SNOWY WHITE - Driving On The 44

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VÖ: 22.07.2022
(Snowy White/Soulfood)

Genre: Blues/Blues Rock/Melodic Rock

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SNOWY WHITE

Leider will oder kann der Mann nicht mehr live spielen, was ihn traurig macht, gerade weil sein letztes Konzert in Leningrad stattfand. Dafür ist er im Studio produktiv wie schon lange nicht mehr, auch nun hat es nicht mal zwei Jahre gedauert, bis er neues Material vorlegt. Dieses Mal ganz auf Solopfaden, da der letzte der WHITE FLAMES, Juan van Emerloot nicht mehr dabei ist. In Ermangelung eines Bassisten hat SNOWY WHITE zu seinem neuen Dreher noch mehr beigesteuert als Gitarre und Gesang. Das Artwork passt sich von der Farbgebung an die direkten Vorgänger an, ein Indiz dass es musikalisch ebenso weitergehen sollte.

Vom ersten Ton an hört man dass man es hier mit dem Meister des melodischen Slow Blues zu tun hat. Unter Tausenden Saitendehnern hat niemand so einen butterweichen Anschlag, nimmt sich niemand so zurück und gibt dem Song damit genau das was er benötigt. Das Schaffen von Atmosphären, in denen man versinken kann ist sein Metier, der feine Pinselstrich. Jedes Solo auf den Punkt, die Töne wie hingehaucht, stimmlich sowieso und doch so berührend. White ist komplett in seiner eigenen Welt, die sich schon früh in seinem Schaffen heraus stellte, was die Erwartungshaltung befriedigt ohne zu sehr vorhersehbar zu sein.

In jener Welt finden sich verschiedene Ufer, die zwar besetzt sind, aber dennoch gerne angelaufen werden, um Respekt zu zollen. WISHBONE ASH entdeckt man auf den Pfaden, mal im Solo des Titelstücks, dann wieder im Intro des „Longtime Blues“. Auch die Twin-Lead-Legende geht ähnlich tiefenentspannt zu Werke wie der Barde. „Driving On the 44“ lässt im Refrain etwas Raum für rockige Ansätze, aber nur so rockig wie es in seinen Horizont passt.
Der zweite Song hingegen wendet sich unterwegs SANTANA zu, wenn der percussive Rhythmus etwas flotter angeschlagen wird. Der Altmeister kommt einem auch bei „One Man Girl“ in den Sinn, speziell bei der Art wie die Orgel bedient wird. Verräterisch ist auch der Groove, der im abschließenden „Lady Luck (Why So Mean To Me)“ noch mehr heraus kommt. Mit dominantem Bass und WahWah-Einsatz funkt das Ding ordentlich.

Die Reise in die schön erzählten musikalischen Geschichten beginnt mit dem intrumentalen „Freshwater“, bei dem das Piano führen darf, während der Meister nur einzelne effektive Töne beisteuert. Fast so als wolle er sich noch in das Album hinein finden, was auch den Schlenker in Country-Gefilde erklärt. Vor allem die Longtracks wissen zu gefallen, „Down In The Dark“ swingt mit leichtem Off-Beat. Das E-Piano wabert sich immer mehr in den Vordergrund, trägt den psychedelischen Ansatz den DOORS entgegen. Und „Keep On Flying“ zeigt akustische Fingerübungen, die im elektrifizierten Solo immer floydigeren Charakter annehmen.

Schlicht „Blues 22“ betitelt offenbart der Titel die Wurzeln als Bluesmann, der SNOWY WHITE trotz all der Ausflüge immer noch ist. Schön schleppend mit dem dezent jazzigen Piano, das wir bereist aus dem Opener können. Auf „Driving On The 44“ gelingt es abermal die engen Grenzen perfekt auszureizen und musikalisch auf großartigem Niveau weiterzuarbeiten.
Nicht nur spielerisch kann das Material voll überzeugen, die reduzierte Produktion gibt dem Bass den nötigen Druck, als wolle er sich auf dem Instrument beweisen. Dabei muss niemand mehr etwas beweisen, der so wunderbare Songs aufnimmt, die einen mit ihrer Wärme einhüllen. Davon abgesehen, dass der Veröffentlichungstermin im Sommer eher unpassend ist, sterben die streckenwiese wieder in Schönheit.

8 / 10