IN FLAMES - Foregone
VÖ: 10.02.2023
(Nuclear Blast)
Genre: Melodic Death/Modern Metal
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IN FLAMES
Auch vor den Königen von Göteborg hat die Pandemie nicht Halt gemacht, obwohl in deren Heimat das Thema weitaus liberaler gehandhabt wurde als im Rest Europas. Nachdem die letzten Scheiben in verhältnismäßig kurzen Abständen erschienen, lagen dieses Mal ganze vier Jahre zwischen den Veröffentlichungen. Weiter gedreht hat sich das Personalkarussell, nur nicht so schnell wie zuvor. Niclas Engelin ist endgültig draußen, sein Ersatz Chris Broderick ist seit letztem Jahr fest an Bord. Mit dem US-Amerikaner ist nicht nur wegen dessen Muskelmasse ein Schwergewicht in der Band, zuvor griff er bereits für JAG PANZER, MEGADETN und NEVERMORE in die Saiten. Viel einbringen konnte er sich kreativ noch nicht, nach der langen Zeit erwarten viele mit „Foregone“ eine Neuausrichtung bei IN FLAMES.
Mehr als zweiminütige Akustikintros mit dezentem Streichergewand gab es tatsächlich noch nicht bei den Schweden, „The Beginning Of All Things That Must End“ macht die Sache spannend. Akustische Gitarren gab es immer mal wieder, man denke nur an die Livedarbietungen von „Alias“, aber selten so prominent wie auf dem nunmehr vierzehnten Dreher. „Pure Light Of Mind“ führt die Melancholie des Intros fort, die typischen Leads erzeugen mehr Weite, sehr ruhig ist die Strophe gehalten, bevor Anders Fridén stimmlich etwas anzieht, um den Chorus völlig zu öffnen. Ganz so viel Hitpotential bringt der Schlusspunkt „End The Transmission“ nicht in die Waagschale, rockt aber immerhin schön nach vorne. Neben ungewohnter Schwere flirren die akustischen schön durch die Szenerie.
Einige Teile des letzten Songs deuten auch eine neue Facette im Sound des Fünfers an, der sich in der Tat entwickelt hat. Nicht nur weil man mehr Klampfen einbaut, was schon FATES WARNING auf „Perfect Symetry“ zu neuen Ufern aufbrechen ließ. Ebenso wie die Prog Metaller zu jener Zeit lassen auch IN FLAMES mehr Schwermut und Düsternis einfließen. Der tiefe Groove von „Bleeding Out“ brettert noch ansatzweise bekannt über die Köpfe der Hörer hinweg.
Die Grunts, die der gute Anders auspackt gehen aber tiefer als zu Anfangszeiten und offenbaren eine neue Dynamik. Gesanglich hat sich der Mann stark weiter entwickelt, sein Spektrum noch erweitert, das schon die heisere Stimmlage, das Keifen und die cleanen Melodien beinhaltete. Gerade in dem Bereich wirkt er sicherer, benötigt nicht mehr so viele Effekte und singt streckenweise sehr sauber. Im Wechselspiel mit den noch tieferen gutturalen Vocals ergeben sich ganz neue Ausdrucksmöglichkeiten.
Interessant vor allem wie es den Musikern gelingt dies alles in den knappen vier Minuten pro Song reinzupacken, ohne ihn zu überfrachten. Da kommt auch das offenere Klangbild zugute, das die Details mehr betont als die massive Wand zuletzt. „In The Dark“ macht seinem Namen alle Ehre, streift sogar kurz den Death Doom, wobei die Leads hier aus der Feder von Broderick stammen könnten. Plötzlich wird der Druck heraus genommen, um den Refrain fast verletzlich beginnen zu lassen.
Die Göteborg-Pioniere wären aber nicht sie selbst, wenn sie das alles nicht in ihr angestammtes Kompositionsbild integrieren würden. Ob die klassischen staccatoartigen Leads oder die Melodieführung sowie die leicht psychotische Atmosphäre, die Trademarks sind nach wie vor am Start. Am besten nachzuhören in „The Great Deceiver“, bei dem auch die DoubleBass ordentlich Sperrfeuer gibt, die Melodie aber nie zu kurz kommen. Beide Welten treffen im Titelsong aufeinander, dessen erster Part ganz typisch klingt, während der zweite die gefühlvolle Seite betont.
Im eigentlichen Opener „State Of Slow Decay“ können Altfans sogar kurz Hoffnung auf ein neues „The Jesters Race“ schöpfen, so derbe gehen IN FLAMES hier zu Werke. Den gestiegenen Härtefaktor feiert die Formation dann aber lieber mit dem angethrashten Gehacke von „Meet Your Maker“, das sie ebenso in ihren Kosmos integrieren. So bleibt sie ihrem Sound treu, während sie sich doch stetig weiter entwickelt. Da ist es auch keine Rückkehr in postmoderne Zeiten, trotz der Neuerungen wird die klassisch rockende Seite, die zuletzt immer deutlicher wurde weiter aufgeschlagen.
8 / 10