YES - Mirror To The Sky
VÖ: 19.05.2023
(Inside Out)
Genre: Prog Rock
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YES
So richtig lief der Motor der großen alten Progressive Rockformation nicht rund in den letzten zehn Jahren, auch wenn sie immer mal wieder großartige Touren spielten. Doch nach dem albumtechnischen Comeback mit „Fly From Here“ hatte man sich mehr erhofft. Natürlich versetzt der Tod von Chris Squire der Band einen schweren Schlag, doch schon das mit ihm noch eingespielte „Heaven & Earth“ fiel schwach aus. Mit „The Quest“ steigerten sich YES zwar ein bisschen aber auf die kürzlich erneut verschobene „Relayer“-Tour warten die Fans noch immer. Nun schiebt die Band nach gerade eineinhalb Jahren mit „Mirror To The Sky“ ein weiteres Studiooutput nach.
Da sitzt nun Tourschlagzeuger Jay Schellen erstmals an den Drums, da Alan White leider im letzten Jahr ebenfalls von uns gegangen ist. So wurde die Konstellation in den letzten Jahre oft durcheinander gewirbelt, was insofern schade ist, da man in den Jahren nach der letzten Rückkehr von Rick Wakeman kein Studioalbum mehr hinbekommen hat. Seit dem erwähnten „Fly From Here“ sind ohnehin Steve Howe und Geoff Downes die Hauptsongwriter, was sich auch stilistisch niederschlägt.
Weniger Prog, dafür mehr Art Rock stehen seitdem auf dem Programm, weniger instrumentaler Showdown als vielmehr flächige Sounds und Spärik. Die Nähe zu „Drama“ von 1980 sind weiterhin unverkennbar, auf dem der Keyboarder schon früher Bandmitglied war. Der Bass von Billy Sherwood bestätigt nun diesen Eindruck noch mehr, der eben weicher aus den Boxen drückt. Im Opener „Cut From The Stars“ versucht er sich ein wenig am Stil seines markanten Vorläufers, aber insgesamt fügt er sich in die neue Marschroute ein.
Jener Auftakt sieht auch wieder ein paar Streicher zu Beginn, auf die Orchestermomente wollen YES wohl nicht mehr verzichten. Auf „Magnification“ funktionierte das auch sehr gut, ist also legitim, vor allem wenn man darauf aus ist, seinen Sound ständig weiter zu entwickeln. In der Folge gibt sich die Nummer locker und beschwingt, was im Laufe des Albums öfter die Stimmung vorgibt. Hier harmoniert es ganz gut mit den psychedelischen Klängen, die Howe oder Downes vom Stapel lassen.
Mirror To The Sky“ verleihen sie teilweise einen spacigen Charakter, der das tolle Roger Dean-Cover unterstreicht. Der Tastenmann setzt nicht so auf klassische Synthesizer, sondern eher auf verfremdete E-Piano- und Orgeltöne. Derart beschwingt kommt nur noch „One Second Is Enough“ daher, das zwar von einer melancholischen Hammond eingeleitet wird, dann aber viel Hippie-Flair verströmt, sogar mal die Flöte auspackt. Speziell Howes Spiel und die mehrstimmigen Chöre wissen hier zu glänzen.
„All Connected“ weiß zwar mit den BEATLES-Harmonien sein Scherflein zu lässigen Parts beizusteuern, wird aber schon von schweren Synths und schönen warmen Leads am Anfang eher in die Art Rockschiene gedrückt. Im Anschluss präsentiert dann „Luminosity“ die einst für Jon Anderson so typische andächtige Seite der Gruppe. Konzertante Leadfills schrauben sich in die Höhe, Streicher schweben darunter, die Orgel perlt herab, alles schön harmonisch im Fluss. Dann kommt Jon Davison so nahe an den großen Vorgänger ran wie nur selten zuvor.
Neben den beiden eben angesprochenen Neunminütern, in dessen Verlauf ein bisschen zu wenig passiert, weiß das achtminütige „Unknown Place“ mehr zu bieten. Das fängt mit den coolen, an Stammesgesänge erinnernden Chören an, die weltmusikalische Einflüsse aufzeigen. Howe kann leidglich auf der akustischen für Verzückung sorgen wie später beim jazzigen Schlussakkord „Magic Potion“. Hier streut er ein prägnantes Motiv immer wieder ein und duelliert sich mit Downes im Solo in DEEP PURPLE-Manier.
Herzstück bleibt der vierzehnminütige Titeltrack, dessen schweres Riff noch memorabler ist und eine wunderbare Atmosphäre erzeugt, vor allem wenn das Piano drüber tänzelt. Bass und Gitarren geben dann Gas wie in besten Zeiten, steigen dramatisch an, bevor es im Gesang wieder getragen zugeht. Das Orchester hat seinen ganz großen Auftritt und nach verspieltem Jampart scheint alles mit dem Grundthema von vorne zu beginnen, doch YES wühlen sich noch tiefer in die Stimmung hinein, die sich bis zum großen Finale steigert. Mit mehr solcher Kompositionen dem rockigen „Living Out Their Dream“ könnte die altehrwürdige Formation wieder zu alter Größe gelangen, hier kann man lediglich produktionstechnisch gut in Szene gesetzt den Aufwärtstrend untermauern.
7 / 10