RITVS - Der Tag naht

12 ritvs

VÖ: 15.12.2023
Dying Victims Productions

Genre: Kraut Rock/Hard Rock

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RITVS

Mitte der 10er Jahre entsprangen einst VVLVA den Händen und Hirnen ihrer Schöpfer und schenkten der Welt zwei EPs und zwei Longplayer. Mit „13. Winter“ nahm man erstmals Songs in der deutschen Muttersprache auf, was fortan zu ihrem Markenzeichen werden sollte. Nun sind sie unter dem Banner RITVS unterwegs, wobei sie die Schreibweise des Buchstaben „u“ beibehalten haben. Schon beim Cover kann man erahnen mit was man es hier zu tun hat, das kosmische Artwork führt einen zurück in die spacigen Zeiten als der Kraut Rock wucherte und Prog und Psychedelic ihre Hochphase hatten. Hält „Der Tag Naht“ was es verspricht?

Von Sekunde eins an möchte man sagen, direkt duellieren sich die Leadgitarre von Philipp Muschal mit der Schweineorgel unter Bearbeitung von Christian Karl. DEEP PURPLE sind die ersten, die dem Hörer bei der Up-Temponummer „Die Kinder Cuzcos“ in den Sinn kommen, auch beim Soloteil. Davor gerät der Song etwas mehr ins Schweben, was sich im weiteren Verlauf der Scheibe fortsetzt.
Gerade der Titeltrack wird von der getragenen Tastenarbeit Karls getragen, der auch mal zum analogen Synthesizer greift. Dieser hat beim finalen „Erde Unter Meiner Haut“ einen noch größeren Anteil am Gesamtsound, dessen Atmosphäre fast schon doomig daher kommt. Mehr Dampf hat das „Ruß Und Feuer“ auf dem Kessel, das immer mal wieder flirrend ausbricht, aber auch genug entrückte Elemente aufweist.

Diese reiben sich gekonnt man den rockigen Passagen, wobei „Abstinenz“ erneut von einer tollen Harmonie lebt. „Obsession“ ist dagegen mit seiner prägnanten Riff fast schon am Proto Metal der Marke BLUE CHEER dran. Dazwischen wird eher geradlinig gerockt, die Balance zwischen den hardrockigen Einflüssen und den herrlich verschrobenen Momenten gelingt gut. Letztere zeigen sich auch in den psychologisch angehauchten Texten. Produktionstechnisch verharrt man ebenso in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern, was hier ein wenig angestaubt klingt. Der Transformation zu heutigen Standards gelang leider nicht, hier wird unmissverständlich der guten, alten Zeit gefrönt, die allerdings sehr authentisch reproduziert werden ohne abzukupfern.

Von der Herangehensweise kann man vielleicht BLUE ÖYSTER CULT als Referenz heranziehen, doch auch das ist wenig evident. Wenn der Gesang mal melodischer wird, ich will nicht sagen schlageresk, erinnert mich das ein bisschen an LIMERICK, deren „On Tour“ jüngst wiederveröffentlicht wurde, wenn auch ohne NDW-Ausflüge. Allerdings hatte man damals andere Möglichkeiten zur Verfügung, so dass man heute mehr erwarten sollte. Ein wenig schade, weil ansonsten sehr erfrischend und doch abgeklärt und auf den Punkt gezockt wird. So werden wohl nur Liebhaber in den Genuss von „Der Tag Naht“ kommen, zumal die deutschen Lyrics eine interessante Klangfarbe einbringen.

7 / 10