THRESHOLD - Dividing Lines
VÖ: 18.11.2022
(Nuclear Blast)
Genre: Prog Metal
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THRESHOLD
Nachdem man mit Damian Wilson zwei Alben innerhalb von zwei Jahren heraus brachte, dauerte der Nachfolger mit dem anderen Rückkehrer ganz fünf Jahre. Als Grund bietet sich die Pandemie wie in so vielen Fällen an, eine Tour war bereits gebucht, wurde verschoben, war dann erneut unsicher und wurde endgültig gecancelt, damit man sich auf das Studio konzentrieren konnte. Dahin hat es das selbe Line-Up wie beim Vorgänger „Legend Of The Shires“ verschlagen, um diesem Hammerwerk einen Nachfolger zu präsentieren. Leichter gesagt als getan, das konnte sich fast schon mit dem unfassbaren „Hypothetical“ messen, wobei „Divinding Lines“ wegen der genannten Umstände ohnehin keine leichte Geburt war.
In solchen Fällen antworten Bands meist mit einer Kurskorrektur, wie kann man noch einen drauf legen, wenn das Ende der Fahnenstange schon erreicht ist. THRESHOLD klingen so modern wie nie zuvor, nachdem das letzte Album gerade mit einem eher retro gewandten Ansatz überzeugen konnte. Hier wird eher der Faden der beiden Damian Wilson-Scheiben aufgenommen als eben der des direkten Vorläufers.
Die Gitarren wurden wieder runtergestimmt und klingen nicht so klar wie gewohnt, sondern wurden mit Effekten beladen. Selbiges gilt auch für die Tasten, die noch spaciger tönen und auch vor elektronischen Spielerein nicht zurück schrecken. In den Harmonien hat das den Anflug der Klangästhetik von FEAR FACTORY. Zum Glück lässt die Studiotür des Thin Ice-Studios von Gitarrist Karl Groom und Keyboarder Richard West genug Wärme herein, dass sich jene nur minimal durchzusetzen vermag.
Am stärksten ist die neue Direktive in „Complex“ ausgeprägt, die thrashigen Riffs für welche die Band ebenfalls bekannt ist kommen recht kernig und die Synthesizer futuristisch. Treibt es zum Beginn gut nach vorne, so führt eine schwere Orgel etwas zurück zum Bewährten, bevor sich der Refrain öffnet und etwas Druck heraus nimmt. Ein weiteres Teil im Baukasten des zeitgemäßen Metal ist der orchestrale Anstrich, den das anschließende „King Of Nothing“ erhält, bei welchen das Piano herrlich perlt.
Schwerfällig beginnend, von Schleiern überzogen schält sich bei „Let It Burn“ eine leichte QUEENSRYCHE-Note heraus. Was vor allem am Bass in der Strophe liegt, der tief in die Atmosphäre eintaucht. Jene Parts wechseln sich mit eher hektischen, fiebrigen Momenten ab, diese Kontraste lebten THRESHOLD seit jeher. Ob die Chöre das nun zusammenhalten sollen oder nur weiteres Handwerkzeug sind, um sich für neue Hörer zu empfehlen, ist eher Ansichtssache.
Weniger zu diskutieren gibt es beim Härtegrad, der ist auf jeden Fall gestiegen. Analog dazu gibt es keine einzige Ballade, das Keyboard-lastige „Lost Along The Way“ kommt da am nächsten dran, selbst wenn es sich eher als sphärisches Lied versteht. Dafür werden ruhige Passagen überall eingestreut wie schon im Opener „Haunted“. Der hämmert ordentlich los, es geht eher stumpf nach vorne, je näher es zum Chorus geht, umso mehr öffnen Synthteppiche die Melodieführung, Glynn Morgan scheint sich immer mehr hinein zu steigern, sich aufzuschwingen, bevor er sanft heraus geleitet. Beim zweiten Mal geht es fließend in eine Akustikpassage über, an deren Ende eines dieser wunderbaren Soli steht.
Alles was man von ihnen erwarten kann in fünf Minuten, ein wahrer Parforceritt. Die ganze Pracht entfaltet sich in den Longtracks, wobei hier „The Domino Effect“ genannt werden muss. In ein verträumtes Intro schießt plötzlich ein kantiges Riff, die Tasten halten wuchtig dagegen, die Strophe soft gepickt, der süffige Refrain nimmt einen dann komplett ein. Eingeleitet wird der Mittelteil von einer Keyboard-Schlagzeug-Harmonie, später wird munter wie in den besten Siebzigern drauf los geproggt. Auf dem Weg dorthin gleitet der Hörer auf Akustikwolken und feinen Leads durch floydsche Welten, bevor Morgan erneut seine ganze Stärke zwischen den beiden früheren Frontmännern ausspielen kann.
Unterm Strich war natürlich „Legend Of The Shires“ das klar bessere Werk, zumal der Klang darauf besser zu den Briten passt, ja einfach britischer war. Unter dem dichten Klang gehen einige Details verloren, wie seinerzeit die wavigen Synthesizerschleier. Hier ist alles zu kompakt, speziell wenn sich mehrere Instrumente in vollem Volumen einbringen, wird es unübersichtlich. Die großen Momente hat „Dividing Lines“ wenn es sich zurück nimmt und den Arrangements Raum lässt.
Aber vielleicht bin ich die falsche Adresse und der anvisierten Zielgruppe passt der zeitgemäße Metalsound sogar besser. Ein wenig kann man da schon Nuclear Blast-Standard unterstellen, mit dem Bands einverleibt werden. Man darf mich aber gerne mal fragen, warum ich in letzter Zeit so viel Blues höre. Da sie nach wie vor identifizierbar ist, dürfen Fans bedenkenlos zugreifen, ein Abfall gegenüber den eigenen Sternstunden bringt bei der Ausnahmeformation immer noch Großes hervor.
8 / 10