THE HIRSCH EFFEKT - Solitaer/Gregaer
VÖ: 26.08.2022
(Long Branch/SPV)
Genre: Mathcore/Alternative/Extrem Metal
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THE HIRSCH EFFEKT
Die Hannoveraner gehören sicher zu dem extremsten Bands des Landes. Sowohl vom Härtelevel als auch von der Abgefahrenheit stellen sie den äußeren Rand des Spektrums dar, was selbst Begriffe wie avantgardistisch und progressiv an seine Grenzen führt. Zumal sich THE HIRSCH EFFEKT nach der introspektiven „Holon“-Trilogie auf den letzten Longplayern vermehrt politischen Texten zuwandten, die mit ihrer haltungsstarken linken Ideologie auch wieder angenehm am Rand wandeln. Zuletzt haben sie zwei EPs aufgenommen, die nun als ganzes Album neu aufgelegt wurden und wiederum neue Wege erkunden.
„Solitaer“ ist ja wie der Name schon ausdrückt bewusst isoliert aufgenommen worden, die Stücke jeweils getrennt komponiert worden, um die Auswirkungen des Lockdowns künstlerisch zu nutzen. Es fällt wie immer schwer das Gehörte zu beschreiben, weil die Stille wild durcheinander gewürfelt werden. „Palingenesis“ beginnt noch einigermaßen nachvollziehbar und könnte mit dem Stempel Prog Metal durchgehen.
Doch mit einsetzendem Gesang geht es zu sehr in die Core-Richtung, die Stimme guttural, das Tempo und die Blasts am Anschlag. Vielleicht nicht ganz so chaotisch verfrickelt wie in der Vergangenheit, aber immer noch mit schön verdrehten Riffs. Markenzeichen blieben wie immer die Brüche hin zu den Refrains, die deutlich melodischer daher kommen, und nicht nur im Emo Core wildern.
Im phrasierten „Nares“ fällt man plötzlich in alternativen Rock, der hier besonders sanft die Dynamik auf die Spitze treibt. Nicht nur wegen den intellektuellen Lyrics ist eine Nähe zu Bands wie TOCOTRONIC auszumachen, „Amorphus“ spannt in den Melodien den Bogen zu DIE ÄRZTE. Dabei ist das ein absoluter Wutbrocken, der ohne Ansatz losschnaubt und leidglich in jazzigen Fragmenten seine Überleitung findet.
Auf dem zweiten Teil unterzieht man Lieder der beiden letzten Scheiben einer orchestralen Behandlung, eine nicht unbedingt ganz neue Idee. Der Titelsong der ersten EP kommt so zweimal zum Zuge, weil er auch hier noch einmal neu aufgenommen wurde. Wobei neben vielen Bläsern auch Chöre eingesetzt werden, welche die ruhigen Phasen untermalen und ihnen mehr Tiefe geben.
Im Prinzip passt das gut zu den fast bluesigen Klängen in der ersten Hälfte von „Domstol“, wenn dann das Tempo anzieht wirkt das etwas überfrachtet. Beim Outro von „Kollaps“ gibt es dafür eine Extraportion Dunkelheit, die wiederum von jazzigen Anklängen konterkariert wird. Wie gehabt halten THE HIRSCH EFFEKT ihre Musik wunderbar spannend, probieren neue Wege. Aufgrund der hohen Musikalität und dichten Sounds hat der Wahnsinn bei ihnen Methode.
7 / 10