Alben unter seiner Mithilfe veredelte. Zwar geht man nicht mehr so tief in die Siebziger, psychedelische Momente sucht man vergebens, doch Vintage-Sounds wie die Orgel sind präsenter als zuletzt. Daneben setzt Benton auf ein paar moderne Zitate und nicht mehr nur auf verwässernde Synthstreicher wie auf dem Vorläufer.
Beim hohen Anteil von ruhigen Titeln kommt es vor, dass mit „The Day He Lied“ einer zu klebrig gerät. Dafür ist der auf Clarkins späte Tage wiederentdeckte Blues im Titeltrack deutlich zu hören, in welchem er auch auf die Akustische zurück greift um sie über schwebende Tasten gleiten zu lassen. Ganz interessant gestaltet sich “Broken City“, das komplett ohne Rhythmusinstrumente auskommt. Neben dem vielfältigen Anteil des Keyboarders weiß auch die Akustische mit spinettartigen Klängen Akzente zu setzen.

„Here Comes The Rain“ ist sicher eines der zahmeren MAGNUM-Scheiben, selbst der Metalbackground von Lee Morris kommt wenig zum Tragen. Der Schlagzeuger bindet sich fein in die zurückhaltende Herangehensweise ein, bleibt sicher unter den Möglichkeiten, der Klang ist recht direkt, nicht so voluminös. Auch der alte Sidekick sang schon einmal kraftvoller, doch wenn ein 76-jähriger mit seinen Phrasierungen immer noch die Stimmungen transportieren kann, darf man ihn dann kritisieren? Es wäre ein Frevel! Gegenüber dem letzten Werk sicher eine Steigerung, wenngleich nicht das stärkte ihrer Geschichte.

Am Ende gibt es mit „Borderline“ doch noch das große Epos, das sich im angenehm knappen Langeisen über die sechs Minuten wagt und wuchtig aufbegehrt. Hier sind weltmusikalische Motive zu vernehmen, das Klavier perlt wunderbar und setzt einen Kontrapunkt zum allerletzten Mal, wenn Tony Clarkin seine Axt kantig einsetzt. Dafür darf der Synthesizer im Solo ran und am Ende klingt alles mit einer fast prophetisch melancholischen Pianolinie aus. So schenkt man den Fans einen Schwanengesang, der ob seines gesetzten Charakters den Namen verdient. Ob der gute Tony nun in einer Nacht von sieben zum Tanz aufspielt?
What a night! What a band! This was MAGNUM!

7,5 / 10

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