JOURNEY - Freedom
VÖ: 08.07.2022
(Frontiers Music)
Genre: AOR
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JOURNEY
Elf Jahre hat es gedauert bis eine der ganz großen Helden des AOR wieder ein Album heraus gebracht haben. Zwischenzeitlich krachte es ordentlich im Gebälk, Deen Castronovo wegen schweren persönlichen Problemen raus, zuletzt war der Geläuterte wieder mit von der Partie. Dafür ist Rhythmuspartner Ross Valory wegen geschäftlicher Streitigkeiten nicht mehr dabei. Obendrein überwarfen sich Gitarrist Neal Schon und Keyboarder aufgrund der Trump-Präsidentschaft, als ob die Orange nicht genug gespalten hätte. Auf der DVD „Live In Japan“ sind die Zerwürfnisse ganz offenkundig, eine Band, die sich nichts mehr zu sagen hatte. Macht „Freedom“ alles neu oder tatsächlich freier?
Neu ist da zuerst einmal gar nichts, sondern vom ersten Ton an als diese Legende zu verorten. Die leicht modernisierten Zeiten von „Eclipse“ sind wieder vorbei, das seinerzeit ein gitarrenorientiertes Album war und viel von Schon´s Soloplatten hatte. Fast schon zu ruhig phasenweise, wenn auch kein Balladenalbum wie das Comeback „Trial By Fire“. Vom Piano getragen gibt sich „Together We Run“ am Anfang genau als solche, bis der Refrain doch wesentlich mehr zupackt. Typischer Mainstream Rock im positivsten Sinne des Wortes mit der größten Nähe zu „Raised On Radio“.
Wie typisch die Klänge sind zeigt im Anschluss „Don´t Give Up On Us“, dessen Riff sofort „Seperate Ways (World´s Apart)“ herauf beschwört. Zwar ein wenig leichter im Anschlag und nicht so fordernd von den Drums her, aber immer noch selbstreferenziell genug. Dabei bedienen sie sich sogar fremder Federn, wobei ich nicht weiß, ob sie „Nemo“ von NIGHTWISH jemals gehört haben. Nur steht die Melodie in dessen Chorus beim führenden Gitarrenlead unüberhörbar Pate.
Was der Fan etwas vermisst ist der Drive, mit dem die Songs normalerweise nach vorne gehen. Wie der zuletzt genannte Titel ist auch „After Glow“ mit einer wunderschönen Gesangslinie ausgestattet, die Rhythmusarbeit hält sich jedoch stark zurück. Vor allem der sonst so kraftvolle Rückkehrer Castronovo bleibt blass. Im versponnenen, sphärischen „Still Believe In Love“ drohen sie fast in Gefilde abzudriften, die STRANGEWAYS in den Neunzigern viel Kredit kosteten.
Doch JOURNEY sind ein anders Kaliber und können da immer etwas rausholen, bei besagtem Song mit bluesigen Licks, was einfach einen Ausnahmekönner wie Schon auszeichnet. Die Eleganz der Melodieführung macht ihnen so schnell keiner nach, dazu legt Arnel Pineda noch mehr Soul in die Waagschale. Großartig unterstützen ihn die anderen Vier bei perfekt dosierten mehrstimmigen Arrangements.
Gerockt wird auch, wenn eher dezent oder gar schleppend wie in „The Way It UsedTo Be“, welches am ehesten auf dem Vorgänger hätte stehen können. „You Got The Best Of Me“ geht etwas mehr nach vorne, lebt von seinem lockeren Charme und dem variablen Spiel von Cain, der an Orgel und Piano überzeugt. Am typischsten oder besser Achtziger-kompatibelsten erweist sich das flotte „Don´t Go“.
Ein paar Nummern überraschen, doch man muss sich fragen, ob die nicht zu viele für das Album waren, oder nicht besser mit anderen Kompositionen in der Machart ein eigenständiges Release abgegeben hätten. Ganz von den Siebzigern konnte der Sechssaiter seine Finger nicht lassen und versucht partiell in diese Richtung zu gehen, vor allem Mitte des Albums. So groovig wie mit „Come Away With Me“ hat man JOURNEY noch nie gehört, Bläser inklusive.
Dennoch eine eher kernige Nummer, die Richtung der Frühphase tendiert, was auch für die Single „Let It Rain“ gilt. Leicht psychedelisch schleppt sich der Song voran, gibt instrumentalen Ausflügen Raum. Interessant auch „All Day And All Night“ mit seinem rollenden Riffs und dem prägnanten Basslauf von Randy Jackson. Jedoch klingen jene Stücke wie längere Jams und finden irgendwie den Weg ins Ziel nicht, was den Gesamteindruck von „Freedom“ noch heterogener macht.
Lediglich das abschließende „Beautiful As You Are“ kombiniert beide Welten. Nach einem ruhigen, akustischen Beginn läuft das Piano voran, liefert den Nährboden für die getragene Strophe und den hymnischen Refrain. Die Dynamik wird am Ende verstärkt, wenn Castronovo kurz aufleben kann, es geht also doch. Die Scheibe hat ihre Momente, für traditionelle Fans noch mehr als „Eclipse“, insgesamt war man da klar stärker unterwegs.
7 / 10